Zwischen Freilichtmuseum und Science Fiction

Architektur für die russische Raumfahrt

Das Buch „Architektur für die russische Raumfahrt“ stellt vom Konstruktivismus bis zur Kosmonautik Visionen, Zeitzeugenberichte, bislang unveröffentlichte Dokumente und Fotografien vor.

Vor etwa 52 Jahren, am 12. April 1961, flog Juri Gagarin als erster Mensch in den Weltraum. Auch heute noch entsendet Russland bemannte Raumschiffe ins All, darunter die Sojus-Raketen zur Internationalen Raumstation ISS. Damaliger wie heutiger Startbahn-hof: Baikonur in der kasachischen Steppe.

Die Orte, die in Verbindung mit der sowjetischen Raumfahrt entstanden sind und teilweise heute noch betrieben werden, kennt man allenfalls als Name aus den Nachrichten. Die Wenigsten wissen, wie die Städte aussehen, in denen die Raumfahrer, Techniker und Ingenieure mit ihren Familien lebten, trainierten und die Raumfahrt probten – und wie viel Aufwand dafür betrieben wurde. Denn in der Sowjetunion besaß die Raumfahrt oberste Priorität – und das nicht erst seit der erste Satellit Sputnik 1957 in den Orbit geschos-sen wurde. Der Kalte Krieg hatte einen Wettstreit um die Vorherrschaft im Weltraum herauf beschworen, die Raumfahrt galt als Maßstab für gesellschaftliche Leistungsfähigkeit und Fortschrittlichkeit.

Architektur für die russische Raumfahrt behandelt die Architektur, Innenarchitektur und das Design im Kontext der Kosmonautik. Herausgeber Philipp Meuser und die Autoren haben Pläne, Projekte und Bauten von den Anfängen der Sowjetunion bis heute zusammengestellt und in den Architekturkontext des 20. Jahrhunderts eingebettet. Zeitzeugen wie etwa Viktor Asse, der Architekt des Sternenstädtchens Swjosdny Gorodok oder die Innenarchitektin Galina Balaschowa, die den Innenraum der Mir gestaltete, berichten von ihrer Arbeit. Großformatige Pläne und Fotografien dokumentieren stillgelegte sowie noch aktive Orte der russischen Raumfahrt: Baikonur, Kaluga, Swjosdny Gorodok und andere geheime Städte vor den Toren Moskaus sowie die Weltraumbehörde, das Raumfahrtkontrollzentrum und die Raketenfabriken.

Das Buch startet mit den ersten Utopien der Konstruktivisten, die sich von wissenschaftlichen Erkenntnissen wie Raketengleichung (Konstantin Ziolkowski) und Relativitätstheorie (Albert Einstein) inspirieren ließen, beschreibt die Wissenschaftseuphorie – erstmals schien der Traum vom Fliegen zu den Sternen greifbar nah – und die Utopien wie die der sogenannten Papierarchitekten der 1980er Jahre. Die einst als geheim eingestuften Materialien zur Raumfahrtarchitektur, die die Autoren recherchiert haben, darunter den Plan des Sternenstädtchens, zeigen wie sich die Weltraumbegeisterung und ideologische Überhöhung auch in den zivilen Städten in Architektur, Design und Kunst, in Denkmälern und Bildprogrammen manifestierte. Es entwickelte sich eine eigene Formensprache, die aktuell unter dem Stichwort Sowjetmoderne eine Renaissance erlebt. Neben der Dokumentation der historischen Stätten stellt der Band auch den heutigen Umgang Russlands mit seinem Erbe, die Museen und Denkmäler vor. Der Helden- und Reliquienkult, die die Weltraumbegeisterung schüren und ideologische Höhenflüge untermauern sollten, schließen den informativen Bildband ab.

Das Buch kann Technikfreaks und Russlandkenner ebenso begeistern wie Architekten und Kulturhistoriker oder allgemein an Zeitgeschichte Interessierte.

Philipp Meuser (Hg.)
Architektur für die russische Raumfahrt
Vom Konstruktivismus zur Kosmonautik: Pläne, Projekte und Bauten
Mit einem Vorwort von Sergej Krikaljow und Beiträgen von Ansgar Oswald, Maryna Demydovets und weiteren Autoren
230 × 300 mm, 412 Seiten, 366 Abbildungen, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN 978-3-86922-219-6 (deutsch), EUR 78,00. DOM publishers, Berlin

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