Ersatzneubau statt Sanierung

Der demografische und soziokulturelle Wandel der Gesellschaft hat auch Folgen für den deutschen Wohnungsmarkt. Verschiedene Institute erwarten bis 2025 einen Neubaubedarf von jährlich knapp 400 000 Wohnungen, um Deutschland mittelfristig mit bezahlbarem, qualitativ angemessenem Wohnraum zu versorgen.

Es ist – anders als noch vor einem Jahrzehnt – nicht nur ein Wachstums-, sondern insbesondere in den Städten ein Erneuerungs- und Anpassungsbedarf.

Derzeit befindet sich der Wohnungsneubau in Deutschland mit rund 151 500 Fertigstellungen auf einem historischen Tiefstand. Deutschland ist im Bereich des Wohnungsneubaus im europäischen Vergleich seit vier Jahren Schlusslicht. Mittlerweile weisen fast alle Nachbarstaaten eine mindestens doppelt so hohe Neubauintensität auf.

Zurückzuführen ist dieser Mißstand unter anderem auf die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland: Denn die staatlichen Förder- und Steuerinstrumente orientieren sich nicht an der Altersstruktur des Wohnungsbestandes, an der demografischen Entwicklung der Bevölkerung oder an den sich verändernden Wohnbedürfnissen. Zudem behindert die auf die energetische Sanierung fokussierte staatliche Förderung zunehmend auch den in bautechnischer, wohnungswirtschaftlicher und ökonomischer Hinsicht sinnvollen Abriss und Ersatzneubau.

Impulse für den Wohnungsneubau sind vor diesem Hintergrund längst überfällig!

Die Fehleinschätzung „Deutschland ist gebaut“ hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Bau- und Immobilienwirtschaft. An der gesamten deutschen Bruttoinlandsproduktivität hat sie noch einen Anteil von circa 21 %. Zudem ist die Zahl der Arbeitnehmer im Bauhauptgewerbe von 1,4 Mio. in 1995 auf derzeit rund 0,7 Mio. zurückgegangen. Der massive Verlust von Arbeitsplätzen summiert sich durch Insolvenzen vieler kleinerer, mittelständischer Unternehmen. Der ehemalige Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee hat noch 2006 festgestellt, dass Bauinvestitionen in Höhe von einer Milliarde Euro 25 000 Arbeitsplätze schaffen beziehungsweise sichern.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Wirtschaftswachstum ohne die volkswirtschaftlich unverzichtbare Säule ‚Bau­wirtschaft‘ mit ihrer beschäftigungspolitischen Wirkung nicht realisierbar ist. Durch eine Verstetigung der Bau­tätigkeit, die zu einer Stabilisierung der Bauwirtschaft führt, kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft noch ein funktionierender Wirtschaftszweig in Deutschland existiert, der dazu im Stande ist, die drängenden Infrastruktur- und Wohnraumprobleme zu lösen.

Denn einen beschäftigungspolitisch bedeutenden Wirtschaftszweig wie die Bauwirtschaft durch die Fehleinschätzung seiner Wachstumspotenziale in „Wartestellung zu positionieren“, bedeutet in der Konsequenz Wirtschaftswachstum zu verhindern, Arbeitslosigkeit zu fördern sowie einen Mangel an zeitgemäßem und bezahlbarem Wohnraum zu schaffen.

Kunibert Gerij

Vorsitzender des Fachverbandes Ziegelindustrie Nordwest e.V.

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