Aus einstigem Lagerhaus entstand das repräsentative Kontorhaus Gebr. Heinemann

Backsteinfassade als Bindeglied zwischen Alt und Neu

Hamburgs Speicherstadt kann erneut auf einen Zugewinn an Architektur- und Handwerkskunst verweisen: Just an dem Ort, an dem der wohl bekannteste Seeräuber Klaus Störtebecker vor gut 600 Jahren durch Scharfrichter Meister Rosenfeld enthauptet wurde, entstand eines der schönsten Gebäude im Hafengebiet – das Kontorhaus Gebr. Heinemann am Brooktorhafen. Ursprünglich als 5-geschossiges Lagerhaus errichtet, dient das zu einem repräsentativen Handelshaus umgebaute Kontorhaus mit klassischer Backsteinfassade heute dem traditionsreichen, weltweit tätigen Unternehmen Gebr. Heinemann als Firmensitz. Planverfasser ist der Hamburger Architekt Dipl.-Ing. Ulrich Arndt.

 

Das Prägende des Bauwerks liegt in seiner klassischen Ziegelfassade, die sich mit ihrer Struktur, den tiefen Fensterausschnitten und Laibungen harmonisch an den angrenzenden, historischen Kaispeicher B „anlehnt“. Unterstützt wird dies auch durch das Farbspiel der rot, bunt geflammten Backsteine Alt Ruppin der A K A Ziegelgruppe GmbH, Peine. „Gerade diesen Bezug zwischen Alt und Neu herzustellen und mit dem denkmalgeschützten Speichergebäude, dem heutigen Internationalen Maritimen Museum Hamburg, eine optische Verwandtschaft einzugehen, war eine Zielsetzung der Baumaßnahme“, betont Architekt Arndt.

 

Bauherr und Architekt entschieden sich bei dem Fassadenmaterial bewusst gegen einen glatten, scharfkantigen Klinker und für den handwerklichen, im Wasserstrichverfahren hergestellten Backstein. „Backsteine sind ein kleinteiliges, modulares Material, das seit Jahrtausenden handwerklich verarbeitet wird. Diese traditionelle Bauweise - Stein auf Stein - sollte sich auch in der Fassade des Kontorhauses widerspiegeln. Denn mit Ziegeln kann man eine Wand formen, strukturieren und profilieren, so dass Licht und Schatten und Tiefe entstehen. Handwerklichkeit, die sichtbar wird“,  erläutert Architekt Arndt. Doch nicht nur Farbgebung und Struktur des Backsteins allein entschieden die Materialwahl, sondern - so A K A-Fachberater Andreas Grundmeier - auch Wirtschaftlichkeit und dauerhafte Resistenz zur hohen Feuchtigkeitsbelastung am Hafen. Die fachgerechte Vermauerung der 300.000 Ziegel im wilden Verband mit rückliegend ausgebildeter, heller Muschelkalkfuge erfolgte durch das Hamburger Unternehmen Theo Urbach.

 

Das gestalterische Konzept für das Kontorhaus Gebr. Heinemann wurde bereits vor über 20 Jahren festgelegt, als Architekt Arndt den Auftrag zur Aufstockung des damaligen Lagerhauses durch ein Bürohaus erhielt. Um die Fassade eines modernen Bürohauses architektonisch in die damalige Umgebung am Brooktorhafen einzupassen, verwendete er symbolhaft die für die Speicherstadt typischen und charakteristischen Bauelemente und Gliederungen. Er realisierte einen anspruchsvollen, zwei Staffelgeschosse umfassenden Überbau, dessen mit Kupfer verkleidete Fassade von vertikalen Erkern mit abschließenden Giebeln geprägt ist.

 

Durch veränderte Strukturen der Hafenwirtschaft entfiel in den letzten Jahren auch für das Unternehmen Gebr. Heinemann die Nutzung des Lagerhauses. Man entschied sich deshalb für den Umbau zu einem Kontorgebäude, das in seiner architektonischen Gesamtaussage mit dem benachbarten historischen Kaispeicher B harmonieren sollte. Eine reizvolle Aufgabe für Ulrich Arndt, die allerdings von der in beiden Staffelgeschossen vorgegebenen Giebelstruktur bestimmt wurde. „Ich musste von oben nach unten planen, um die seinerzeit entwickelte Architektur konsequent zu vollenden.“ Nach vollständiger Entkernung und Umbau zu einem Bürohochhaus, wurde eine neue, stark strukturierte und wärmegedämmte Backsteinfassade gebaut und in der Stahlbetonschale des alten Lagerhauses sicher verankert.

 

Die Kunst der Fassadengestaltung bei großen Gebäuden bestehe nach Auffassung des Architekten darin, das Volumen des Gebäudes zu gliedern, zu ordnen und optisch für den Betrachter erlebbar zu machen. Entsprechend erfolgte hier eine klassische Gliederung der Fassade in einen Sockelteil aus zwei Geschossen, einen Hauptbaukörper aus vier Geschossen und das Dach mit den beiden zurückspringenden, kupferbekleideten Staffelgeschossen. Das an der Nordseite befindliche Garagengeschoss springt aus dem Baukörper plastisch hervor. Seiner Funktion entsprechend ist es mit einer eigenen, der Gesamtfassade aber „verwandten“ Fassadenstruktur gestaltet. Die einzelnen Gliederungen sind durch horizontal verlaufende, getreppte Friesbänder aus Backstein getrennt.

 

Die architektonisch vorgegebene Vertikalstruktur der Fassade fand ihren Ausdruck in senkrecht verlaufenden Vor- und Rücksprüngen im Mauerwerk, Alu-Elementen und gesprossten Fensterbändern. Schmale Fenster mit tiefen Laibungen wurden entlang den tragenden Stahlbetonstützen in die Fassade „eingeschnitten“. Große Fenster als Lichtquelle korrespondieren mit den Dachgeschossen. Die Ausbildung der Fensterbänke erfolgte wechselweise in Ziegel und Metall. Dadurch entstehen Spannung und ein ganz interessanter Rhythmus. Alu-Profile, Sprossenraster sowie Metalldetails im dunkelgrünen Farbton stehen dabei in reizvollem Kontrast zum rot, bunt geflammten Ziegelsichtmauerwerk. Fensterstürze und Gesimse wurden mit Verblendfertigteilen ausgebildet. Dank ineinander greifender Verzahnung sind sie im konventionell erstellten Mauerwerk kaum erkennbar. Fachgerecht angelegte Dehnungsfugen wurden dauerelastisch mit gesandetem Silikon ausgeführt.

 

Planerisches Gespür erforderte auch die Integration der Tiefgarage in das Gesamt-Umbauvorhaben. Dazu wurde durch Veränderung der vorhandenen Lagerböden und den Einbau von Rampen ein Parkhaus mit 7 Parkdecks und 110 Stellplätzen geschaffen. Der Gebäudeteil Garage steht dabei auf einer neuen Kaimauer. Durch die vertikale Pfeilergliederung der Fassade setzt sich die Nutzung als Garage gegenüber dem Bürohaus im Hauptbaukörper optisch ab – „ein Gebot ehrlicher Architektur“.

 

Die ausdrucksstarke Optik der Backsteinfassade führte Architekt Arndt auch in den Innenbereich des Kontorgebäudes und gestaltete Wandbereiche sowie tragende Konstruktionsstützen mit Backstein. Blickfang sind die mit Kupferdesign aufwändig geformten Kapitelle der Pfeiler sowie umlaufende Kupferbänder unterhalb der Decken und am Boden. Der Fußboden wurde mit Eichenbohlen ausgestattet. Die bei Umnutzung von Lagerhäusern mit einer Tiefe von meist über 30 m häufig auftretenden Belichtungsprobleme löste Architekt Arndt in den Obergeschossen durch großzügige Oberlichter und in den unteren Geschossen durch 7 m breite Lichtachsen. Die Gebäudequerung von Nord nach Süd ermöglicht eine optimale Tageslichtnutzung. Zum anderen entstehen Blickachsen zur Stadt im Norden und zur Elbe im Süden. 400 helle, moderne Arbeitsplätze, großzügige Besprechungsräume und Mitarbeiter-Treffpunkte sowie die Verwendung hochwertiger Baustoffe im heutigen Kontorhaus Gebr. Heinemann erinnern kaum noch an die ursprüngliche Bestimmung des Gebäudes als Lagerhaus.

 

Da das Kontorhaus im ehemaligen Hafengelände steht und dieses Gebiet bei großen Hochwasserständen regelmäßig überflutet wird, wurden das Gebäude und die anbindende Straße flutwassersicher höher gelegt. Die daraus resultierende Höhendifferenz zum Eingang und in das repräsentative Hallen-Foyer verteilte Architekt Arndt durch großzügige Außentreppen und einige Innentreppen. Darüber hinaus wurden in der Tiefgarage alle notwendigen Maßnahmen für den Hochwasserschutz getroffen.

 

Fazit der Verantwortlichen: Durch die Mauerwerksfassade und die rustikalen, farbschönen Backsteine Alt Ruppin von A K A  bildet das Kontorhaus Gebr. Heinemann gemeinsam mit dem historischen Kaispeicher B ein städtebauliches Ganzes und eine gelungene Verknüpfung zur Speicherstadt.

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