Mehr Klimaschutz im Gebäudesektor?

„Das GEG ist ein Schritt in die richtige Richtung“

Im November 2020 trat das Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Kraft, um die Energiewende im Gebäudesektor weiter voranzutreiben. Was dies für die im Wohnungsbau vorherrschende Ziegelbauweise bedeutet, erklärt Prof. Dr.-Ing. Andreas Holm vom Forschungsinstitut für Wärmetechnik München (FIW) im Gespräch mit der ZI. So sieht er bei der Neuregelung Licht und Schatten: Obwohl das GEG vorerst wenig Neues beinhalte, stelle es doch die Weichen für mehr Energieeffizienz in der Zukunft.

ZI: Ziel des GEG ist es, für mehr Klimaschutz im Gebäudesektor zu sorgen. Erfüllt die Neuregelung dieses Ziel?

Prof. Holm: Ja und Nein: Das Gesetz kann hierzu auf jeden Fall einen wichtigen Beitrag leisten, aber wahrscheinlich erst in einer Version 2.0. Es besagt an vielen Stellen nichts anderes als das bisherige Regelwerk – insbesondere im Wohnungsbau. Beispielsweise sind die Anforderungen aus der Energieeinsparverordnung 2016 (EnEV) oder dem Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) im GEG beibehalten worden. Aber wenn man in die Zukunft blickt, geht das Gesetz schon in die richtige Richtung.

 

ZI: Wie kann CO2 mit dem GEG eingespart werden?

Prof. Holm: Prinzipiell verursacht jeder Neubau CO2-Emissionen – egal wie gering sie auch sind. Daher ist es gut, lang- beziehungsweise mittelfristig dafür zu sorgen, dass der Kohlenstoffdioxid-Ausstoß eines Neubaus während des Bauens und auch in der Nutzungsphase möglichst gering ist. Denn das, was ich heute mache, wird für eine lange Zeit Bestand haben. Die Lebensdauer technischer Baustoffe beträgt meist mehrere Jahrzehnte – bei tragenden Bauteilen wie etwa Ziegelmauerwerk sind es sogar etwa 100 Jahre. Also ist es sinnvoll, jetzt schon auf CO2-arme Energieträger zu setzen. Gleichzeitig muss aber auch dafür gesorgt sein, dass diese dauerhaft in den entsprechenden Mengen zur Verfügung stehen. Schließlich ist CO2-neutral nicht gleichbedeutend mit energieeffizient. Ein schlecht gedämmtes Haus, das mit Holz geheizt wird, wäre klimaneutral, da Holz per Definition CO2-frei ist. Allerdings bräuchte man hierfür circa 1,5 Hektar nachhaltig bewirtschafteten Wald. Deshalb ist es wichtig, Energieeffizienz ganzheitlich zu betrachten. Meiner Meinung nach geht es künftig sehr stark um die Frage, wie man mit den erneuerbaren Energien umgeht. Hier spielt dann die Gebäudehülle beziehungsweise die Bauweise eine maßgebliche Rolle.

 

ZI: Geht die Rechnung, fossile Energieträger durch regenerative Energien zu ersetzen, Ihrer Meinung nach auf?

Prof. Holm: Ich glaube nicht, dass unser heutiger Energiebedarf ausschließlich durch erneuerbare Energien zu decken ist. Also müssen wir ihn auch für den Gebäudebetrieb massiv reduzieren und eine Einsparung von mindestens 50 Prozent erreichen, um die Klimaziele sektorübergreifend zu realisieren. Das GEG ist in dieser Hinsicht aber ein Schritt in die richtige Richtung. Vor allem ist es wichtig, dass wir die im Bereich der Gebäudehülle wichtigen Nebenanforderungen nicht aufgeweicht haben. Ein Beispiel wäre hier der Wärmeschutz. Denn die Gebäudehülle sorgt dafür, dass wir rational mit den zur Verfügung stehenden Energiemengen umgehen.

 

ZI: Was bedeutet das GEG denn konkret für die Außenwand eines Gebäudes?

Prof. Holm: Grundsätzlich hält das GEG für die Gebäudehülle erst mal nichts Neues bereit, da es im Wesentlichen das Gleiche wie die EnEV 2016 ist. Allerdings gibt es auch Aufträge an die Zukunft, die im Gesetz festgehalten sind. So müssen wir beispielsweise ab 2023 auch graue Energie mitbetrachten. Zum jetzigen Zeitpunkt hat dies zwar noch keine Auswirkungen, aber bald wird es natürlich eine Rolle spielen. Das gilt ebenso für Verschärfungen, die dann möglicherweise auf uns zukommen.

 

ZI: Welche Vorgaben gibt es im GEG für den baulichen Wärmeschutz?

Prof. Holm: Im Vergleich zur EnEV 2016 ist im GEG auch hier alles gleichgeblieben. Aus meiner Sicht sollte man in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es wichtig für die Gebäudehülle ist, sich nicht nur auf die Referenzwerte zu fokussieren. Diese stehen zwar im Gesetz, aber es ist lediglich gefordert, dass der gesamte Wärmeschutz erfüllt wird. Die Referenzwerte sind dafür Richtungsindikatoren. Mit ‚schlechteren‘ U-Werten als es die Referenztechnik besagt, kann dennoch der Wärmeschutz der Gebäudehülle problemlos eingehalten werden. Es geht schließlich nicht um die Einzelbauteile, sondern eine Gesamtbetrachtung. In Kombination mit allen relevanten Bauteilen – wie etwa den Fenstern oder dem Dach – bekommt man das in monolithischer Ziegelbauweise sehr gut hin.

 

ZI: Mit dem GEG wurde auch der von der Europäischen Union geforderte Niedrigstenergiestandard umgesetzt. Bis auf Weiteres entspricht dieser den Anforderungen der EnEV 2016. 2023 sollen sie noch einmal geprüft werden. Mit welchen Anpassungen rechnen Sie?

Prof. Holm: Ich erwarte auf jeden Fall eine Verschärfung. Vermutlich bewegen wir uns auf den Effizienzhausstandard 55 zu – vielleicht auch ein bisschen schwächer. Aus Sicht der Mauerwerksvertreter ist dies sicherlich gut machbar. Wenn man zudem die CO2-Bepreisung einbezieht, würde wahrscheinlich auch ein Effizienzhausstandard 55 für die Mauerwerksbauweise nicht unwirtschaftlich sein. Es funktioniert in herkömmlichen Wandstärken – auch zu kostenoptimalen Ansätzen. Die Hälfte aller geförderten Ein- und Zweifamilienhäuser entspricht schließlich KfW-Effizienzhausstandard 55 oder sogar besser. Also wird bereits heute vielfach mit massivem Mauerwerk besonders energieeffizient gebaut. In monolithischer Ziegelbauweise können Bauherren auch Gebäude höherer Effizienzklassen wie 40 Plus oder sogar Passivhausstandard errichten. Im Mehrfamilienhaus-Bereich muss man dies jedoch differenzierter betrachten: Hier kann nicht nur die Energieeffizienz im Fokus stehen, sondern auch andere Aspekte wie etwa Tragfähigkeit. Daher ist zu diskutieren, ob die Effizienzklasse 55 auch für mehrgeschossige Bauten angestrebt wird. Schließlich hat insbesondere die monolithische Bauweise hier einen großen Anteil.

 

ZI: Wird sich das GEG auch auf die KfW-Förderung auswirken?

Prof. Holm: Erstmal ändert sich in dieser Hinsicht ebenfalls wenig. Im Falle einer Verschärfung nähert man sich wohl dem KfW-Effizienzhausstandard 55 an, wenngleich mit leichten Veränderungen. Dann könnte die Bundesregierung gegebenenfalls auch eine neue Förderstufe einführen. Es wird also eher auf eine Lösung hinauslaufen, bei der auf Seiten des Primärenergiebedarfs der Standard bei KfW-55 liegt und im Bereich der Hülle etwas schlechter. Der Effizienzhausstandard 55 bliebe damit in der KfW weiterhin förderfähig. Bei der letzten Verschärfung wurde es so gemacht und aus meiner Sicht ist das eine schlaue Vorgehensweise.

 

ZI: Immer höhere Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden sind auch ein Treiber von Baukosten. Wie wirkt sich das GEG hier aus?

Prof. Holm: Hinsichtlich der energetischen Qualität des Gebäudes sind die Anforderungen seit 2016 ja gleichgeblieben und die Kosten trotzdem gestiegen. Da besteht also kein direkter Zusammenhang. Die Hauptkostensteigerungen sind eher nicht in der Gebäudehülle, sondern vielmehr in der Anlagentechnik zu finden – etwa durch Lüftungsanlagen, Wärmepumpen oder Niedertemperatursysteme. Die Anforderungen des neuen GEG machen Bauen aber nicht teurer.

 

ZI: Konkret zusammengefasst: Was bedeutet das GEG für die in Deutschland marktführende Ziegelbauweise?

Prof. Holm: Aus meiner Sicht ist das GEG eine Bestätigung dafür, dass die Ziegelbauweise nach wie vor zukunftsfähig ist. Die Industrie hat die Technologien, um alle gesetzlichen Anforderungen jetzt und auch in Zukunft zu erfüllen. Natürlich gibt es Herausforderungen – allerdings weniger auf technischer Seite, da die jeweiligen Ziegelhersteller entsprechende effiziente Produkte zur Verfügung haben. Es geht mit den bisherigen Technologien und damit wird auch ein GEG 2030 lösbar sein.

Prof. Holm, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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