Dipl.-Ing. Architekt Stefan Horschler

Das neue Gebäudeenergiegesetz – Konsequenzen für den Wohnungsneubau

Am 1.11. 2020 ist das „Gebäudeenergiegesetz (GEG)“ in Kraft getreten. Was nicht überraschen sollte (weil schon so im Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2018 beschrieben), kam es nicht zu Verschärfungen. Das Energiesparrecht für Gebäude sollte strukturell neu konzipiert und vereinheitlicht werden. Hierzu wurden das bisherige Energieeinspargesetz (EnEG), die Energieeinsparverordnung (EnEV) und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) zusammengeführt.

Mit ein Anlass für die Neuregelung des Energiesparrechtes war die von der EU-Gebäuderichtlinie geforderte Festlegung des energetischen Standards eines „Niedrigstenergiegebäudes“ für Neubauten.

Konsequenzen für den Wohnungsneubau

Seit der letzten Verschärfung der EnEV zum 1. Januar 2016 wurden an zu errichtende Wohngebäude folgende Anforderungen gestellt:

1) Gesamtenergieeffizienz: Begrenzung des Jahres-Primärenergiebedarfs QP auf einen über das Referenzgebäude zu bestimmenden Maximalwert mit einer Verschärfung von 25 % (QP ≤ QP,Referenz · 0,75)

2) Wärmeschutz: Begrenzung des Transmissionswärmeverlustes HT

2.1) Begrenzung auf das vom Referenzgebäude abgeleitete Wärmeschutzniveau gemäß Anlage 1, »Tabelle 1, vergl. »1 und

2.2) Begrenzung auf einen gebäudetypologisch abgeleiteten Maximalwert (definiert in Anlage 1, »Tabelle 2 EnEV), vergl. »2

3) Sommerlicher Wärmeschutz: Begrenzung der Sonneneintragskennwerte oder der Übertemperatur-Gradstunden nach DIN 4108-2.

Im GEG wurde der gebäudetypologisch abgeleitete Transmissionswärmeverlust (Punkt 2.2) als Nachweisgröße für zu errichtende Wohngebäude gestrichen; es bleibt damit nunmehr nur noch beim Nachweis des Transmissionswärmeverlustes des Referenzgebäudes. Im Gegensatz zu dem aus dem Referenzniveau abgeleiteten Transmissionswärmeverlust, wurden die Wärmeschutzanforderungen bei dem gebäudetypologisch abgeleiteten Transmissionswärmeverlust statisch festgeschrieben, »2.

Aus wärmeschutztechnischer Sicht erfolgt somit also nur noch der Vergleich mit den Referenzwerten für Transmission. Dies führt bei Gebäuden mit einem großem Fensterflächenanteil jedoch dazu, dass dieser im Anforderungswert mit dem Referenzwert von Uw = 1,3 W/(m²K) multipliziert wird und ein vergleichsweise großer Transmissionswärmeverlust resultiert.

Daraus ergeben sich zwar einerseits sehr große gestalterische Spielräume; das nachfolgende Rechenbeispiel zeigt jedoch auch für den Extremfall eines vollständig verglasten Einfamilienhauses, dass hohe Transmissionswärmeverluste dadurch (von über 1,0 W/(m²K) im Vergleich zu einem Anforderungswert von bisher 0,40 W/(m²K), Abbildung 2) möglich sind. (Anmerkung: Bezieht man ingenieurmäßig die solaren Wärmegewinne eines derartigen Gebäudes mit ein, sofern diese auch tatsächlich bei einem Gebäude ohne städtebauliche, topografische Verschattung usw. eintreten, ergeben sich selbstverständlich sehr viel kleinere äquivalente U-Werte und entsprechend kleinere Transmissionswärmeverluste, verl. hierzu auch die früheren Verfahrensweisen zur Ermittlung äquivalenter Wärmedurchgangskoeffizienten der Wärmeschutzverordnung 1995).

Beispiel 1: Änderung der Nachweisgröße für den
energiesparenden Wärmeschutzstandard

Mit dem Wegfall des gebäudetypologisch abgeleiteten Transmissionswärmeverlusts als Nachweisgröße könnte nunmehr ein Wohngebäude mit sehr großen Glasanteilen realisiert werden. Sofern ein Wärmeerzeugungssystem mit einem kleinen Primärenergiefaktor eingebaut wird (z.B. Biomasse mit fp = 0,2) ergibt sich im Mittel für das Fenster ein U-Wert von 1,3 W/(m²K), für das Dach ein U-Wert von 0,20 W/(m²K) mit einer mittleren Dämmschichtdicke von rund 18 cm und für die Sohlplatte ein U-Wert von 0,35 W/(m²K) und einer Dämmschichtdicke von rund 10 cm, jeweils mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,035 W/(mK). Legte man einen U-Wert von 1,3 W/(m²K) für ein vollständig verglastes, rechteckiges Einfamilienhaus mit drei Geschossen zugrunde, ergäbe sich bei Verwendung der Bautechnik des Referenzgebäudes ein bezogener Transmissionswärmeverlust von rund 1,0 W/(m²K).

Ohne Zweifel sind bei einem derartigen Entwurf hohe Wärmeeinträge im Sommer und Zielkonflikte mit den Anforderungen der DIN 4108-2 Abschnitt 8 zu erwarten. Im Hinblick auf den thermischen Komfort hilft dann eine aktive Kühlung. Hinsichtlich des Ordnungsrechtes werden die Anforderungen der DIN 4108-2 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt.

Fazit: Mit dem Wegfall des gebäudetypologischen Transmissionswärmeverlustes entsteht ein größerer gestalterischer Spielraum für die Unterschreitung eines heutzutage bereits gängigen Wärmeschutzniveaus.

Konsequenzen bei Ersatzmaßnahmen für erneuerbare Energien

Im bisherigen EEWärmeG konnte bei einem Verzicht oder einer Unterschreitung des Einsatzes erneuerbarer Energien auf Ersatzmaßnahmen zurückgegriffen werden. In diesem Fall waren gemäß EEWärmeG die EnEV-Anforderungen sowohl an den Wärmeschutzstandard als auch an den Jahres-Primärenergiebedarf um 15 Prozent zu unterschreiten.

Auch im GEG wird in „§ 45 Ersatzmaßnahmen“ nach wie vor ein Abschlagsfaktor von 0,85 festgelegt; also auch hier derselbe Zahlenwert. Im Unterschied zum EEWärmeG bezieht sich dieser jedoch ausschließlich auf den Wärmeschutzstandard des Referenzgebäudes, »1, und nicht mehr wie bisher auf den Jahres-Primärenergiebedarf.

Beispiel 2: Ersatzmaßnahmen bei Verzicht auf
Erneuerbare Energien

Für ein freistehendes Wohngebäude ergaben sich nach bisherigen Regelungen der EnEV und des EEWärmeGs die nachfolgenden Dämmstandards, sofern eine Beheizung des Gebäudes über einen verbesserten Gasbrennwertkessel erfolgt und eine RLT-Anlage mit Wärmerückgewinnung (nachgewiesen und bewertet über Standardwerte der DIN V 4108-6 und DIN V 4701-10 + Einrechnung eines verminderten Luftwechsels auf Grund einer später erfolgreich messtechnisch nachgewiesenen Gebäudedichtheitsmessung) vorgesehen wäre:

Außenwand: 0,10 W/(m²K), Fenster: 0,7 W/(m²K), Dach: 0,10 W/(m²K), Sohlplatte: 0,10 W/(m²K). Weiterhin müsste der Wärmebrückenzuschlag auf 0,03 W/(m²K) reduziert werden.

Unter den o.a. gleichen geometrischen und anlagentechnischen Randbedingungen ergeben sich nach § 45 nunmehr folgende Konsequenzen:

Außenwand: 0,15 W/(m²K), Fenster: 0,8 W/(m²K), Dach: 0,14 W/(m²K), Sohlplatte: 0,20 W/(m²K) und auch hier müsste der Wärmebrückenzuschlag auf 0,03 W/(m²K) reduziert werden.

Fazit: Die Anforderung, erneuerbare Energien zu berücksichtigen, lässt sich durch die Regelungen des neuen Gesetzes als Ersatzmaßnahme leichter erfüllen als bisher, da sich der bisherige Reduktionsfaktor 0,85 nicht mehr auf den Jahres-Primärenergiebedarf und die Wärmeschutzanforderungen, sondern nur noch auf das Wärmeschutzniveau des Referenzgebäudes bezieht.

Erneuerbare Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung bei einem zu errichtenden Gebäude

Im EEWärmeG war für Wärmepumpen bisher eine wichtige Effizienzkennzahl festgeschrieben: die Jahres-Arbeitszahl (JAZ), eine Kennzahl, die von der nach Landesrecht zuständigen Behörde sogar überprüft werden durfte. Tatsächlich soll dies jedoch in ganz Deutschland nur selten bis nie erfolgt sein.

Die JAZ kennzeichnet die Güte der Wärmepumpenanlage incl. Wärmeverteilung, Pumpen und objektbezogener Betriebsweise und beschreibt das Verhältnis des Nutzens der Wärmepumpe zum jeweiligen energetischen Aufwand für den Betrieb der Wärmepumpe. Die Überprüfung der JAZ nach Inbetriebnahme war gemäß EEWärmeG ein wichtiges Instrument zur Qualitätssicherung. Erstaunlich ist, dass diese Effizienzkennzahl im Gesetz gestrichen wurde.

Neu im Gesetz ist, dass nunmehr der über Photovoltaik erzeugte Strom als Anteil erneuerbarer Energien zur Deckung des Wärme- und Kälteenergiebedarf in Ansatz gebracht werden darf.

In § 23 wird hierfür ein komplett neues Verfahren zur Anrechnung von Strom aus erneuerbaren Energien eingeführt. Dabei wird bei Wohngebäuden ohne Stromdirektheizungen nicht mehr auf die Rechenalgorithmen der DIN V 18599-9 zurückgegriffen. Die monatliche Begrenzung der Anrechenbarkeit auf den Bedarf der Anlagentechnik fällt weg. Der Bonus der direkt vom Primärenergiebedarf abgezogen werden kann, hängt von der Kollektorfläche, der Peakleistung der PV-Anlage und einer ggf. vorhandenen Batterie und zusätzlich noch teilweise vom jährlichen Gesamtstrombedarf der Anlagentechnik ab.

Im Falle einer Stromdirektheizung ist keine Anrechnung von Strom auf Basis des o.a. Rechenwegs vorgesehen. Stattdessen soll hier wiederum der in DIN V 18599-9 beschriebene Rechenalgorithmus mit der Ermittlung des monatlichen Strombedarfs und dem monatlich anrechenbaren regenerativen Stromertrag auf Grund von Ausrichtung, Neigung und Größe des Kollektors und der Peak Leistung des Kollektors angewendet werden.

Für zu errichtende oder grundlegend zu renovierende Gebäude der öffentlichen Hand soll der Einsatz solarer Strahlungsenergie entweder zur Wärme- / Kälteerzeugung bzw. Stromerzeugung geprüft werden.

Fazit: Der Wegfall der Jahresarbeitszahl aus dem Gesetz mag zwar konsequent sein, wenn diese eh nicht überprüft wird, ist aber aus dem Blickwinkel des Verbraucherschutzes und für den Klimaschutzes zu bedauern. Die reale Effizienz einer Wärmepumpe kann über die Jahresarbeitszahl überprüft werden. Eigentümern wird geraten, einen möglichst hohen Anteil sinnvoll geplanter und eingesetzter erneuerbarer Energien in Gebäuden vorzusehen und im Hinblick auf Wärmepumpen mindestens die bisherigen Jahresarbeitszahlen nach Inbetriebnahme zur vertraglich geschuldeten Leistung zu machen und diese auch jährlich zu überprüfen.

In diesem Zusammenhang wäre ohnehin grundsätzlich zu überlegen, alle Erzeugersysteme für beispielsweise Heizwärme- und Warmwasser mit Wärmemengenzählern zu versehen, um den Energieumsatz einerseits und die Effizienz der Erzeuger andererseits messtechnisch zu überprüfen.

Die neuen Regelungen zur Berücksichtigung von PV-Strom im energetischen Nachweis ermöglichen im Vergleich zur bisherigen Regelung eine Anrechenbarkeit über den monatlich ermittelten Strombedarf hinaus; der verwendete Rechenalgorithmus entspricht nicht den bisherigen, gut nachvollziehbaren Rechengängen und sollte wieder aufgegeben werden.

Zu einer Gesamtenergiebilanz gehört neben den Hilfsenergien auch der Energieaufwand für Haushaltsstrom; dieser sollte künftig mit in einer „echten“ Gesamtenergiebilanz mit ausgewiesen werden.

Neuerungen der in Bezug genommenen Normen

Im Hinblick auf die Nachweisführung bei Wohngebäuden kann weiterhin auf drei Nachweisoptionen zurückgegriffen werden:

1. bis zum 31. Dezember 2023 auf die DIN V 4108-6 und DIN V 4701-10 V.

2. die DIN V 18599: 2018-09 I.

3. das Modellgebäudeverfahren, gemäß GEG Anlage 7.

Die seit September 2018 neu veröffentlichte DIN V 18599 hat für Wohn- und Nichtwohngebäude viel Neues gebracht. Es erfolgten in den verschiedenen Teilen Fortschreibungen und Anpassungen von standardisierten Kennwerten für Heizungs- und Warmwasser- sowie für Beleuchtungssysteme. Die Änderungen wirken sich in den verschiedenen Bilanzebenen z.T. erheblich aus.

So werden geänderte Warmwasserbedarfe, neue Standardwerte für Pelletkessel, neue Temperaturkorrekturfaktoren für nicht an das Erdreich oder unbeheizte Keller grenzende Bauteile geben oder auch ein zusätzlicher Wärmebrückenkennwert mit Inbezugnahme der neuen DIN 4108 Beiblatt 2 verwendet.

Beispiel 3: Veränderung der Trinkwarmwasserbedarfe in den Berechnungsvorschriften

Seit ENEV 2002:

DIN V 4701-10 : 2003-08:

qtw = 12,5 kWh/(m²a); AN = 320 m² ; Qw = 4.000 kWh/a

Seit EnEV 2014:

DIN V 18599-10 : 2011-12:

qw,b = 11 kWh/(m²a); ANGF = 293 m² ; Qw = 3.223 kWh/a

Seit GEG 2020:

DIN V 18599-10 : 2018-09:

qw,b = max [ 16,5 – (ANGF,WE,m . 0,05) ; 8,5] kWh/(m²a)

qw,b = 16,5 – (293 x 0,05) = 1,85; 1,85 < 8,5 kWh/(m²a)

qw,b = 8,5 x 293 = Qw = 2.491 kWh/a

Anmerkung: So wie für Immobilien bei der energetischen Bilanzierung der reale Standort maßgeblich ist (und nicht der Standort Potsdam), Fensterluftwechsel in der Realität i.d.R. sich von den Standardluftwechseln deutlich unterschieden können, ist auch der Nutzenergiebedarf für Warmwasser auch weiterhin nicht abhängig von Menschen, sondern von Bezugsflächen. Die Anpassung erscheint trotzdem angemessen für die Fälle im Neubau, in denen mittlere Wärmebedarfe abgeschätzt werden sollen.

In Zukunft soll die DIN V 18599 alleinige Bilanzregel werden, zumal es einen Ersatz für die DIN V 4108-6 und DIN V 4701-10 durch einen für den Wohnungsbau anzuwendenden neuen Teil 12 zur DIN V 18599 geben wird. Das Tabellenverfahren des Teil 12 der DIN V 18599 kann im Kontext mit dem gegenwärtigen GEG jedoch noch nicht angewendet werden.

In „§ 24 Einfluss von Wärmebrücken“ des neuen Gesetzes wird die Neuausgabe der DIN 4108 Beiblatt 2 aus dem Juni 2019 statisch in Bezug genommen. Begrüßt wird der ausdrückliche Hinweis, dass verminderte „Wärmebrückenzuschläge mit Überprüfung und Einhaltung der Gleichwertigkeit nach DIN V 18599-2: 2018-09 oder DIN V 4108-6: 2003-06, …sind nach DIN 4108 Beiblatt 2: 2019-06“ berücksichtigt werden dürfen.

Wichtig für die praktische Umsetzung ist weiterhin der in § 24 angesprochene Gleichwertigkeitsnachweis, der bildlich oder rechnerisch erfolgen kann, sowie neben den vielen zusätzlich aufgenommenen Beispielen der im neuen Beiblatt 2 zusätzliche Wärmebrückenzuschlag von ∆UWB = 0,03 W/(m²K), der in Nachweisen angewendet werden darf, wenn die realen Details den Aufbauprinzipien der Kategorie B des Beiblattes entsprechen.

Beispiel: Gleichwertigkeitsnachweis gemäß DIN 4108 Beiblatt 2

Kategorie A       Kategorie B

In der Praxis wird immer wieder der Fall eintreten, dass ein konkretes Detail modifiziert, konstruktiv angepasst werden muss und somit vom konstruktiven Grundprinzip bzw. jeweiligen Planungsbeispiel abweicht. In diesen Fällen sind Gleichwertigkeitsberechnungen unter den im Beiblatt 2 aufgeführten Rechenrandbedingungen durchzuführen.

Für den in »4 dargestellten Fall ergibt sich eine Abweichung bezogen auf den Referenzwert: Für die Kategorie B wäre ein Wert von YRef ≤ 0,15 W/(mK), »3, einzuhalten, vorhanden ist jedoch ein Wert von Yvorh = 0,305 W/(mK). Bei derartigen Abweichungen und Überschreitungen einzelner Anschlüsse wurde in der Vergangenheit immer wieder die Frage aufgeworfen, wie weiter zu verfahren ist.

Es wurde behauptet, dass die Überschreitung eines Referenzwertes dazu führe, den Wärmebrückenzuschlag pauschal zum Beispiel auf 0,10 W/(m²K) zu erhöhen- oder dass alternativ ein detaillierter Wärmebrückennachweis zu führen sei. In beiden Fällen können sehr unwirtschaftliche Folgen resultieren. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht zuletzt auch im Hinblick auf den im Gebäudeenergiegesetz beschriebenen Grundsatz der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ wurde hierbei außer Acht gelassen.

Mit der Neuherausgabe der DIN V 18599-2 : 2018-09 findet sich nunmehr eine ingenieurmäßige Lösung, wie zu verfahren ist, wenn auf Grund einer konstruktiven Anpassung des Planungsdetails, gegenüber dem Planungs- und Ausführungsbeispiel der DIN 4108 Bbl 2, ein höherer Ψ-Wert vorliegt. In diesem Fall kann die Überschreitung bezogen auf den Referenzwert auf den pauschalen Wärmebrückenzuschlag addiert werden, es gilt:

∆UWB = ∆UWB + (∆Ψ · l) / A in W/(m²K).

Beispiel 3:

In der Bilanz nach DIN V 18599 wurde ein reduzierter Wärmebrückenzuschlag gemäß Kategorie B von ∆UWB = 0,03 W/(m²K) angesetzt.

Ψvorh = 0,305 W/(mK); ΨRef ≤ 0,15 W/(mK); Länge des Sockels 45 m; wärmeübertragende Umfassungsfläche A = 1.800 m²

∆UWB = 0,03 + [(0,305 - 0,15) · 45] / 1.800

∆UWB = 0,034 W/(m²K)

Die Überarbeitung der DIN 4108 Bbl 2 wurde nicht nur für energetische Gleichwertigkeitsnachweise zu den Kategorien A und B genutzt, sondern auch um die Rechenrandbedingungen für detaillierte Wärmebrückenberechnungen zusammenzufassen. Diese weichen von den Rechenrandbedingungen für Gleichwertigkeitsnachweise ab.

Überarbeitet wurde auch das in der Praxis bisher wenig beachtete und angewendete Modellgebäudeverfahren. Mit dem neuen Modellgebäudeverfahren entspricht der Gesetzesentwurf der politischen Vorgabe, das Ordnungsrecht zu vereinfachen. Dieses Verfahren weist den großen Vorteil auf, dass für den Nachweis nicht sehr viel Zeit investiert werden muss und es in einer frühen Projektphase ein höheres Maß an Kostensicherheit bietet, wenn sich die Planer an der Anwendungsvoraussetzungen entsprechend halten und diese im Entwurfs- und weiteren Planungsprozess berücksichtigt werden.

Hier werden für zehn verschiedene Anlagenvarianten und in Abhängigkeit von der Bruttogrundfläche vier unterschiedliche Wärmeschutzvarianten differenziert.

Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieses „schnellen Wohnungsbau-Nachweisverfahrens“ werden im Gesetz näher spezifiziert. „Normale“ Architektur lässt sich auf diese Weise einfach und schnell und somit kostengünstig nachweisen.

Neben der DIN V 18599 wird im Gesetz auch auf die neue Messnorm DIN EN ISO 9972 zur Durchführung von Gebäudedichtheitsmessungen Bezug genommen. Schon seit 2002 kann bei der Ermittlung des Energiebedarfs ein Bonus für eine nachgewiesene Gebäudedichtheit bei der Ermittlung der Lüftungswärmeverluste eingerechnet werden.

Voraussetzung hierfür ist, dass die entsprechenden Dichtheitsanforderungen / Grenzwerte eingehalten werden. In der DIN EN ISO 9972 werden in einem nationalen Anhang neue Regelungen zu Differenzdruckmessungen beschrieben - zum Beispiel zur Durchführung von Stichprobemessungen bei durch Laubengänge erschlossenen Gebäuden.

Bei über einen Laubengang erschlossenen Wohngebäuden reicht nunmehr eine Stichprobe mit mindestens zwölf Messungen aus (»5 liefert Hinweise zu weiteren Randbedingungen). Außerdem sollen sich künftig die Feuer- und Rauchschutzvorrichtungen in ihrer üblichen, geschlossen Nutzungsstellung befinden.

Randbedingungen zur Durchführung von Gebäudedichtheitsmessungen finden sich in der neuen DIN EN ISO 9972

Folgen für die Durchführung von Gebäudedichtheitsmessungen in Laubengang erschlossenen Gebäuden:

es müssen nicht alle Wohnungen gemessen werden, sondern es reichen Stichprobenmessungen aus. Der Mindestumfang der Stichprobe Nmin = 12

der von der Stichprobe erfasste Teil der wärmeübertragenden Umfassungsfläche des Gebäudes, beträgt mindestens 20 %

mindestens 3 der untersuchten Nutzeinheiten müssen sich im obersten betroffenen Geschoss und im untersten betroffenen Geschoss befinden

die Stichprobe ist so festzulegen, dass alle vorhandenen Bauweisen und Bauelemente angemessen repräsentiert sind

Fazit: Die DIN V 18599 : 2018-08 wird mittelfristig die einzige Bilanzvorschrift und enthält in der Neuausgabe eine Reihe sinnvoller Neuerungen. Im Teil 2 der Norm ist der Bezug auf die Inhalte der neuen DIN 4108 Bbl 2, Ausgabe Juni 2019 hergestellt. Das Modellgebäudeverfahren bietet eine gute Möglichkeit, frühzeitig mit sehr wenig Zeit- und Rechenaufwand die erforderlichen Dämmstandards in Abhängigkeit von zehn haustechnischen Varianten für Heizung, Warmwasser und Lüftung abzulesen und als Nachweis für Wohnungsneubauten heranzuziehen. Die DIN EN ISO 9972 enthält eine Reihe von Neuerungen und Klarstellungen, unter anderem auch zur Durchführung von Stichprobenmessungen.

Neuerungen bei Erweiterung und Ausbau von
Gebäuden

Bislang beschrieb der § 9 Absatz 4 und 5 der EnEV, wie mit Erweiterungen und dem Ausbau bestehender Gebäude zu verfahren ist. Die Anforderungen wurden von der Größe der neuen Nutzfläche und der Frage abgeleitet, ob die Erweiterung oder der Ausbau mit oder ohne Einbau eines Wärmeerzeugers erfolgen soll.

Die Wahl eines Wärmeerzeugers mit fossilem Energieträger führte in der Vergangenheit durch den damit verbundenen hohen Dämmstandard häufig zu Unsicherheiten. Das GEG führt hier zu einer deutlichen Vereinfachung. Die Anforderungen sollen nunmehr nach Wohn- und Nichtwohnbau differenziert, nur noch auf den energetisch bedingten Wärmeschutzstandard bezogen werden.

Für Wohngebäude ist dies der Transmissionswärmeverlust des Referenzgebäudes, wobei dieser noch um maximal 20 Prozent überschritten werden darf (vergl. Beispiel »6).

Beispiel 4:

Für die Ableitung der Anforderungen bei einer Erweiterung oder einem Ausbau eines Wohngebäudes. Das dargestellte Dachgeschoss soll ausgebaut werden. Bestandteil der wärmeübertragenden Umfassungsfläche sind:

180 m² Dachfläche

60 m² Giebelwandfläche und

30 m² Dachfensterfläche.

HT, Ref, Erw. < [(180 · 0,201)) + 60 · 0,281) + 30 · 1,41)) + 270 · 0,052)] · 1,2 / 270

HT, Ref, Erw. < 0,48 W/(m²K)

1) U-Werte des Referenzgebäudes

2) Wärmebrückenzuschlag des Referenzgebäudes

Bei Nichtwohngebäuden gelten dann mittlere Wärmedurchgangskoeffizienten, wobei auch diese um maximal 25 Prozent überschritten werden dürfen. Bei Einbau eines Wärmeerzeugers mit fossilen Energieträgern wird somit auch die bisher oftmals offene Frage hinfällig, ob bei einer Erweiterung Anforderungen an den Einsatz erneuerbarer Energien erforderlich sind oder nicht.

Fazit: Obwohl durchaus darüber diskutiert werden könnte, warum auf das Referenzniveau ein Aufschlag von 20 Prozent darf, stellt die neue Nachweisführung eine willkommene Vereinfachung des bisherigen Ordnungsrechtes dar.

Innovationsklausel

Der § 103 des GEG, die sogenannte Innovationsklausel, soll eine leider nur bis Ende 2023 befristete Regelung für innovative Lösungen ermöglichen. Die Klausel führt den Nachweis der Hauptanforderung nicht über den Jahres-Primärenergiebedarf, sondern den Endenergiebedarf und die Treibhausgas-Emissionen bezogen auf das Referenzgebäude und darf sowohl für Wohn- als auch Nichtwohngebäude und ferner sowohl für den Neu- als auch Altbau angewendet werden.

Der Endenergiebedarf des Gebäudes darf bei Neubauten den 0,75-fachen und bei Sanierungen den 1,4-fachen Wert des Endenergiebedarfs des Referenzgebäudes nicht überschreiten.

Im Hinblick auf den baulichen Wärmeschutz darf abweichend vom Regelfall bei Wohngebäuden die Anforderungen um das maximal 1,2-fache, bei Nichtwohngebäuden sogar um das maximal 1,25-fache überschritten werden.

Absicht der Bundesregierung ist es, während des Gültigkeitszeitraums der Klausel mit den realisierten Projekten Erfahrungen zu sammeln, ob die alternative Anforderungssystematik zu wirtschaftlichen und sozialverträglichen Ergebnissen führt und eine zum GEG mindestens gleichwertige Klimaschutzwirkung erzielt.

Auftraggeber müssen zur Inanspruchnahme der Klausel bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde einen entsprechenden Antrag stellen. Außerdem ist das Projekt nach spätestens nach einem Jahr im Hinblick auf die gemessenen Verbräuche zu evaluieren. Insbesondere bei Gebäuden in Massivbauweise dürften die Energieumsätze innerhalb der ersten Zeit nach Fertigstellung zur Abfuhr von Neubaufeuchte durch ein angepasste Heiz- und Lüftungsverhalten entsprechend hoch sein, so dass diese Evaluation leider in diesen Fällen wenig Aussagekraft aufweist! Aufgrund des höheren Aufwandes wird es vermutlich nur wenige Projekte geben, bei denen die Innovationsklausel zur Anwendung kommt.

Fazit: Die Neuerung, den Endenergiebedarf nachzuweisen, stellt eine für den Verbraucher sinnvolle Option dar, da dieser Kennwert am ehesten etwas mit den späteren Endenergieverbräuchen zu tun hat und nicht wie beim üblichen Anforderungswert des Jahres-Primärenergiebedarfs über einen kleinen Primärenergiefaktor „schön gerechnet“ werden kann. Kritisiert werden muss jedoch, dass nicht – wie in anderen Europäischen Nachbarländern – mit regionalen Klimadaten gerechnet werden darf, die schon seit Jahren z.B. in der DIN V 18599-10 hinterlegt sind, sondern nach wie vor mit dem Referenzstandort Potsdam. Außerdem ist nicht einzusehen, warum die Anforderungen an den Wärmschutz (Transmissionswärmeverlust des Referenzgebäudes) um bis maximal 20 % überschritten werden dürfen.

Befreiungen gemäß § 102

Viele Planer und auch Energieberater behaupten, bei Neubauten und beim Bauen im Bestand seien die öffentlich-rechtlichen Anforderungen zwingend einzuhalten. Diese Aussage mag in vielen Einzelfällen richtig sein. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass noch nie Lösungen geschuldet waren, die zu unbilligen Härten (sei es in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht) führen.

Aus diesem Grund finden sich auch im neuen Gesetz (wie auch schon im alten EnEG (und der EnEV) als auch EEWärmeG) Regelungen, die im Einzelfall den Eigentümer bei Vorliegen einer unbilligen Härte in die Lage versetzen, sich von den Vorgaben des Gesetzes befreien zu lassen:

§ 102 Befreiungen

(1) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden haben auf Antrag des Eigentümers oder Bauherren von den Anforderungen dieses Gesetzes zu befreien, soweit 1. die Ziele dieses Gesetzes durch andere als in diesem Gesetz vorgesehene Maßnahmen im gleichen Umfang erreicht werden oder 2. die Anforderungen im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer, bei Anforderungen an bestehende Gebäude innerhalb angemessener Frist durch die eintretenden Einsparungen nicht erwirtschaftet werden können.

Fazit: Es wird auch im künftigen Gesetz an der bisherigen Regelung festgehalten, von Befreiungen Gebrauch zu machen. Leider wurde hierbei nicht die Chance ergriffen, den nach Landesrecht zuständigen Behörden einerseits und den Nachweisenden andererseits Eckdaten für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung allgemein verbindlich zu nennen.

So hat die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen 2018 einen Erlass herausgegeben, in dem Systematik und Randbedingungen genannt werden, wie öffentlich-rechtlich bei einem Befreiungsantrag zu verfahren ist.

Es wäre wünschenswert, wenn sich die Länder hier auf ein einvernehmliches Vorgehen einigen könnten und nicht jedes Land eigene oder (noch schlimmer) keine Vorstellungen entwickeln würde, wie Befreiungsanträge zu stellen sind, und einmal mehr Investoren, Planer und die Mitarbeiter der unteren Bauaufsichtsbehörden allein ihrem Schicksal überlassen werden.

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