Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen

Hochkarätige Fachtagung im Schweizer Ziegelei-Museum Cham

Die vom Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. in Kooperation mit der Stiftung „Ziegelei-Museum Cham“, Schweiz, und dem LWL Industriemuseum, Landesmuseum für Industriekultur, Dortmund, durchgeführte Fachtagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ in der Schweiz war mit rund 100 Fachbesuchern ein großer Erfolg.

Auf die Minute genau durch die Schweiz

Die traditionelle Exkursion am Sonntag lief ab wie ein Schweizer Uhrwerk, perfekt organisiert. Nach einer beeindruckenden Bergfahrt mit der Rigi-Bahn auf den Rigi Kulm (1789 m) boten sich den Teilnehmern atemberaubende Blicke über die Seenlandschaft. Anschließend ging es per Dampfschiff nach Luzern, wo u. a. die Altstadt und die berühmte, mit Ziegeln gedeckte Kapellbrücke besichtigt wurden. Der erlebnisreiche Tag klang am Abend mit einer Führung durch das Ziegelei-Museum und dem Zieglerabend aus. Der Stiftungspräsident des Ziegelei-Museums, Urs Perner, freute sich in seiner Ansprache, so viele Gäste begrüßen zu können. Er stellte die Entwicklung des Standortes mit seiner Handziegelei und das 2013 eröffnete Museumsgebäude vor, das u.a. durch eine hohe finanzielle Unterstützung eines Mäzens gebaut und unterhalten werden konnte und kann.

Die Schweiz und ihre Ziegeltradition im Mittelalter

Nach den Grußworten der lokalen Politiker erinnerte Martin Roth, Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie, an das große Erbe, das in Deutschland in sehr vielen Ziegeleimuseen bewahrt wird. Er beglückwünschte die Schweizer Kollegen zu ihrem sehr schönen Museum. Seinen Stolz auf das Museum zeigte auch Christian Keller von der Schweizerischen Ziegelindustrie. Der Museums-Stiftungsrat fasste kurz die Lage der Schweizer Ziegelindustrie zusammen. Obwohl die Bauindustrie in der Schweiz in den letzten Jahren positiv verlief, hat die Ziegelindustrie Marktanteile verloren. Keller kommentierte das mit den Worten: „Wir produzieren lieber, als dass wir verkaufen.“ Er erwartet, dass sich die Industrie in den nächsten Jahren konsolidieren wird.

Das Schwerpunktthema der Fachvorträge in Cham waren „Ziegel aus dem Früh- und Hochmittelalter“. Den Vortragsreigen eröffnete Dr. phil. Jürg Goll, Leiter Ziegelei-Museum Cham, mit einem Referat über „Früh- und hochmittelalterliche Ziegel“. Er gab einen Überblick über die verschiedenen Dachziegelformen in den Jahrhunderten, die in der Originaldeckung oft wertvolle Sachquellen seien.

„Ziegelhütten und Ziegeleikeramik im Kanton Zug“ war das Thema von PD Dr. Adriano Boschetti. Er erläuterte, dass die Gründung der Stadtziegelei Zug im Jahr 1478 der Beginn der Ziegelherstellung war, die bis um 1860 fortbestand.

Im Vortrag „Ziegel in der Deutschschweiz“ spannte Lic. phil. Stefanie Steiner-Osimitz den Bogen von der römischen Epoche der Ziegelherstellung bis hin zum Früh-, Hoch- und Spätmittelalter, in dem bereits 60 cm große Dachziegel hergestellt wurden. Auch das Thema Recycling spielte damals schon eine Rolle, alte Eindeckungen wurden oft wiederverwendet. Mit Ziegeln ist das eben problemlos möglich!

Lic. phil. Michèle Grote zeigte in ihrem Beitrag „Ziegel in der Westschweiz – der Kanton Waadt, Begegnungsort von zwei verschiedenen Herstellungstechniken“ die Unterschiede zwischen à la française“ und „à l`allemande“ auf. Diese werden insbesondere durch die Formung der Nasen und dadurch, dass entweder nur eine oder beide Seiten gestrichen waren, deutlich.

Über „Ziegel in der Südschweiz“ und insbesondere im Tessin sprach Dr. phil. Sandra Eberhardt- Meli. Der Zieglerort Riva San Vitale mit seinen noch bis kurz nach dem 2. Weltkrieg arbeitenden 15 Ziegelöfen hat eine lange Tradition, die sich bis ins Jahr 1431 nachweisen lässt. Zum Teil wurden dort bis bis in die 1950er Jahre noch Ziegel hergestellt, mit mittelalterlichen Arbeitsmethoden. Wie man diesen Komplex, der inzwischen nur noch fünf stillgelegte Ziegelöfen in mehr oder weniger gutem Zustand zählt, für die Nachwelt erhalten kann, ist ein wichtiges Thema für die Region.

In einer spannenden Animation stellte PD Dr. phil. Sebastian Ristow „Karolingerzeitliche Segmentziegel aus Aachen“ vor und informierte insbesondere über eine aus großen Segmentziegeln errichtete Ziegelsäule aus dem 8. Jahrhundert.

„Backsteine in Einhards Basiliken in Michelstadt und Seligenstadt“ waren das Thema von Dr.-Ing. Thomas Ludwig. Die beiden im 9. Jahrhundert gebauten Kirchen und die dabei verwendeten Backsteine ließen noch einige Fragen offen.

Die Ziegelherstellung im Jahr 1000 n. Chr. behandelte Prof. Dr. Karl Bernhard Kruse in seinem Vortrag „Bernward Ziegel und Neufunde aus Hildesheim“. Beim Bau der dortigen Kirche wurden sehr viele gestempelte Ziegel verwendet.

Dr. phil. Ulrich Knapp beschäftigte sich mit „Frühen Ziegeln in Deutschland“ und dabei insbesondere mit den Dachziegeln der Martinskirche in Neckartailfingen, deren bauzeitliche Dacheindeckung von 1111 noch zu 80 % erhalten ist und sechs verschiedene Dachziegeltypen aufweist.

Besichtigung des Prüf- und Forschungszentrums Sursee

Der erste Vortragstag endete mit einer Fahrt nach Sursee und der Besichtigung des Prüf- und Forschungszentrums Sursee. Ruedi Räss und Roland Koller, p+f Sursee, präsentierten die Geschichte des über 50-jährigen Instituts, das eine Tochter des Verbandes der Schweizerischen Ziegelindustrie ist. Nach einem theoretischen Überblick über die verschiedenen Prüfmöglichkeiten und Forschungs- sowie Normungsinitiativen erhielten die Teilnehmer einen Einblick in die Schwerpunkte der Institutsarbeit. An einzelnen Stationen wurden verschiedene Prüfungen an Mauer- und Dachziegeln direkt am Produkt präsentiert. Zu den weiteren Aufgabengebieten zählen auch Schulungen, Beratungen und die Erstellung von Gutachten, ebenso wie die aktive Erarbeitung und Mitgestaltung von Normen, bis hin zur europäischen Normung. Der sehr gelungene Abend in der Versuchshalle des Institutes bot viel Raum für intensive Gespräche und Erfahrungsaustausch.

Die Ziegelmuseumswelt

Der zweite Tag startete mit einem gemeinsamen Vortrag von Dr. Jürg Goll, Dipl.-Ing. Holger Bönisch und Dr. sc. Sophie Wolf über die „St. Urban Backsteine“. Diese sehr großen, bis zu 50 kg schweren und reich verzierten Backsteine wurden im 1194 gegründeten Zisterzienserkloster verbaut. In dem vorgestellten Forschungsprojekt wurde versucht, solche Backsteine nach den damals verwendeten Methoden zu produzieren. Dazu wurden die 70 bis 80 kg schweren Formlinge ca. drei Monate getrocknet und dann, bei einer Besatzhöhe von etwa 2 m, acht Tage in einem eigens dafür gebauten, holzbeheizten Ofen bei Temperaturen zwischen 600 und 1100 °C erfolgreich gebrannt.

„Einen mittelalterlichen Ziegelfund – der Töpferofen aus dem Habichtswald bei Tecklenburg (NRW)“ präsentierte Dr. phil. Andreas Immenkamp. Bei dem auf 1330–1340 datierten Ofen handelt es sich um einen der frühesten und besterhaltenen Töpferöfen Nordeuropas. Für den liegenden Ein-Kammer-Ofen wurden Ziegel als Baumaterial verwendet.

In dem letzten Fachvortrag des Tages würdigte Dipl.-Ing. Hans-Heinrich Böger „Jakob Bührer, den Altmeister der Ziegelindustrie und schnellen Brenner vom Bodensee – zum 100. Todestag“. Der Schweizer Bührer hat die Industrialisierung der Ziegelindustrie in Europa wesentlich mit vorangebracht. Der Zieglersohn gründete nach seiner Lehrerausbildung und kurzen Lehrtätigkeit ein eigenes Ingenieurbüro, int dem er u. a. den ersten Parallelofen baute. Aber auch Trockner und ein Zick-Zack-Ofen gehörten zu seinem Angebot. Verdient hat er sich außerdem durch die Schulung seiner Mitarbeiter gemacht. Bührer arbeite bis ins hohe Alter von 80 Jahren. Im Anschluss an seinen Vortrag überreichte Heinrich Böger eine Tonbüste des Schweizer Erfinders an den Museumsleiter Jürg Goll.

Die Tagung schloss traditionell mit den Berichten aus den Museen und der Ziegelwelt und mit einer von Peter Juchli geführten Besichtigung der Ziegelei Paradies sowie der Ziegeleimaschinensammlung in Schlatt.

Die nächste Veranstaltung im Jahr 2015 ist in Hundisburg, Deutschland, geplant.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2014

21. Internationale Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“

Die Organisatoren, der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. in Kooperation mit der Stiftung „Ziegelei-Museum Cham“, Schweiz, und dem LWL Industriemuseum, Landesmuseum für...

mehr
Ausgabe 4/2016 3.–5. Juli 2016

23. Internationale Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ in Dänemark

Der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V.  in Kooperation mit dem Museum Sønderjylland Cathrinesminde Teglærk, Broager, Dänemark, dem Industriemuseum Kupfermühle, Harrislee, sowie dem...

mehr
Ausgabe 10/2009

16. Internationale Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ im technischen Denkmal „Alte Ziegelei Westeregeln“

Mit der 16. Internationalen Tagung vom 28. bis 30. Juni 2009 in Westeregeln bei Magdeburg (Sachsen-Anhalt) beging der Arbeitskreis „Ziegeleigeschichte/Ziegelei­- museen“ beim Bundesverband der...

mehr
Ausgabe 3/2017 2. bis 4. Juli 2017

24. Internationale Tagung Ziegeleigeschichte/ Ziegeleimuseen im Ziegeleimuseum in Lage

Der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. in Kooperation mit dem LWL Industriemuseum, Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur in Lage, laden zur diesjährigen Tagung...

mehr
Ausgabe 6/2016 23. Internationale Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ in Dänemark

Ziegelherstellung und -verwendung in Dänemark und Schleswig-Holstein

Die 23. Internationale Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ fand vom 3. bis 5. Juli im dänischen Broager statt. Organisiert wurde sie in bewährter Weise vom Bundesverband der Deutschen...

mehr