Besuchermagnet: Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ in Havelberg

Die diesjährige Tagung „Ziegeleigeschichte/Ziegeleimuseen“ fand an den spielfreien Tagen der Fußball-WM, vom 4. bis 6. Juli, statt. Und, so erfolgreich wie die deutsche Mannschaft am Vorabend gegen Argentinien spielte (4:0), war auch die Tagung. Die von den Organisatoren, dem Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. in Kooperation mit den Museen des Landkreises Stendal, Prignitz-Museum am Dom Havelberg, gewählten Schwerpunktthemen „Romanischer Backsteinbau und Regionalgeschichte“ sowie der attraktive Veranstaltungsort lockten rund 110 Teilnehmer in das Prignitzmuseum am Dom Havelberg.

Traditionell bildete die Fachexkursion am Sonntag, 4. Juli, den Auftakt der Veranstaltung. Besichtigt wurden verschiedene romanische Backsteinkirchen sowie die gotische Backsteinkirche in Kabelitz. Der Höhepunkt der Tour war der Besuch des Klosters Jerichow. Am Abend nutzen einige Teilnehmer die Gelegenheit zu einem Konzertbesuch im Dom zu Havelberg. Anschließend trafen sich alle zum geselligen Grillen im stimmungsvollen Klosterinnenhof.

 

Regionale ­Backsteinarchitektur

Der erste Vortragstag, moderiert von Dr. Andreas Immenkamp, Dortmund, wurde von Helmuth Jacobi, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie, Bonn, eröffnet. Jacobi begrüßte die Teilnehmer mit einem interessanten geschichtlichen Abriss, bei dem er den Bogen von den Ziegeln der Römer bis zur Lage der Ziegelindustrie in der heutigen Zeit spannte. Er appellierte an die Anwesenden, insbesondere Denkmalschützer, „eine Lanze für den Ziegel zu brechen“, der, wie das Beispiel des Havelberger Doms ja zeige, ein Jahrhunderte überdauerndes Baumaterial sei.

Der Landrat des Kreises Stendal, Jörg Hellmuth, „outete“ sich in seinen Begrüßungsworten dann gleich als Ziegelfan. In der Region waren Ziegeleien früher weit verbreitet gewesen, fast jeder Ort hatte eine eigene. Die Mehrzahl davon sei ­heute stillgelegt, aus den Gruben hätten sich aber kleine Naturschutzareale gebildet, auch ein Beispiel für Nachhaltigkeit.

Den Eröffnungsvortrag „Historisches über die Havelberger Ziegeleien“ hielt Antje Reichel vom Prignitzmuseum Havelberg. Im Gebiet um die Stadt lagen sehr gute rotbrennende Tone, sodass eine Stadtziegelei bereits 1645 erstmals erwähnt wurde. In den 1840er-Jahren kam es zu einem raschen Wachstum an Ziegeleien, es wurde aber auch Ton in andere Gebiete verkauft.

Stefan Lehmann, Stendal, referierte in seinem Vortrag über die Entstehung der Elbtal-Haveltalauen und die
Geologie der Stadt Havelberg.

Die „Entwicklung der Ziegelarchitektur Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts im nördlichen Sachsen-Anhalt“ war das Thema von
Dr. Udo Bode, Halle. Mit ihrem Einsatz im Festungsbau und bei Wasserbauten wuchsen die Anforderungen an die Maßhaltigkeit der Ziegel, und bestimmte Normmaße setzen sich durch.

Rainer Kuhn, Magdeburg, berichtete über hochinte­ressante Grabungsarbeiten im Magdeburger Dom und Dachziegelfunde aus dem 10. und frühen 11. Jahrhundert. Diese wurden, mit abgeschlagenen Nasen, in einer Zweitverwendung als Fußbodenmaterial eingesetzt, was in der damaligen Zeit sehr selten war. Hier besteht noch viel Forschungsbedarf.

Der „Mittelalterliche Baubetrieb“ wurde von Prof. Dr. Günther Binding, Bergisch-Gladbach, an einer Vielzahl von Baubetriebsdarstellungen aufgezeigt, schriftliche Überlieferungen gibt es sehr wenige. Anhand der Zeichnungen kann der Einsatz neuer Hilfsmittel sehr gut datiert werden, wie z. B. das ab 1250 dargestellte Laufrad zum Transport der Steine.

Hansjörg Rümelin, Hannover, bewies in seinem Vortrag „Die norddeutschen Ziegelmarken des Spätmittelalters im Kontext der Lüneburger Ziegelproduktion“, dass die Lüneburger Ziegelei die vielleicht am besten dokumentierte Ziegelei des Mittelalters ist. Neben Urkunden aus dem 14. und 15. Jahrhundert existieren weitere gesicherte Quellen, wie Rechnungen. 1870 stellte die Ziegelei nach 800 Jahren ihre Produktion ein.

„Friesisch-groningische Einflüsse in der mittelelbischen Backsteinarchitektur um 1250“ waren das Thema von Dr. Damian Kaufmann, Bramsche. Er verglich die Bauformen und Ziegelverbände und stellte fest, dass es keine allgemeine Abhängigkeit gab.

Dirk Schumann, Berlin, informierte über „Die Backsteinarchitektur des späten 12. und 13. Jahrhunderts und ihr plastischer Dekor“. Allen Bauten gemeinsam sei, dass ihr Bau um 1170 begonnen wurde. Die Ursprünge lagen in der italienischen Architektur, mit der Zeit kamen aber regionale Eigenheiten und eigene Arten von Dekoren dazu, auch der dänische Einfluss wurde sichtbar.

Der letzte Vortrag des Tages „Ausgrabungen in der Tongrube Westeregeln“ von Dr. Thomas Weber, Heyrothsberge, passte allerdings nicht zur Thematik.

Im Anschluss an die Vorträge stand dann eine Führung durch Dom und Kloster auf dem Programm, ehe sich die Teilnehmer zu einem Zieglerabend auf einem Havelboot wiedertrafen.

 

Romanischer Backsteinbau – überregional

Am zweiten Veranstaltungstag präsentierte Moderator Uwe Hildebrandt, Bevern, als ersten Redner Dr. Jürg Goll, CH-Cham, der über „Romanische Backsteinbauten im Alpenraum“ sprach. Mit vielen Beispielen untermauert, spannte er den Bogen vom Früh- über das Hoch- und Spätmittelalter. Backsteine wurden sowohl für weltliche als auch kirchliche Bauten verwendet. Aus ihnen errichtete Bauten waren stets präsent, wenn auch nur punktuell.

Das gleiche Thema, aber ein anderer Ort: „Romanische Backsteinbauten in den Niederlanden“ war Thema von Rob Vermeulen, NL-Voorburg. Auch er zeigte anhand vieler Beispiele, dass man  Ende des 12. Jahrhunderts begann, Kirchen aus Backsteinen zu errichten, vorher verwendete man Naturstein.

Dr. Karl Schmotz, Deggendorf, referierte über „Die Backsteinromanik in Niederbayern – ein unbekanntes Wesen. Erste Ansätze zu ihrer Erschließung“. Durch die Vorkommen an Granit, Gneis, Jurakalk und Tuff wurden die bekanntesten Basiliken der Romanik aus Werkstein errichtet. Es gibt aber rund 300 kleinere romanische Landkirchen. Die Frage, welche davon aus Ziegeln errichtet wurden, ist oftmals nur bei Renovierungsarbeiten zu beantworten, da die Backsteine intensiv überputzt wurden. Schmotz stellte anschließend fest, dass noch viel Klärungsbedarf bestehe.

Im letzten Tagungspunkt „Neues aus den Museen“ berichteten die einzelnen Vertreter über neueste Projekte. Unter der Internetadresse www.klinkermarkt.de wurde ein Zieglertreff eingerichtet, der als Diskussions- und Informationsplattform der Alt- und Neuziegler sowie aller Freunde der Ziegeleigeschichte dienen soll.

Michael Back vom Fränkischen Freilandmuseum lud anschließend alle Teilnehmer zur nächsten Tagung nach Bad Windsheim ein, die vom 26. bis 28. Juni 2011 geplant ist. Ziel der Exkursion soll Nürnberg als mittelalterliche Ziegelstadt sein.

Dr. Wolfgang Müller stellte zum Schluss die Ergebnisse einer Umfrage zur Tagung vor. Dabei wurde deutlich, dass die große Mehrheit der Teilnehmer am bisherigen Konzept festhalten will. Müller verabschiedete die Teilnehmer im Namen des Bundesverbandes von dieser fachlich sehr hochkarätigen Tagung und lud ebenfalls alle zur nächsten Veranstaltung ein.

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