Auf Empfehlung von Mitarbeitern – Vitreus‘ erfolgreicher Ansatz bei der Personalgewinnung
Freie Stellen, besonders in der Produktion, zu besetzen, ist für viele Unternehmen der Ziegelindustrie nicht leicht. Die Vitreus GmbH in Seevetal, südlich von Hamburg, ein Lieferant von Engoben, Glasuren und Granulaten sowie Rohstoffen, stand vor dieser Herausforderung. Herkömmliche Methoden wie Stellenanzeigen und Messen brachten keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Was letztendlich half, die Personallücke zu schließen, waren Zufälle und Empfehlungen. Die folgende Geschichte beschreibt, wie Vitreus vier neue Mitarbeiter aus Kolumbien einstellen konnte. Sie zeigt, wie weit ein guter Ruf reichen kann, dass es sich für Arbeitgeber lohnt, mehr als nur einen Obstkorb anzubieten, und wie wichtig Einwanderung für den deutschen Arbeitsmarkt ist.
Von Kolumbien nach Seevetal
Am Anfang stand gute Nachbarschaft. Vitreus ist in einem Industriepark ansässig und teilt sich ein fast 100 Meter langes Gebäude mit mehreren anderen Unternehmen. Einer der Nachbarn beschäftigte einen Mitarbeiter namens Rodrigo, der ursprünglich aus Kolumbien stammte und auf der Suche nach einer sicheren Zukunft nach Deutschland ausgewandert war. Aufgrund der räumlichen Nähe kannte man einander. Als Rodrigos Arbeitgeber den Betrieb schließen musste, bewarb er sich auf eine der freien Produktionstellen bei Vitreus. Beide Seiten kamen schnell zusammen.
Aufgrund seiner Erfahrungen als Mitarbeiter bei Vitreus und des Wissens um weitere Vakanzen empfahl Rodrigo seinem neuen Arbeitgeber seinen Sohn Luis, der in Spanien lebte und ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht beantragt hatte. Wieder waren beide Seiten aneinander interessiert und Luis zog von Spanien nach Deutschland, um die Stelle anzutreten.
Beide empfahlen Vitreus einen gemeinsamen kolumbianischen Freund, Wilmer, der als Asylbewerber nach Deutschland gekommen war. Wilmer wiederum empfahl einen anderen kolumbianischen Asylbewerber aus seinem Netzwerk, Didienson, als Mitarbeiter. Wie Rodrigo waren beide nach Deutschland gekommen, um in größerer Sicherheit und mit besseren Perspektiven zu leben.
Qualifikationen
Beruflich
Mit dem Tätigkeitsbereich von Vitreus waren Rodrigo und sein Sohn Luis nicht vertraut. Beide hatten jedoch Erfahrung in Tätigkeiten im Bereich der Produktion. Rodrigo beispielsweise hatte mehr als 10 Jahre im Lager gearbeitet. Bei Vitreus wusste man aus nachbarschaftlicher Erfahrung, dass Rodrigo gut mit einem Gabelstapler umgehen konnte.
Luis brachte Erfahrungen in den Bereichen Reinigung, Transport und Logistik mit. Weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten eigneten sie sich informell während ihrer Arbeit bei Vitreus an. Dazu gehörten für Vitreus wichtige Bereiche wie Maschinenbedienung, Wiegen in einer industriellen Umfeld und Qualitätskontrollprozesse. Auch Wilmer und Didienson waren neu in diesem Bereich und wurden angelernt, um die Grundlagen zur Erledigung ihrer Aufgaben zu erwerben.
In der Anlernphase waren beide so erfolgreich und zufrieden, dass sie um eine Festanstellung baten. Vitreus kam ihnen entgegen und bot Verträge an.
Alle vier Mitarbeiter wurden an verschiedenen Maschinen (3 Pulvermischer/Schlamm-mischer/Gabelstapler/Absack-
station/Waagen), in Verarbeitungsabläufen und Sicherheitsvorschriften geschult.
Sprache
Die neuen Kollegen unterhalten sich mit den alteingessenen in einfachem Deutsch. Mit Geschäftsführer Joachim Grothe, der ein wenig Spanisch spricht, kommunizieren die Kolumbianer manchmal direkt in ihrer Muttersprache. Vitreus bietet allen vier Deutschkurse an, die vom Unternehmen bezahlt werden, und sie lernen auch im Arbeitsalltag und voneinander. Bislang hat sich die Sprache als Hürde erwiesen, aber sie sinkt langsam und stetig. Alle vier sind motiviert, nicht nur, weil sie die Sprachkenntnisse für ihre Arbeit benötigen, sondern auch, um mit der Bürokratie in Deutschland zurechtzukommen.
Erwartungen übertroffen
Vitreus ist mit den neuen Mitarbeitern sehr zufrieden. Sie erfüllen ihre Aufgaben sehr gut und sind sehr engagiert. Aus wirtschaftlicher Sicht hat sich die Investition von Zeit und Geld in die neuen Mitarbeiter laut Angaben des Unternehmens gelohnt. Nur mit ihnen ist es dem Unternehmen gelungen, eine effiziente Produktion aufrechtzuerhalten und Aufträge termingerecht zu liefern.
Umgekehrt sind auch die vier Mitarbeiter sehr zufrieden mit ihrem Arbeitgeber. Rodrigo vergleicht seinen aktuellen Job mit seinen früheren Tätigkeiten in Kolumbien und sieht viele Gemeinsamkeiten. Nur die Einkünfte, aber auch die zu zahlenden Steuern sind höher. „Wenn man eine Steuerrückerstattung bekommt, ist das ein Segen, und wenn nicht, dann ist es eben so, aber das ist in Kolumbien auch so“, sagt er. Didienson sagt: „Ich persönlich habe mich in meiner täglichen Arbeit leicht an Vitreus gewöhnt und bin sowohl mit dem Unternehmen als auch mit dem Land zufrieden.“
Hürden des deutschen Einwanderungsrechts
Alle vier Kolumbianer arbeiten mit einer offiziellen Arbeitserlaubnis. Rodrigo besitzt eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland. Sein Sohn Luis hat einen spanischen Personalausweis und kann als EU-Bürger frei in Deutschland leben und arbeiten. Für Wilmer und Didienson ist die Zukunft jedoch noch ungewiss, da sie sich derzeit im Asylantragsverfahren befinden. Es besteht daher die Möglichkeit, dass hre Beschäftigung in Zukunft nicht mehr möglich sein wird. Wilmers Arbeitserlaubnis ist beispielsweise bis 2029 gültig, abhängig von seinem Aufenthaltsstatus. Wenn sein Asylantrag abgelehnt wird, verliert er seine Aufenthaltserlaubnis und müsste Deutschland und samit seine Stellen bei Vitreus verlassen.
Vitreus unterstützt beide bei ihren Verhandlungen mit den deutschen Behörden, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten. Vitreus versucht auch, seinen Mitarbeitern in anderen Bereichen zu helfen. So stellte das Unternehmen Wilmer beispielsweise ein Empfehlungsschreiben aus, als er auf der Suche nach einer Unterkunft war, und kontaktierte in seinem Namen Vermieter.
Wenn Wilmer und Didienson keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhalten, müssen sie Deutschland verlassen. Für Vitreus würde dies den Verlust von zwei geschätzten, engagierten und qualifizierten Mitarbeitern bedeuten. Für Deutschland wäre dies nach Ansicht des Unternehmens auch der Verlust von zwei arbeitenden und sich aktiv integrierenden Einwanderern, die einen Beitrag zur deutschen Gesellschaft leisten.
Das Erfolgsrezept: Beziehungen
Die Nutzung von Mitarbeiternetzwerken für die Suche nach neuen Mitarbeitern hat sich ausgezahlt. Vitreus wird diesen Ansatz bei der Personalbeschaffung bei Bedarf weiter verfolgen. Die Unternehmensleitung ist sich der Rolle des Zufalls in diesem Prozess bewusst, sieht darin jedoch keinen priniziellen Einwand. Schließlich hänge vieles im Leben davon ab, dass sich Chancen ergeben und genutzt werden. Das gilt sowohl für das Unternehmen als auch für neue Mitarbeiter. Selbstverständlich sind laut Vitreus auch ein gutes, angenehmes Arbeitsklima und eine faire Bezahlung wichtig. Ebenso wie das Vertrauen der Mitarbeiter in die positive Entwicklung des Unternehmens und ihre eigene Rolle darin.
Vitreus arbeitet derzeit an der Einrichtung eines Programms, in dessen Rahmen jedem ausländischen Mitarbeiter ein Mentor innerhalb des Unternehmens zugewiesen wird.
„Das Mentorenprogramm richtet sich an alle zukünftigen ausländischen Mitarbeiter. Wir sind derzeit dabei, den Rahmen fertigzustellen, aber das Programm zielt darauf ab, die Mitarbeiter zu integrieren, ihre sprachlichen und technischen Fähigkeiten zu fördern/verbessern und ihre Selbstständigkeit zu stärken. Das Programm verfolgt Ziele in den folgenden Bereichen: 1) Integration in das Team und das Unternehmen 2) Verbesserung des Sprachverständnisses 3) Verbesserung der Arbeitsqualität und Selbstständigkeit 4) Steigerung der Arbeitszufriedenheit und Motivation 5) Verbesserung der Sicherheit“, sagt Joachim Grothe, Geschäftsführer von Vitreus.
Bereichernde Erfahrung
Sowohl das Unternehmen als auch seine Mitarbeiter empfinden die Zusammenarbeit als bereichernd. Der Beitrag der kolumbianischen Kultur und Lebensart zum Arbeitsalltag wird bei Vitreus sehr geschätzt, vielleicht weil das Unternehmen stärker von der norddeutschen Kultur geprägt ist: „Sie haben eine andere Lebenseinstellung – eine äußerst positive – und das beeinflusst ihr Umfeld.“
Didienson erklärt: „Ich denke, wir haben dank unserer Arbeit einen guten und professionellen Eindruck hinterlassen, wenn man bedenkt, dass die meisten Kolumbianer gerne ihr Bestes geben.“ Und Rodrigo sagt: „Ich war jemand, der gerne neue Leute kennenlernt, und mein Ziel war es, mich weiterzuentwickeln. Ich habe mein Studium abgeschlossen und wollte zur Universität gehen, aber aufgrund persönlicher finanzieller Probleme war das nicht möglich. Wir haben ein gutes Visum, das uns eine vielversprechende berufliche Zukunft bietet. Vitreus hat investiert und es möglich gemacht; er (Joachim) hat nicht aufgegeben.“