Klimaschutz im Industriesektor

Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie

Das deutsche Klimaschutzgesetz sieht vor, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise zu mindern, dabei um insgesamt mindestens 55 Prozent bis zum Zieljahr 2030. Langfristig verfolgt die Bundesregierung das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045. Die Industrie ist heute mit einem Anteil von rund 20 Prozent an den Gesamtemissionen nach der Energiewirtschaft (36 Prozent Anteil) der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasemissionen in Deutschland. Gleichzeitig ist die Industrie auch von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Industrie hat damit eine zentrale Rolle, um das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen.

Autor: Sebastian Varga

In den vergangenen 30 Jahren hat die Industrie bereits erhebliche Anstrengungen zum Klimaschutz unternommen, dennoch sinken die Treibhausgasemissionen der Industrie seit Anfang des Jahrhunderts weniger stark. Neben verstärkten Anstrengungen bei der Energieeffizienz werden nun vor allem sogenannte Sprunginnovationen durch Einführung neuer Herstellungsverfahren benötigt, die Prozessketten und -verfahren zukünftig klimaneutral gestalten.

 

Ursachen für industrielle Treibhausgasemissionen

Neben den energiebedingten Treibhausgasemissionen gibt es in der Industrie auch sogenannte prozessbedingte Treibhausgasemissionen mit einem Anteil von circa 25 Prozent der gesamten Industrieemissionen. Im Industriesektor entstehen die Emissionen somit auf insgesamt drei verschiedenen Wegen:

1. Direkte energiebedingte Treibhausgasemissionen stammen aus der Verwendung (fossiler) Brennstoffe zur Bereitstellung von Energie (zum Beispiel Prozesswärme, Dampf, mechanische Arbeit).

2. Indirekte energiebedingte Treibhausgasemissionen resultieren aus der Erzeugung des verwendeten Stroms (zum Beispiel durch ein Kohle- oder Erdgaskraftwerk).

3. Prozessbedingte Treibhausgasemissionen sind Emissionen, die vorrangig durch technologie- beziehungsweise verfahrensbedingte Nutzung von Einsatzstoffen im Produktionsprozess entstehen (zum Beispiel durch Koks bei der Stahlherstellung oder Kalkstein bei der Zement- und Kalkproduktion).

 

Rund drei Milliarden Euro Fördermittel

Mit dem Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie unterstützt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) die energieintensive Industrie in Deutschland beim Transformationsprozess hin zur Treibhausgasneutralität.

Die energieintensive Industrie ist ein Grundpfeiler der deutschen Wirtschaft. Mit ihren hohen energie- und prozessbedingten CO2-Emissionen steht sie bei der Dekarbonisierung vor einer besonderen Herausforderung. Als zweitgrößter Verursacher von Treibhausgasemissionen in Deutschland ist der Industriesektor ein entscheidender Faktor für die Erreichung des gesetzlich festgeschriebenen deutschen Klimaschutzziels 2030 und des Ziels der Treibhausgasneutralität 2045.

Das Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie soll dazu beitragen, deutsche Industriestandorte klimafreundlich und zukunftsfähig zu entwickeln sowie Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Insgesamt stellt das Bundesumweltministerium über das Förderprogramm bis 2024 rund drei Milliarden Euro für Investitionskostenförderung und Klimaschutzverträge zur Dekarbonisierung der energieintensiven Industrien zur Verfügung.

 

Was wird gefördert?

Mit dem Programm fördert das BMU Projekte in der energieintensiven Industrie, die prozessbedingte Treibhausgasemissionen, welche nach heutigem Stand der Technik nicht oder nur schwer vermeidbar sind, möglichst weitgehend und dauerhaft reduzieren.

 

Wer wird gefördert?

Im Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie sind Unternehmen in Branchen der gewerblichen Wirtschaft antragsberechtigt, die vom Anwendungsbereich des EU-Emissionshandels erfasst sind und prozessbedingte Emissionen aufweisen. Hierbei handelt es sich um Unternehmen aus den Sektoren Stahl, Chemie, Nichteisen-Metalle, Kalk und Zement sowie aus weiteren energieintensiven Branchen. Zuwendungsempfänger müssen eine Betriebsstätte oder Niederlassung in Deutschland haben. Projekte, für die eine Förderung beantragt wird, müssen in Deutschland umgesetzt werden. Konsortien von Unternehmen sind ebenfalls antragsberechtigt. Auch Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen können als Projektpartner eingebunden werden.

 

Wie wird gefördert?

Die Förderung wird als Zuschuss/Investitionszuschuss im Rahmen einer Anteilfinanzierung gewährt. Mit der Durchführung des Förderprogramms wurde das Kompetenzzentrum Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) als Geschäftsbereich der Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH vom BMU beauftragt. Durch die Ansiedlung in Cottbus stellt das KEI einen aktiven Beitrag zur Strukturentwicklung in der Lausitz dar. Derzeit arbeitet dort ein 20-köpfiges Team an der Umsetzung des BMU-Förderprogramms und weiterer Themen.

 

Wie läuft das Antragsverfahren ab?

Das Antragsverfahren im Förderprogramm verläuft in zwei Stufen. In der ersten Stufe wird eine Projektskizze eingereicht, die gemeinsam von Fachleuten des KEI und des Umweltbundesamtes (UBA) bewertet wird. Nach positiver Beurteilung erfolgt für die zweite Stufe die Aufforderung zur Erstellung und Einreichung eines formalen Antrags auf Förderung.

Fünf Fragen an Dr. Bernd Wenzel, Leiter des KEI

Das BMU-Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie ist gestartet. Welche Aufgaben übernimmt das KEI?

Das KEI ist als Projektträger direkter Ansprechpartner für förderinteressierte Unternehmen. Die Aufgaben umfassen die Förderberatung, Antragsprüfung, die laufende Begleitung der meist mehrjährigen Projekte sowie die Evaluierung der Ergebnisse. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt.

Wen adressiert das Förderprogramm?

Im Förderprogramm „Dekarbonisierung in der Industrie“ sind Unternehmen mit prozessbedingten Treibhausgasemissionen förderberechtigt. Das sind schwerpunktmäßig Unternehmen aus den Branchen Stahl, Chemie, Eisen- und Nichteisenmetalle sowie aus der Kalk-, Zement- und Glasherstellung sowie weitere Branchen.

Der Entwicklungsstand einer Technologie muss mindestens einem bestimmten technologischen Reifegrad, dem sogenannten Technology Readiness Level (TRL) 4 entsprechen. Das heißt, sie ist im Labor geprüft und soll nun im Rahmen von Demonstrations- oder Pilotanlagen im industrieorientierten Umfeld getestet werden, um die Technologiereife bis zur Marktreife zu steigern. Das bedeutet, von der Forschung und Entwicklung bis zur Praxisanwendung wird eine Förderung aus einer Hand angeboten.

Wie lang ist die Laufzeit des Förderprogramms?

Aus europarechtlichen Gründen ist die Förderrichtlinie zunächst bis Ende 2023 befristet. Projekte mit längerer Laufzeit können in diesem Zeitraum aber bewilligt werden. Sobald die Europäische Kommission die über 2023 hinausgehende Genehmigungsgrundlage geschaffen hat – deren Überarbeitung läuft derzeit – kann die Laufzeit der Förderrichtlinie verlängert werden. Das Bundesumweltministerium plant eine Mindestlaufzeit bis 2030.

Welche Resonanz auf das Förderprogramm erwarten Sie aus der Industrie?

Das Interesse aus der Industrie ist definitiv hoch und Ideen für Dekarbonisierungsprojekte sind in allen Branchen vorhanden. Wir haben bereits eine Reihe von Beratungsgesprächen mit Industrieunternehmen zu deren Projektideen geführt. Ich gehe davon aus, dass eine Reihe von diesen und weiteren Projektideen im Laufe des Jahres zu konkreten Förderanträgen werden.

Welche Tipps können Sie Interessierten für einen erfolgreichen Fördermittelantrag geben?

Ich empfehle den Unternehmen als erstes das persönliche Gespräch mit uns zu suchen und uns dabei die konkrete Projektidee vorzustellen, bevor mit der Ausarbeitung einer Projektskizze begonnen wird. In diesem Gespräch können wir vorab klären, ob das Projekt grundsätzlich in das Förderprogramm passt bzw. wie es ggf. weiterzuentwickeln ist. Und selbstverständlich stehen wir im gesamten weiteren Antragsprozess beratend zur Seite.

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