Verleihung des Award „Zi Best Service Supplier 2019“ auf dem Würzburger
Ziegellehrgang

Erst zum zweiten Mal in der größeren Kolping-Akademie Würzburg ausgerichtet, platzte dieser neue Veranstaltungsort beim Würzburger Ziegellehrgang im vergangenen Dezember schon wieder aus allen Nähten. Denn mit mehr als 200 Interessierten aus Ziegel- und Zuliefererindustrie, Verbänden und Forschungseinrichtungen verzeichnete die Weiterbildungsveranstaltung erneut einen sehr guten Zuspruch. Lehrgangsleiter Joachim Deppisch freue sich, Teilnehmer nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Italien, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz und Spanien zum „Wissens-Basar“ der Ziegelindustrie begrüßen zu dürfen. Die von der LGA Bautechnik GmbH des TÜV Rheinland in Verbindung mit dem Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. und dem Bayerischen Ziegelindustrie-Verband e.V. organisierte Fachtagung bot dem internationalen Publikum ein breites Themenspektrum an Fachvorträgen.

Deppisch dankte dem Programmbeirat außerordentlich, da dieser in effektiver und schneller Weise Ersatz für die kurzfristig ausgefallene Exkursion nach Buchen-Hainstadt organisiert hatte. Als neues Ziel konnte er das Liapor-Werk in Hallerndorf-Pauzfeld präsentieren.

Klimadebatte fordert auch Ziegelindustrie

Dr. Matthias Frederichs, Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie, gab den Anwesenden in seiner Begrüßungsansprache einen kurzen Überblick über die aktuelle politische Lage. Das Klimaschutzprogramm der deutschen Bundesregierung stellt auch die Ziegelindustrie vor neue Herausforderungen. Immerhin ist es den Branchenvertretern gelungen, eine Doppelbelas-tung für die Industrie zu verhindern. Er informierte, dass Cerame Unie, als europäische Branchenvertretung der keramischen Industrie, im Zug der sich verschärfenden Klimaschutzanforderungen die Roadmap 2050 überarbeitet. Außerdem ist ein übergreifendes europäisches Pilotprojekt der Ziegelindustrie geplant, in dem sowohl der Einsatz von Wasserstoff als Brennstoff als auch eine Elektrifizierung des Brennprozesses erforscht werden soll. Frederichs betonte die Bedeutung des Würzburger Ziegellehrgangs für die Weiterbildung der gesamten Ziegelbranche. Der Erfolg der Veranstaltung beruht nicht nur auf den spannenden Themenschwerpunkten, bei denen für jeden Teilnehmer etwas Interessantes dabei ist. Auch die Möglichkeit, sich mit Kollegen fachlich auszutauschen, zieht immer wieder Ziegler und Zulieferer nach Würzburg.

Topthemen der Branche

Der erste Lehrgangstag war wieder den übergeordneten Themen gewidmet. In seiner Keynote zeigte Prof. Dr. Jan U. Hagen, ESMT Berlin, den Teilnehmern auf, wie man als Leitungskraft fatale Fehler vermeidet. Mit interessanten Beispielen aus der Luftfahrt verdeutlichte er, dass auch lange Erfahrung nicht immer vor katastrophalen Fehlern schützt. Ein offenes Fehlermanagement, eine strukturierte Entscheidungsfindung und eine Reflexion nach einem Vorfall können dazu beitragen, zukünftige Fehler zu vermeiden

Dass eine nachhaltige und verantwortungsvolle Produktion nicht nur gelebt, sondern auch kommuniziert werden muss, stellte Hans Peters, Institut Bauen und Umwelt, klar. EPDs beispielsweise finden sich in immer mehr Ausschreibungen und die Punkte Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, also nachhaltiges Handeln, werden immer bedeutender. Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen wird dabei als Teil eines nachhaltigen Wirtschaftens verstanden. Peters forderte die Ziegelindustrie auf, hier aktiver zu werden und in die Offensive zu gehen. Andere Industrien seien dabei Vorreiter und propagieren z. B. eine „Zertifizierte Nachhaltigkeit“. Die Ziegelbranche sollte sich daran ein Beispiel nehmen und eigene Initiativen in Angriff nehmen.

Dem Thema Naturschutz widmete sich Rüdiger Schäfer, Fugro Germany Land GmbH, der aus Sicht eines Landschaftsarchitekten das breite Feld der Rekultivierung von Tongruben vorstellte. Dabei betonte er, dass Tongruben nach ihrer Renaturierung oft vielfältige Landschaften mit einer reichen Artenvielfalt werden. Auch hier gilt: „Tue Gutes und sprich darüber!“. Die Ziegelwerke sollten also die Öffentlichkeit über positive Ergebnisse unterrichten.

Dr. Hans-Joachim Keller, Provis, überzeugte die Zuhörer in seinem Vortrag zu erweiterten Betreiberpflichten mittels rechtssicherer Unternehmensorganisation davon, mit einer Flut an Anforderungen, nicht immer alles selbst zu machen, sondern sich Experten zu Hilfe zu holen. Nach der Definition der Anforderungen sei es wichtig, die Komplexität zu vereinfachen und ein klares, lebendiges System zu deren Bewältigung zu schaffen. Die Qualifizierung der Mitarbeiter, nach einer Bedarfsanalyse, ist ein weiterer wichtiger Fakt.

Im letzten Vortrag des Tages beschäftigte sich Silke Sabath, IZF, mit dem Ziegelrecycling. Sie stellte fest, dass im Bereich Hintermauerziegel bis zu 25 % Recyclingmaterial problemlos zugegeben werden können, bei Dachziegeln sind nur rund 3 % möglich. Anhand eines nach umfangreichen Untersuchungen erarbeiteten Merkblattes können die Ziegler das für sie passende Recyclingmaterial auswählen.

Verleihung des Awards „Zi Best Service Supplier 2019”

Ein Höhepunkt des ersten Lehrgangstages war die Verleihung des Awards „Zi Best Service Supplier 2019“. Allein nach dem Votum der Ziegler verlieh die Fachzeitschrift Zi Ziegelindustrie International in Kooperation mit der Messe München diesen Preis nun zum zweiten Mal.

Sieger des diesjährigen Wettbewerbs wurde die Firma Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik GmbH. Den zweiten Platz errang die Firma ZMB Braun GmbH, Platz drei ging an die Rehart GmbH. Alle drei Gewinner nahmen ihre Urkunden entgegen und der Sieger den von der Ziegelei Huber, Graupzig, gefertigten Preis – natürlich aus gebrannten Ton!

Im Fokus: Rohstoffe – Energie – Oberflächen – Digitalisierung

Der zweite Lehrgangstag behandelte dann wieder die Themen der Branche in ihrer ganzen Breite. Dr. Lutz Krakow, Krakow Rohstoffe, leitete mit gewohnter Professionalität und Spannung mit “Mysterium Ton“ die Vorträge ein und erläuterte eine fachgerechte Lagerstättenerkundung. Mit der „Probenahme als Grundlage aussagekräftiger Roh- und Werkstoffuntersuchungen“ setzte Stefan Link, Forschungsinstitut für Anorganische Werkstoffe-Glas/Keramik, die Ausführungen zu dne Rohstoffen fort.

Die Firma ZMB Braun präsentierte sich als ideenreicher Entwicklungspartner und stellte einen Kombiziegel vor, der sich aus einer Zone mit hoher Druckfestigkeit und einer zweiten, mit guter Wärmedämmung, zusammensetzt. Dabei können verschiedene Lochbilder zum Einsatz kommen. Als weitere Idee legte er die Herstellung von großformatigen Platten bis zu einer Mundstückaustrittsbreite von rund 1400 mm und die dafür geeignete Presskopf-Mundstück-Kombination dar.

Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Oberflächengestaltung von grobkeramischen Produkten. Claudia Istel Zschimmer & Schwarz, berichtete über die Möglichkeiten des Digitaldruckes, seine Herausforderungen in der Grobkeramik und informierte über Ergebnisse eines Praxisbeispiels. Zukünftige Entwicklungen sieht sie bei wasserbasierten Druckfarben und dem digitalen Engobieren bzw. Glasieren.

Wie mit Lüsterglasuren metallisch glänzende Effekte auf keramischen Oberflächen erzielt werden können, war das Thema von Nicole Wagler, KI Keramik-Institut GmbH. Wurden historische Lüsterglasuren in reduzierender Atmosphäre mit zwei Bränden hergestellt, lassen sich moderne Lüsterpräparate auch in oxidierender Atmosphäre brennen – aber auch noch in zwei Bränden. Die Herausforderung ist es also, diese Oberflächenveredelungen auch im Einmalbrand zu erzeugen.

Über eine effektive Trocknerführung, erläutert von Dr. Ralf Wagner, MFPA Weimar, spannte sich der Bogen zu einem neuartigen Brennerkonzept zur Energieeinsparung am Tunnelofen, vorgestellt von Eckhard Rimpel, IZF Essen. Der neue Brenner nutzt die im Ofen vorhandene Kühlluft und trägt so, ohne aufwendige Installationen, zur Energieeinsparung bei. Die Gestaltung der Brennderdüse stellt sicher, dass eine Homogenisierung der Ofenatmosphäre erreicht  wird und erhöhte Stickstoffemissionen vermieden werden.

Nach einer Vorstellung von Lösungen für die Biomasseverbrennung durch Michael Moix, Beralmar, stellte Dr.-Ing. Jens Petzold seinen Vortrag „Der Elektroofen – Herausforderung Wärmeübertragung“ zur Diskussion. Petzold zeigte Konzepte, die bereits im Ausland umgesetzt sind und auch funktionieren. Bei den heutigen Strompreisen in Deutschland würden sich die Energiekosten bei solchen Elektro-Ofen-Konzepten aber vervielfachen, sodass der Ziegel nicht mehr konkurrenzfähig wäre. Sein Fazit war klar: „Wir benötigen bis 2050 preiswerten und CO2-neutralen Strom.“

Über den Einsatz intelligenter Industrieroboter referierte Lutz Jankowski, Keller HCW. Er präsentierte mögliche Anlagenkonzepte am Beispiel einer Mischanlage als Insellösung. Keller hat Lösungen entwickelt, um z. B. Vormauerziegel und Pflasterklinker bereits im Ziegelwerk zu mischen, sodass der Verarbeiter nur noch aus einem Ziegelpaket arbeiten muss. In einem weiteren Bespiel wurde das Konfektionieren von Leerpaletten im Bereich Entladung/Verpackung vorgestellt. In die Roboterapplikation ist eine Qualitätsprüfung integriert, sodass der Roboter fehlerhafte Paletten automatisch aussortiert.

Welchen Nutzen ein digitaler Zwilling für die Maschinenbedienung und den Teleservice hat, zeigte Kilian Zott, Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik, auf. Lingl hat ein vollgrafisches Bedienkonzept als Erweiterungsoption für sein MBVL-System umgesetzt. Das Hauptaugenmerk dieser Entwicklung ist auf den Anlagenbediener gerichtet. Dieser kann einfach durch Tippen auf Anlagenteile und Maschinen durch das System navigieren. So kann die Bedienung, auch einer großen Anlage, schnell erlernt werden. Über eine integrierte Störungs- und Sicherheitsvisualisierung kann das betreffende Teil ausgewählt und mit einem Meldetext versehen werden, was Stillstandzeiten verkürzen kann.

Der letzte Vortrag beschäftigte sich mit dem Thema Druckluft. In diesem Bereich können schon kleinste Einstellungsfehler zu einem Mehrverbrauch an Energie führen, Maschinen können nicht mehr richtig laufen oder sogar ausfallen. Christian Peters, A und O Energieoptimierung, erläuterte die Schritte für mehr Effizienz: Transparenz schaffen – Zusammenhänge herstellen – Stellgrößen identifizieren – wirtschaftliche Maßnahmen umsetzen.

Ziegel in der Anwendung

Der letzte Lehrgangstag war traditionell der Ziegelanwendung gewidmet. Wilfried Galle, PHCI, stellte eine Prüfung der Auslaugerscheinungen bei Dachziegeln vor, mit der sowohl separat hergestellte Probekörper als auch geformte Dachziegelproben untersucht werden können.

Dem Thema „Bauteilprüfung“ widmete sich Andreas Kleemann vom IZF, sein Kollege Lars Etscheid stellte messtechnische und numerische Analysen des akustischen Verhaltens von Hochlochziegeln dar.

Der letzte Vortrag des Lehrganges war dem Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“ gewidmet. Alexander Freyburg, MFPA Weimar, präsentierte in einem sehr informativen Vortrag „Das Haus am Horn im Kontext der historischen Entwicklung des Wärmedurchgangs von Ziegelmauerwerk“. Er rief die Ziegler dazu auf, weiterhin innovative Ideen voranzutreiben und neue Wege in Forschung und Entwicklung zu beschreiten.

Exkursion zu Liapor

Bevor rund 50 Teilnehmer zur Exkursion ins Liapor-Werk Pauzfeld fuhren, stimmte sie Eckhard Rimpel, IZF, auf das Werk ein, das eine Produktionskapazität von 800 000 m³/Jahr hat und 90 Mitarbeiter beschäftigt. In einem patentierten Herstellungsverfahren werden Liaporkugeln im Drehrohrofen gebrannt.

Die Exkursion schloss mit einer Brauereibesichtigung im Brauerei-Gasthof Kundmüller und einem gemeinsamen Abendessen. Hier zeigte Lehrgangsleiter Joachim Deppisch wieder einmal seine Kunst im Reimen und fasste den Lehrgang in einem Abschlussgedicht zusammen.

Der 59. Würzburger Ziegellehrgang wird vom 1. bis 3. Dezember 2020 stattfinden.

Anett Hümmer


TÜV Rheinland LGA Bautechnik GmbH
bautechnik.lga.de
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