Ziegler-Jahrestagung 2023 in Weimar

Ziegler-Jahrestagung 2023 in Weimar – Ziegelindustrie im perfekten Sturm

Weimar, die Stadt der Dichter und Denker, war vom 12. bis zum 14. Juni dieses Jahres die Stadt der Ziegler. Im historischen Hotel Elephant fand die Jahrestagung der Deutschen Ziegelindustrie 2023 statt.

Eingeleitet wurde das Programm mit einem gemütlichen Grillabend im Hotelinnenhof am Montag, den 12. Juni. In den folgenden zwie Tagen fanden die Mitgliederversammlungen der Arbeitsgemeinschaft Pflasterklinker, des Güteschutz Ziegel, des Keramlabors, des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie (BVZi), der Fachverbände Ziegelindustrie Südwest, Nord und Nordwest sowie des Bayerische Ziegelindustrie-Verbands und des Güteschutz Ziegel Süd statt.

Mitgliederversammlung Güteschutz Ziegel: Prüf-umfang muss ausgeweitet werden

Der Geschäftsführer Frank Pohle informierte über Entwicklung und Tätigkeit des Vereins. Im Jahr 2022 verfügte der Verein über insgesamt 91 Mitglieder, 75 Prozent davon stellen Mauerziegel, -klinker und Pflasterklinker, 17 Prozent Dachziegel und 10 Prozent Sonderprodukte her. 2022 wurden rund 810 Zertifikate für Produktprüfungen ausgestellt, rund 100 bzw. 11 Prozent weniger als im Vorjahr. Davon entfielen 500 auf Mauerziegel und Klinker (2021: 600). Die Anzahl Zertifikate für Dachziegel und Fassadenplatten stieg um 20 bzw. rund 10,5 Prozent auf 190. Pohle wies darauf hin, dass der Prüfumfang einiger Werke noch zu niedrig sei.

Mitgliederversammlung Güteschutz Ziegel Süd: Wer übernimmt die europäische Normungsarbeit ab 2025?

Zu Beginn der Sitzung würdigte der Vorstandsvorsitzende Markus Wiest den verstorbenen Heinrich Marx und seine Verdienste als früherer Geschäftsführer des Ziegelschutz Süd in einer kurzen Rede. Der amtierende Geschäftsführer Christoph Keller informierte seine Mitglieder über aktuelle Entwicklungen. Der Verein betreut Stand 1. Januar 2023 33 Mitglieder mit insgesamt 39 Werken. Bei seinen 69 Besuchen hat er 484 Formate entnommen, es wurden rund 430 Zertifikate ausgestellt. Keller wies darauf hin, dass Besuchs- und Prüfungszahlen steigerungsfähig seien, und bat die Mitglieder um eine engere Zusammenarbeit. Weiterhin teilte Keller mit, dass der Verein zum 1. Januar 2025 gezwungen sei, die europäische Normungsarbeit abzugeben. Er bat das Plenum, sich bin dahin um eine tragfähige Neuverteilung der Verantwortung zu kümmern.

BZVi-Mitgliederversammlung: Bodo Ramelow und Stefan Jungk

Die Mitgliederversammlung des Verbandes leitete BVZi-Präsident Stefan Jungk mit der Begrüßung des thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ein. Dieser hob in seinem Vorwort die Innovationskraft der Ziegelhersteller, deren Anstrengungen um eine klimafreundliche Produktion sowie die Bedeutung des Baustoffs Ziegel in der Vergangenheit und für die Zukunft hervor.

In seiner anschließenden Rede skizzierte Stefan Jungk die aktuell für die Ziegelindustrie besorgniserregende Lage mit den folgenden Worten: „Die wirtschaftliche und politische Gesamtsituation hat das Potenzial zum ‚perfekten Sturm‘.“

„Auftragsrückgänge um bis zu 40 Prozent, Produktionsstopps und drohende Kurzarbeit in der gesamten Branche kennzeichnen das erste Halbjahr 2023. Nachdem die Krise 2022 in der Branche noch nicht voll ankam und sogar ein Produktionswachstum von bis zu 15 Prozent erlaubte, stellt uns die Gemengelage aus Auftragsrückgängen, Rekordinflation, hohen Energiekosten, politischem Förder-Chaos und zusammenbrechender Baukonjunktur vor erhebliche Herausforderungen.”

Politisch brauche es, so Jungk, endlich ein Bekenntnis zur Lösung der sozialen Frage. Bezahlbares Wohnen und ein klimaneutraler Gebäudebestand werden ohne erhebliche Investitionen der öffentlichen Hand nicht zu erreichen sein. Bauherren, Bauschaffende und nicht zuletzt die Baustoffindustrie brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit.

„Als Verband begegnen wir der Situation mit Geschlossenheit. Unsere Hausaufgaben auf dem Weg zur klimaneutralen Produktion gehen wir bereits seit vielen Jahren entschlossen an. Zusätzlich haben wir zahlreiche Forschungsvorhaben mit dem neuen Haushalt auf den Weg gebracht. Unsere Partner, d. h. Architekten, Planer und Verarbeiter, können sich auf hochwertige Produkte und Services verlassen. Dafür arbeiten wir an Tools wie dem Wärmebrückenkatalog und dem Schallschutzrechner“, so Präsident Jungk.

Im Zentrum der politischen und gesellschaftlichen Kommunikation stehe das Mega-Thema Nachhaltigkeit. Als natürlicher, regionaler Baustoff mit kurzen Wegen und hervorragendem Recycling-Potenzial erfülle der Ziegel die Anforderungen an Nachhaltigkeit wie kaum ein anderer Baustoff.

„Das müssen wir vor allem den politischen Mandatsträgern noch stärker klarmachen. Wir freuen uns sehr darüber, dass schon zahlreiche Politiker unseren Einladungen gefolgt sind, werden aber auch nicht müde darin, von der Politik das Bekenntnis zur Technologieoffenheit einzufordern. Jede Form der einseitigen politischen Bevorzugung eines Baustoffs lehnen wir entschieden ab“, betont Stefan Jungk.

BZVi-Mitgliederversammlung: Gedenken und Gründung Ausschuss für Nachhaltigkeit

Den formalen Teil der Versammlung leitete Jungk mit einem Gedenken an den früheren Präsidenten und Ehrenpräsidenten des BVZi, Ernst August Bäumer, ein. Jungk würdigte das ehrenamtliche Verbandsengagement von Ernst Buchow, Geschäftsführer der Bockhorner Klinkerziegelei und früherer Vorsitzender des Ausschusses Vormauerziegel und Klinker, sowie von Dr. Thomas Fehlhaber, früherer Geschäftsführer der Unipor GmbH und Vorsitzender des Ausschusses Hintermauerziegel, und dankte beiden.

Attila Gerhäuser, Geschäftsführer des BVZi, informierte über Personaländerungen in der Geschäftsstelle. Außerdem hat der Vorstand die Gründung eines Ausschusses für Nachhaltigkeit beschlossen. Mit diesem Gremium soll die Fachebene des BVZi mit der politischen Entscheidungsebene verbunden werden. Gerhäuser sprach eine Einladung an alle Mitglieder aus, sich am Ausschuss zu beteiligen.

BZVi-Mitgliederversammlung: Amtierender Vorstand im Amt bestätigt

Vorstand und Präsidium erhielten in der anschließenden Vorstandswahl ein deutliches Zeichen der Unterstützung. Das Team um Stefan Jungk wurde einstimmig in seinen Ämtern bestätigt. Helmuth Jacobi von Jacobi Tonwerke GmbH, langjähriger Präsident und Vorstand, stellte nach mehr als 40 Jahren Engagement sein Amt der jüngeren Generation zur Verfügung. Ihm folgt Dr. Sebastian Dresse, Creaton GmbH, ins Präsidium. In Würdigung seiner jahrzehntelangen Verdienste wurde Helmuth Jacobi einstimmig zum Ehrenpräsidenten gewählt.

Jahrestreffen des bayerischen Ziegelverbands

Der Vorstandsvorsitzende Johannes Edmüller führte durch die Sitzung. Im Zentrum seiner Rede stand die angespannte Lage der bayrischen Ziegelindustrie im Jahr 2023. Noch im Jahr 2022 habe der Ziegel mit rund 56 Prozent weiterhin den größten Marktanteil bei wandbildenden Baustoffen im Wohnungsbau eingenommen. Die Menge in Bayern produzierter Mauerziegel war im vergangenen Jahr um 2,1 Prozent auf 3,8 Millionen Kubikmeter gestiegen, die Anzahl der produzierten Dachziegel um acht Prozent auf 280 Mio. Stück.

Diese Ergebnisse kontrastierte Edmüller mit den Zahlen des laufenden Jahres. Im ersten Quartal 2023 sank in Bayern die Zahl der beantragten Baugenehmigungen insgesamt um rund 30 Prozent. Bei den für den Ziegelabsatz besonders relevanten Ein- und Zweifamilienhäusern betrage das Minus sogar 60,3 Prozent. Auch die Nachfrage nach Ziegeln sei in Bayern im ersten Quartal 2023 drastisch gesunken. Der Umsatz der bayerischen Ziegelunternehmen sei um fast ein Drittel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gesunken. In fast allen Betrieben komme es in diesem Sommer zu Stillständen.

Von der Bundesregierung forderte Edmüller Maßnahmen zur Stärkung des Bausektors und der Nachfrage: Anhebung des Volumens der Neubauförderung auf mindestens 10 Mrd. Euro pro Jahr, Koppelung der Förderung wieder an den EH-55-Standard statt aktuell an den EH-40-Standard, Zinsverbilligung und eigenkapitalersetzende Darlehen für private Bauherren sowie die Befreiung von der Grunderwerbssteuer beim Ersterwerb.

Neben der aktuellen konjunkturellen Krise benannte Edmüller als zweite strukturelle Herausforderung die Umsetzung des Vorhabens der bayerischen Regierung, Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Für die Ziegelhersteller bedeute dies sowohl Investitionen in die Werke als auch Innovationen zu leisten. Edmüller erklärte sich fest überzeugt, dass Ziegel das Potenzial haben, in Zukunft einen geringeren CO2-Fußabdruck zu hinterlassen.

Bei beiden Themen sei es wichtig, die erfolgreiche politische Arbeit der vergangenen Monate fortzusetzen. In diesem Zusammenhang stellte Edmüller die neue Bereichsleiterin Public Affairs Annette Resch vor. Für die hervorragende Zusammenarbeit bedankte sich Edmüller bei ihr sowie Geschäftsführer Yves Knoll, und Franziska Deml, Referentin Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und Umwelt. Die nächste Mitgliederversammlung wird im Juni 2024 wieder gemeinsam mit dem Güteschutz Ziegel und dem Bundesverband stattfinden.

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