Victor Kapr

Der Mörtel der Branche

Was macht eine Fachzeitschrift wie die ‚Ziegelindustrie International‘ aus? Ein Blick in die Themen der ersten Ausgabe, die im November 1948 unter dem Namen ‚Die Ziegelindustrie‘ erschien, bietet einen ersten Anhaltspunkt. Fragen, denen sich die ZI damals widmete, waren: Wie lässt sich die durch den Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte bedingte Nachfrage nach grobkeramischen Produkten befriedigen? Wie lässt sich die Versorgung der Ziegelwerke mit Energie und Energieträgern, damals vor allem Kohle, sicherstellen? Wie lässt sich dem Mangel an gelernten Facharbeitern begegnen? Was bedeutet die geplante Änderung der Ziegelformat-Norm für dessen bauphysikalische Eigenschaften und den Hersteller? Welche Vorteile bietet eine Vakuumpresse hinsichtlich der Produktionsabläufe und Produktqualität?

Die Situation heute ist glücklicherweise eine andere als damals. 1948 lag Deutschland selbst verursacht noch weitgehend in Trümmern, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft waren noch darum bemüht, einen Neuanfang zu finden. Umweltschutz spielte in Öffentlichkeit und Politik keine Rolle. Doch die Fragen, die heutzutage in der ZI gestellt werden, sind substanziell weitgehend dieselben wie damals und unterscheiden sich nur in der Gestalt. Zum Beispiel: Welche planbare Perspektive für die sichere und wirtschaftlich rentable Versorgung mit grüner Wärmeenergie wird es geben? Wie lässt sich die Kreislauffähigkeit des Baustoffs Ziegel ausweiten? Wie lässt sich die Energieeffizienz der Anlagen für Aufbereitung und Formgebung erhöhen? Was macht einen attraktiven Arbeitgeber in der Ziegelindustrie aus? Das gilt besonders und selbstverständlich für die Produktionstechnik und die Produkt-Normen.

Den Gestaltwandel dieser quasi ewigen Themen der Ziegelbranche hat die ZI begleitet, kommentiert, diskutiert und auch archiviert. Die Beiträge, in denen diese Themen behandelt wurden, kamen meist selbst aus der Branche. Ein paar schnelle Blicke in das Archiv der ZI der vergangenen 25 Jahre genügen, um zu sehen, wie vielfältig und bunt die Themen der Ziegelbranche sind. Hier eine kleine Auswahl:

Technik und Forschung, bspw:

‚Perlit – ein neuer sinterungsaktiver Mineralfüllstoff für die keramische Industrie‘

(ZI 7/1991)

‚Die Schnellbrandtechnik in der Ziegelindustrie – eine technische Beurteilung‘ (ZI 3/1993)

Werksvorstellungen, bspw.:

‚Die Ziegelei von Shuang Ya Shan – Selbstentzündung von Steinkohlenschiefer‘ (ZI 11/1992)

‚Meister in der Kunst des Ziegeldämpfens – Dachziegelwerk Alphons Meyer KG in D-Emmerich-Vrasselt‘ (ZI 6/2010)

Normung, bspw.:

‚Von der Schwierigkeit, ein europäisches Ziegelhaus zu bauen‘ (ZI 7-8/1993)

‚Brandschutz mit Ziegelmauerwerk: Europäische Normung – neue Brandprüfungen‘ (ZI 10/2013)

Veranstaltungen/Tagungen/Studierendenexkursion, bspw:

‚100 Jahre für den Ziegel – ein Verband feiert Geburtstag‘

(ZI 8/1997)

‚50. Würzburger Ziegellehrgang – ein gelungenes Jubiläum‘ (ZI 1-2/2012)

‚Erfolgreiche Zi-Fachexkursion in ein Dachziegelwerk‘

(ZI 1/2015)

Ziegelmärkte und Branchen weltweit, bspw.:

‚Uruguay – Ziegel im Mercosur‘ (ZI 5/2000)

‚„Gut Brand“ für die bulgarische Ziegelindustrie‘ (ZI 5/2002)

Geschichte der Branche, der Personen und der Technik, bspw.:

‚Vom Gewerbe zur Industrie – Industrialisierung des Zieglergewerbe und ihre sozialen Folgen im norddeutschen Raum des 19. Jahrhunderts‘ (5/1993)

‚Mit ihm begann der moderne Fließbetrieb - 100 Jahre Kastenbeschicker‘ (5/2006)

Auch eher randständige Themen fanden einen Platz, bspw.:

‚Lebensraum auf Zeit: Laubfrosch im Tagebau‘ (ZI 2/1995)

‚Tauben, Trinker, Reitersmänner – die Töpferzentren der Contenin‘ (ZI 1-2/2000)

Diese Vielfalt an Themen übersteigt den Wissenshorizont eines Einzelnen. Aufbereitet in Beiträgen, verfasst von Fachleuten in den unterschiedlichen Themenbereichen des Ziegeleiwesens und verbreitet in der ZI, diffundieren die Themen in der Branche bereichsübergreifend. Der Effekt sind Wissenserwerb und -vermittlung, Kommunikation, weitere Entwicklung und Beschäftigung – und damit auch Zusammengehörigkeit. Der Austausch der Branchenmitglieder miteinander, das ist der Mörtel der Branche. Die ZI, als Medium und Gedächtnis dieses Austauschs über Orte und Zeiten hinweg, ist davon nicht zu trennen.

Das macht die ZI am Ende aus, dass sie die Kommunikation der Branche mit sich selbst ermöglicht. Das stolze Alter von 75 Jahren ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie erfolgreich die Zeitschrift diese Funktion erfüllt hat.

Diese Erfolgsgeschichte wäre ohne das stetige Engagement und Interesse, das wir aus der Branche erfahren haben, nicht geschrieben worden. Im Namen der ZI-Redaktion möchten wir uns für die hervorragende redaktionelle Zusammenarbeit bei den Ziegelherstellern, Maschinen- und Anlagenbauern, Zulieferern, Forschern, Verbänden, Instituten und Vereinen in Deutschland und weltweit herzlich bedanken. Ebenso herzlich danken möchten wir unseren Anzeigenpartnern, die die Herausgabe der Zeitschrift seit 75 Jahren wesentlich unterstützen. Unseren engsten Partnern haben wir zum Ausdruck dieses Dankes eine Seite gewidmet, die auch in den kommenden zwei Ausgaben erscheinen wird. Schließlich möchten wir uns auch bei Ihnen, unseren treuen und kritischen Lesern, bedanken.

Unser Wunsch ist, diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben und der Ziegelbranche in den kommenden 75 Jahren weiter als Mörtel zu dienen. Deshalb möchte ich Sie bitten, die redaktionelle und werbliche Zusammenarbeit mit uns fortzusetzen. Schicken Sie uns Ihre Themen, Beiträge, Anliegen und Wünsche. Teilen Sie uns Ihre Neuigkeiten aus Werken und Produktion, Anlagenentwicklung, Gremien, Verbänden und Vereinen, Lehrstühlen und Forschungseinrichtungen, Museen und Märkten mit. Denn nur gemeinsam mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin den Mörtel der Ziegelbranche bilden.

Dafür möchte ich noch einmal auf die erste Ausgabe der ZI Bezug nehmen und den Aufruf zitieren, den Ernst Rauch, damals Vorsitzender des Vorgängers des Bundesverbands der Deutschen Ziegelindustrie, in seinem Geleitwort aussprach: „Möge unsere Fachzeitschrift verbindend zwischen Ost und West wirken, möge sie Mittler für die gesamtdeutsche Ziegelindustrie sein. Wenn diese Wünsche, die wir ihr zu ihrem Start mit auf den Weg geben, in Erfüllung gehen sollen, muss in allen Kreisen unserer Industrie tatkräftig mitgearbeitet werden. Jeder auf seinem Platz: Der eine in der Werbung, der andere in aufklärenden wissenschaftlichen und praktischen Aufsätzen. Helft alle mit! Das ist der Ruf, mit dessen Erfüllung ein jeder sich selbst und in doppeltem Sinne der ‚Ziegelindustrie‘ dient. Je höher das Niveau unserer Zeitschrift, desto größer der Erfolg, der allein in der Achtung vor der gemeinsamen Arbeit unserer Industrie und in der Beachtung unseres Fachblattes liegt. Können wir hier Hervorragendes leisten, so werden wir dadurch auch Brücken zur Ziegelindustrie anderer Länder schlagen und deren Erfahrungen auch für uns offenkundig machen.“

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