Frühjahrs-Beiratssitzung der Forschungsgemeinschaft der Ziegelindustrie e. V. - Spring Advisory Board Meeting of the Research Association of the Brick and Tile Industry

Über das Ende billigen Erdgases und CO2-freie Prozesswärme

Am 9. Mai 2023 traf sich der Beirat der Forschungsgemeinschaft der Ziegelindustrie e. V. im Hotel Eurostars in Berlin-Mitte zur turnusmäßigen Frühjahrssitzung. Der Schwerpunkt des Vortragsprogramms lag auf Gas sowie CO2-freien Varianten zur Erzeugung von Prozesswärme für die Ziegelindustrie. Darüber hinaus wurden aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt.

Dr. Ludwig Möhring, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Erdgas, Erdöl und Geoenergie e. V., skizzierte in seinem Vortrag, wie der Gasmarkt von einer Versorgungskrise zu einer Preiskrise gelangt ist. Der Ausfall russischer Erdgaslieferungen habe die Bedingung für die deutsche Klimaschutzstrategie, billiges Erdgas, aufgehoben. Ausführlich erläuterte er, warum es kein strukturell billiges Erdgas als Ersatz geben kann. Die Ziegelindustrie müsse sich auf höhere Preisstandards einrichten.

Eckhard Rimpel, stellvertretender Institutsleiter im Institut für Ziegelforschung Essen e.V. (IZF), referierte über dekarbonisierte Prozesswärme in der Ziegelindustrie. Bei steigendem H2-Einsatz in Testbränden sei die Produktqualität nahezu oder nur wenig verändert. Herausforderungen bestehen bei der technischen Aufrüstung der Tunnelöfen, der Verfügbarkeit und der Transportierbarkeit. Ammoniak könnte hierbei eine Lösungsoption darstellen und auch direkt beigemischt werden.

Regina Vogt vom IAB – Institut für angewandte Bauforschung Weimar diskutierte in ihrem Vortrag den CO2-neutralen Ziegelbrand mit Wasserstoff. Neben einer Darstellung des Stands der Technik für Wasserstoff als Brenngas ging es besonders um den Einfluss der Ofenatmosphäre auf die Produkteigenschaften. Anhand von Versuchsergebnissen konnte gezeigt werden, dass der Wasserdampfanteil in der Ofenatmosphäre Einfluss auf die keramischen Eigenschaften hat. Dieser Effekt ist abhängig von Temperatur und Tonzusammensetzung.

Jochen Schürer, Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM, stellte das im Rahmen des Verbundprojekts Klimpro laufende Projekt ‚Grünes Spaltgas als Brenngas zur Ziegelherstellung‘ vor. Dabei wird ein Reaktor zur Aufspaltung von Ammoniak in Stickstoff und Wasserstoff entwickelt. Dieses Gasgemisch soll zum Ziegelbrand genutzt werden. Im Vortrag wurden u. a. Ergebnisse von Simulationen und Tests mit Spaltreaktoren und Brennern vorgestellt. Der Einsatz von grünem Ammoniak habe Potenzial. Weitere Untersuchungsschritte werden die Optimierung der Brenner und die Hochskalierung umfassen.

Dr. rer. nat. Eveline Zschippang, Gruppenleiterin Nitridkeramik und Faserkomposite am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS, stellte das AIF-Projekt ‚HoTempLa: Neues Transportsystem auf Basis von Hochtemperaturlagern zum effizienten Brennen von Ziegeln‘ vor. Im Zentrum des Vortrages stand die Präsentation der Ergebnisse nach Einbau und erstem Heißluftversuch. Ziel ist eine Steigerung der Energieeffizienz durch Verringerung der Ausfahrverluste und Verluste über Tunnelofenwagen.

Dr. Ralf Wagner von der Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar (MFPA) stellte das Forschungsprojekt ‚Einfluss funktionaler Oberflächen auf das urbane Mikroklima und auf den Gebäudeenergiebedarf‘ vor. Ziele des Projekts sind Anpassung der strahlungsphysikalischen Eigenschaften von grobkeramischen Bauteiloberflächen, Verringerung des ‚Wärmeinseleffektes‘ und Verringerung des Gebäudeenergiebedarfs zur Kühlung. Den größten Einfluss auf die Lufttemperatur haben die Strahlungseigenschaften des Baumaterials.

Akash Nagarj vom IZF diskutierte die bauphysikalische Optimierung von Ziegelstrukturen. Eine grundlegende Herausforderung ist, dass Schall- und Wärmeschutz in ständiger Wechselwirkung zueinander stehen. Es wurden verschiedene Modellierungsansätze vorgestellt, mit denen der Wärme- und Schalltransport analysiert werden können: Finite-Element-Modellierung und Parameterstudie. Das weitere Vorgehen besteht in systematischen Parameterstudien und der Entwicklung eines digitalen Tools durch Korrelation verschiedener Parameter.

Dr. Jurij Walz von der MFPA stellte das Forschungsvorhaben ‚Automatisierte Bildanalyse für die Sortierung von Ziegel- und Mauerwerksbrauch unter Verwendung von Verfahren des maschinellen Lernens‘ vor. Der Ansatz besteht darin, Informationen aus den NIR- und VIS-Spektrum mit den Informationen aus dem hochaufgelösten Bild zu koppeln. Mit dem Programm CNN ResNet50 seien Erkennungsraten über 95 Prozent möglich.

Im letzten Vortrag besprach Dr. Jan Rybizki vom IAB die Anwendungspotenziale von Simulation und KI in der Ziegelindustrie. Er stellt Versuche zur 3D-Simulation von Strömung und Wärmeübertragung in Öfen und von Ziegelformen sowie den Einsatz von KI bei der Qualitätskontrolle vor. Fazit der Versuchsergebnisse ist, dass numerische Methoden ein geeignetes Werkzeug für die Erhöhung des Prozessverständnisses, die Unterstützung der Auslegung, Fragen der Optimierung und die Qualitätssicherung sind.

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