Victor Kapr

Von Normen und Abweichungen – Informationsveranstaltung des Güteschutz Ziegel 2024

Am 17. und 18 April 2024 zog es die Mitglieder des Güteschutz Ziegel e. V., der entsprechenden Gremien und Prüfstellen sowie Mitarbeiter der Ziegelwerke nach Weimar zur Materialforschungs- und -prüfanstalt (MFPA). Der Güteschutz Ziegel hatte zur Informationsveranstaltung 2024 geladen. Auf dem Programm standen, wie üblich, Informationen über den derzeitigen Stand der Produkt- und Prüfnormen, aktuelle baurechtlichen Grundlagen sowie hilfreiche Mitteilungen rund um baukeramische Produkte. Anders als bei früheren Terminen war diesmal ein umfangreicher Praxisteil eingeplant.

Durch das Programm an beiden Tagen führte der Leiter des Güteschutz e. V., Frank Pohle, der auch die Teilnehmer am ersten Tag begrüßte.

 

Praxisblock für porosierte grobkeramische Baustoffe

Im ersten Praxisblock lag der Fokus auf porosierten grobkeramischen Baustoffen. Die Teilnehmer durchliefen in vier Gruppen vier Stationen in verschiedenen Räumen des MFPA. Eine Station war dem präzisen Messen von Hochlochziegeln gewidmet. Die Teilnehmer durften mit Messschiebern selbst Messungen vornehmen. Erstaunlich war die Varianz der Messergebnisse und wie voraussetzungsreich die Messverfahren sind. Auch eine Methode zur Bestimmung der Dichte von porosierten Steinen wurde demonstriert und erläutert.

An der zweiten Station wurden zwei Verfahren zur Messung der Querstegdickensumme, manuell und mit Laser und digitaler Erfassung, demonstriert. An der dritten Station wurde auf Mauerwerksverbände eingegangen. Die Teilnehmer durften sich im Anschluss selbst am mörtellosen Schichten der Ziegel probieren. Die vierte Station befand sich im Konferenzraum der MFPA, wo Frank Pohle über Normen und die Bestimmung der Normerfüllung sprach.

 

Vortragsblock für poro­sierte und dichtergebrannte Bauteile

Der zweite Block nach der Mittagspause war Vorträgen gewidmet.

Eckhart Rimpel, stellvertretender Leiter des Instituts für Ziegelforschung Essen e. V., berichtete Forschungsergebnisse zur Nutzung von Mauerwerksbruch als Vegetationssubstrat für Gründächer. Mauerwerksbruch scheint dafür gut geeignet. Aufgrund deutlich geringerer Wärmeleitfähigkeit hat das Substrat eine positivere Wirkung auf die Rauminnentemperatur als herkömmliches Substrat.

Dipl.-Ing. Dorte Schaal von CERT Baustoffe GmbH diskutierte mit den Teilnehmern typische Probleme und Unklarheiten, die im Rahmen der Zertifizierung und der werkseigenen Produktionskontrolle auftreten. Im Kern ging es um die Klärung der Kategorie „zweite Wahl“.

Dipl.-Ing. Christoph Keller, Geschäftsführer des Güteschutz Ziegel Süd, informierte über das Verfahren der Marktüberwachung, auftretende Probleme und gab für verschiedene Fälle Hinweise und Lösungen. Er bat die Unternehmen um Einhaltung der Bedingungen der werkseigenen Prüfkontrolle.

Frank Pohle gab aktuelle Anmerkungen zu den Produktgruppen porosierte und dichtergebrannte grobkeramische Bauprodukte. Der Vortrag ging u.a. auf den derzeitigen Stand bei der Musterbauordnung, der Landesbauordnung, der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen sowie der Bauprodukteverordnung ein. Auch die derzeit stattfindende Aktualisierung von deutschen und europäischen Normen wurde beleuchtet.

Dipl.-Ing. Alexander Freyburg, MFPA, diskutierte Lehmbauprodukte als ungebrannte Alternative für Ziegelhersteller. Lehm habe größeres Potenzial als allgemein vermutet. So gebe es im Jemen achtgeschossige Gebäude aus Lehmstein. Auch in Deutschland sei Lehmbaustoff verbreiteter als gedacht. Lehmsteine bilden in rund 200.000 Gebäuden aus dem 18. und 19. Jahrhundert das tragende Element. Freyburg ging auf die entsprechende DIN 18945 ein und gab Vorschläge zur Lehmbaupraxis.

Dipl.-Geologe Holger Kreth, Vorstand des Keramisch-Technologischen Baustofflaboratoriums Hamburg e. V. informierte über aktuelle Normenänderungen für porosierte und dichtergebrannte grobkeramische Bauprodukte.

Dr. Dieter Figge zog in seinem Vortag einen statisch-physikalischen Vergleich von Lehmsteinen und gebrannten Steinen.

Dr. Ralf Wagner (MFPA) diskutierte die Gestaltung funktionaler Ziegeloberflächen zur Beeinflussung des urbanen Mikroklimas und des Gebäudeenergiebedarfs (Mehr Einzelheiten in ZI 1/24, Seite 45).

Gastredner Architekt Florian Hoppe, Vorstandsmitglied des Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V., referierte über lastabtragenden Strohballenbau. Es gebe zwei verschiedene Bauweisen: Strohballen als Ausfachung im Ständerkonstruktion, wie sie in Frankreich und Deutschland existieren, und die amerikanische Weise. Diese schichte die Strohballen ziegelähnlich im Verband übereinander. Er erläuterte physikalische und normungstechnische Hürden und das Potenzial der Bauweise.

 

Abendprogramm

Im Anschluss an die Vorträge ging es zum kulturellen und gastronomischen Teil des Workshops. Auf dem Programm stand zunächst der Besuch des Museums Neues Weimar. In geführten Gruppen lernten die Teilnehmer die Dauerausstellung kennen. Dort werden, ausgehend von Friedrich Nietzsche als Vordenker Positionen der frühen Moderne in Weimar vorgestellt.

Zum Abschluss des Tages luden die Veranstalter zum gemeinsamen Abendessen ins Restaurant.

Praxis- und Vortragsblock für dichtergebrannte Baukeramik

Der dritte Programmblock am zweiten Workshoptag bestand aus einem Praxis- und einen Vortagsteil. Analog dem ersten Praxisblock gab es drei Stationen mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen: Größenbestimmung von Klinkerriemchen und Dachziegeln sowie das Bilden von Mauerwerksverbänden. Einige Teilnehmende waren überrascht von der Schwierigkeit und dem Spielraum bei der Vermessung von Dachziegeln. An der vierten Station informierte Frank Pohle, ausgehend von den Ergebnissen der praktischen Übungen, über deutsche und europäische Normen dichter gebrannter keramischer Baustoffe. Dabei ging er auf zentrale Prüfeigenschaften ein wie Rohdichte, Druckfestigkeit und Wasseraufnahme.

Den Vortagsteil begann Dipl.-Geologe Holger Kreth. Er informierte über den Stand der europäischen Normentwicklung bei Riemchen, Kanalklinkern und Dachziegeln.

Im Anschluss referierte Bauingenieur Dr. Figge zwei Themen. Zunächst ging es um Riemchen. Figge stellte die DIN 18515-xer Reihe vor und erläuterte die einzelnen Normen. Im zweiten Vortrag betrachtete er Schadensbilder. Anhand vielfältiger Beispiele aus der Bauprüfung skizzierte er typische Schäden, deren Ursachen und gab Empfehlungen zur Schadensbeseitigung und -vermeidung.

Zum Abschluss luden die Veranstalter die Teilnehmer auf eine Thüringer Rostbratwurst im sonnenbeschienen Hof des MFPA ein.

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