EurGeol Dr. rer. nat. Lutz Krakow / Dipl.- Geowissenschaftlerin Kathrin Müller

Moderne Rohstoffe für die Ziegelindustrie
Teil 2: Kaolinrohstoffe aus dem Tagebau Caminau

Die Deutsche Ziegelindustrie definiert Nachhaltigkeit als zentrales Zukunftsthema und hat Klimaneutralität bis 2050 angekündigt. Damit verlieren kohlenstoffreiche Ziegeltone wie lokale Tonmergel konsequent an Bedeutung. Als Alternative bietet sich aus fachtechnischer Sicht der Einsatz von porosierenden Kaolinrohstoffen an.

1 Geologischer Rahmen und Standort

Unweit der Autobahn A4, etwa 20 km nördlich von Bautzen befindet sich mit einer Betriebsfläche von 330 Hektar die größte zusammenhängende Kaolinlagerstätte der ehemaligen DDR. Mit der Förderung wurde im Jahr 1904 begonnen. Nach dem zweiten Weltkrieg begann unter der Firmierung VEB Kaolinwerk Caminau der großkommerzielle Abbau. Nach der politischen Wende 1990 ging das Werk in das Eigentum der Amberger Kaolinwerke Eduard Kick GmbH & Co. KG (AKW) über [1]. Die Dr. Krakow Rohstoffe GmbH ist Vertriebspartner für die Ziegelindustrie.

Gefördert werden quarzreiche Rohkaoline, die mit hochmoderner Anlagentechnik zu unterschiedlichen Schlämmkaolin-Qualitäten aufbereitet werden. Diese werden vorwiegend als Füllstoffkaoline in der Papierindustrie und in der chemischen Industrie eingesetzt. Bei der Nassaufbereitung fallen große Mengen an Sekundärrohstoffen an, die in Sedimentteichen gelagert oder wahlweise über moderne Anlagen entwässert und pelletiert werden (»1). Caminauer Schlämmkaoline werden nicht nur in Deutschland vermarktet, sondern per Bahn und Schiff weltweit exportiert.

Die geologische Entstehung des Caminauer Kaolins steht im Zusammenhang mit der Entstehung anderer, weltweit bedeutender Kaolinlagerstätten [2]. Sie ist auf eine lange globale Warmzeit in der Erdgeschichte zurückzuführen, die mit Beginn der Oberkreide vor etwa 100,5 Millionen Jahren einsetzte und ihren Höhepunkt vor rund 50,8 Millionen Jahren im Eozän fand. Die globale Durchschnittstemperatur lag bei bis zu 14 °C über dem heutigen Niveau. Danach setzte eine langsame aber stetige Abkühlung ein, die sich im Nachlassen der Verwitterungsintensität ab dem Pliozän widerspiegelt.

Nach der paläogeographischen Rekonstruktion befand sich Mitteleuropa im Eozän etwa in Höhe des 30. bis 40. Grades nördlicher Breite. Hoch bis nach Skandinavien herrschte eine üppige Vegetation mit tropischen Regen- und Bernsteinwäldern (»2). Südlich des Nordseebeckens existierte ein ausgedehntes Senkungsfeld mit großen tropischen Waldgebieten und sauerstoffarmen Kohlesümpfen, ähnlich dem heutigen Brasilien [3]. Ideale Bedingungen für die Verwitterung von Kalifeldspat und die Neubildung von Kaolinit bei gleichzeitiger Freisetzung von Alkalien und Kieselsäure gemäß der nachfolgenden Reaktionsgleichung. Zeitgleich wurden Hydroxid-Ionen aus der Atmosphäre fest in das Kristallgitter des neuen Minerals eingebaut:

4 K Al Si3O8 + 4 H2O -> Al4 [(OH)8 Si4O10] + 2 K2O + 8 SiO2

Kalifeldspat + Wasser -> Kaolinit + Alkalien + Kieselsäure

Durch stetige Infiltration und Abführung von sauren Wässern kam es über dem physikalisch zersetzten Ausgangsgestein zur Ausbildung charakteristischer Kaolinzonen. Im Tagebau Caminau ist die untere grüne Rohkaolinzone bis zu 20 m mächtig. Darüber folgt eine bis zu 35 m mächtige Schicht von hellem Rohkaolin. Eiszeitliche Sedimente decken die Schichtfolge zur heutigen Geländeoberfläche hin ab. Geologisch befindet sich der Tagebau Caminau in der Saxothuringischen Zone der Varisziden, speziell am Nordabbruch des Oberlausitzer Berglandes. Er ist Teil des Lausitzer Granodiorit-Komplexes, der ab der Cadomischen Orogenese vor etwa 650 Millionen Jahren in mehreren Intrusionsphasen gebildet wurde (»3).

2 Mineralogisch-chemische Zusammensetzung

2.1 Grüner Rohkaolin

Der in situ aus dem Lausitzer Granodiorit entstandene grüne Rohkaolin ist durch ein ausgesprochen breites und gleichförmig verlaufendes Korngrößenband gekennzeichnet, das sich vom Feinstkornbereich d < 0,002 mm bis in den Feinkiesbereich d = 2 – 6 mm erstreckt. Korngrößenmaxima liegen dabei im Schluffkorn- und Sandkornspektrum (»4a).

Mineralogisch ist der grüne Rohkaolin vergleichsweise einfach zusammengesetzt. Nach der Durchschnittsanalyse ist Kaolinit das dominante Phyllosilikat, gefolgt von innerkristallin ebenfalls nicht expansiven Mineralen der Glimmer-Gruppe. Feldspäte aus denen der Kaolinit neugebildet wurde, treten nur noch reliktisch auf. Im Rückschluss zeigt dies einen nahezu vollständig abgelaufenen Verwitterungsprozess an. Bei den unplastischen Mineralphasen ist verwitterresistenter Quarz Hauptgemengteil (»Tabelle 1).

Chemisch dominieren Silizium und Aluminium deutlich vor allen übrigen Elementen. Alkalische und erdalkalische Flussmittel fehlen fast vollständig. Eisen wird in der Durchschnittsanalyse mit 2,57 Masse-% nachgewiesen. Der Anteil an organisch gebundenem Kohlstoff beträgt im Mittel 0,10 Masse-% (»Tabelle 2).

2.2 Kaolinschluff CS 70

Im derzeit betriebenen Sedimentteich lagern 5 Millionen Tonnen von sandigem bis stark sandigem Kaolinschluff. Dieser repräsentiert das unqualifizierte Koppelprodukt der Füllstoffkaolin-Herstellung. Der Kaolinteich ist ein Musterbeispiel für Sedimentations-Differentiation. Im Bereich der Einleitstelle der Suspension dominiert Quarzsand. Mit zunehmendem Sedimentationsweg wird der Quarzsand sukzessive durch Kaolinschluff ersetzt. Für die Masse des Sediments mag ein Kornspektrum mit Maxima im Grobschluff- bis Feinsandbereich repräsentativ sein (»4b).

Gegenüber dem grünen Rohkaolin ergibt sich durch den Prozess der Korngrößen-Fraktionierung eine deutliche Erhöhung des Phyllosilikatanteils von 52 auf 78 Masse-%. Im Gegenzug wird Quarz auf 20 Masse-% reduziert. In der chemischen Durchschnittsanalyse spiegelt sich diese Phasenverschiebung in erhöhten Aluminium- und reduzierten Siliziumgehalten wider. Als sekundär gebildete Mineralphase ist Siderit akzessorisch nachweisbar.

2.3 Keramikkaolin-Pellets CPK

Alternativ zur Lagerung im Sedimentteich werden Koppelprodukte der Füllstoffkaolin-Herstellung über moderne Kammerfilterpressen entwässert, im Siebrundbeschicker pelletiert und anschließend im Bandtrockner getrocknet. Im Ergebnis resultiert ein praktisch siebkornfreier Kaolinschluff mit deutlichem Feinstkorngehalt d < 0,002 mm (»4c).

Durch Abtrennung der Siebkornfraktion besteht dieses Material mit einem Gehalt von 98 Masse-% fast ausschließlich aus Phyllosilikaten, wobei Kaolinit mit 85 Masse-% klar vor Mineralen der Glimmer-Gruppe mit 13 Masse-% dominiert. Chemisch spiegelt sich das in stabilen Aluminiumwerten von über 35 Masse-% wider. Gegenüber dem Rohkaolin ist oxidisch gebundenes Eisen auf 1,68 Masse-% reduziert.

2.4 Füllstoffkaolin-Pellets CF 78 R 

Der vorwiegend in der Papierindustrie eingesetzte Füllstoffkaolin ist durch einen signifikanten Feinstkornanteil und Korngrößenmaxima im Fein- und Mittelschluffkorn gekennzeichnet. Weniger als 5 Masse-% der Teilchen haben Korndurchmesser d > 0,02 mm (»4d). Durch intensive Nassaufbereitung und mehrfache Klassierungsschritte gelingt es, den Gehalt an Kaolinit von 32 Masse-% im Rohkaolin auf hier 89 Masse-% zu konzentrieren. Von der chemischen Zusammensetzung ist der Füllstoffkaolin weitgehend identisch mit dem Keramikkaolin. Kleinere Abweichungen zeigen sich bei den Parametern Aluminium, Eisen und dem noch geringerem Anteil an organischer Substanz.

3 Keramtechnologische Charakteristik

Trotz großer qualitativer Unterschiede weisen die hier vorgestellten Kaolinrohstoffe eine ähnliche Grundcharakteristik auf. Sie haben geringe Scherbenrohdichten und geringe Scherbenwärmeleitfähigkeiten (»Tabelle 3). Ursache ist das eigenschaftsprägende Zweischichtsilikat Kaolinit, das im Unterschied zu Dreischichtsilikaten einen hohen Anteil an OH-Baugruppen im Kristallgitter enthält (»5). Dieses Kristallwasser wird bei Temperaturen zwischen 500 – 700 Grad C frei und sorgt auf diese Weise für eine Mikroporosierung des Scherbens. Diese spiegelt sich auch in den hohen Glühverlusten wider. In traditionellen Mauerziegeltonen und Tonmergeln übernimmt freiwerdendes CO2 aus den Karbonaten oder aus organisch gebundenem Kohlenstoff diese Funktion.

Alle Rohstoffe aus Caminau weisen eine geringe Trockenschwindung auf und sind als nicht trocknungssensibel einzustufen. In Abhängigkeit von der Brenntemperatur sind die Brennschwindungen minimal bis moderat, was mit entsprechend geringen Druckfestigkeiten korreliert ist. Alle Rohstoffe haben eine hohe Feuerstandsfestigkeit und brennen nicht dicht. Sie neigen deshalb auch nicht zum blähen. Die Brennfarben sind durchweg hell bis cremeweiß.

Deutliche Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Bildsamkeit und der plastischen Eigenschaften. Während der Rohkaolin und der Kaolinschluff nur eine geringe Bildsamkeit aufweisen, sind die Schlämmkaoline durch hohe Anmachwassergehalte bei gleichzeitig hohen Ausrollgrenzen gekennzeichnet. Daraus resultieren mittelplastische Eigenschaften bei hoher Wasserbeladung. Die vorgestellten Schlämmkaoline sind prädestiniert für die Herstellung hochwärmedämmender Ziegel auf Basis karbonatfreier Massen. Praxisversuche haben gezeigt, dass ein Kaolinanteil von etwa 30 % im Versatz erforderlich ist, um absolute Spitzenprodukte mit reellen Kennwerten herzustellen.

4 Mengenverfügbarkeit und Schlussbemerkungen

Im Caminauer Kaolinwerk werden pro Jahr bis zu 600.000 Tonnen Rohkaolin gefördert und zu wertvollen Schlämmkaolin-Pellets veredelt (»6a,b). Zusätzlich lagern im derzeit betriebenen Sedimentteich 5 Millionen Tonnen Kaolinschluff. Großzügige Erweiterungsflächen für die zukünftige Kaolinförderung befinden sich derzeit in der erfolgreichen geologischen Erkundung. Die Caminauer Kaolinwerk GmbH verfügt über einen werkseigenen Bahnschluss, über den schon heute der weitaus größte Teil der Lieferungen abgewickelt wird.

Infolge sehr geringer Kohlenstoffgehalte sind die CO2-Prozessemissionen im keramischen Brand mit einer Schwankungsbreite von 0,26 – 1,09 Masse-% als minimal zu klassifizieren. Zum Vergleich: Konventionelle Mauerziegeltone und Tonmergel liegen meist zwischen 5,0 – 15,0 Masse-%. Zum Teil auch darüber. Zudem ist die Scherbenwärmeleitfähigkeit konventioneller Tonrohstoffe meist deutlich höher/schlechter. Wer es also wirklich ernst meint mit der Klimaneutralität, sollte nicht bis 2050 warten, sondern sofort handeln [5]. Innovative Unternehmen weisen der Branche den Weg.

References / Literatur
[1] Elsner, H. (2017): Kaolin in Deutschland. – 73 S., Hrsg.: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover, ISBN 978-3-943566-40-6.
[2] Störr, M. (1999): Zur Geologie und Mineralogie der mitteldeutschen keramischen Kaolin- und Tonlagerstätten. – In: Schriftenr. f. angewandte Geowiss., S. 9 - 17, Verlag der Gesellschaft für Geowissenschaften e. V., Berlin,
ISBN 3-9805627-8-7.
[3] Meschede, M. (2015): Geologie Deutschlands. – 249 S., Springer Verlag, Berlin Heidelberg, ISBN 978-3-662-45297-4.
[4] Rösler, H. J. & Blankenburg, H. - J. (1969): Lagerstätten der Steine und Erden. – 2. Lehrbrief, 3. Aufl., 165 S., Hrsg.: Hauptverwaltung Fernstudium der Bergakademie Freiberg.
[5] Geres, R., Lausen, J. & Weigert, S. (2021): Roadmap für eine treibhausgasneutrale Ziegelindustrie in Deutschland. Ein Weg zur Klimaneutralität der Branche bis 2050. – Hrsg. Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e. V., - 67 S., Future Camp Climate GmbH, München.
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