Victor Kapr

Bereit für die Zukunft – Zum Einbau zweier neuer Rauchgasfilteranlagen von Hellmich GmbH & Co. KG an einem Standort der Röben Tonbaustoffe GmbH

Am größten Klinkerstandort Deutschlands, Röbens Werke 2 und 4 in der Nähe von Bad Zwischenahn (Querenstede), hat man die Zeit größter Corona-bedingter Einschränkungen genutzt, die Produktion zukunftsfester aufzustellen. Die kompletten Abgasfilteranlagen wurden ausgetauscht. Das neue Filtersystem ist nicht nur auf eine langfristige Nutzung ausgelegt, sondern gewährt auch Anpassungsspielraum an zukünftige Normverschärfungen. Darüber hinaus ist es an die besonderen Anforderungen der Werke angepasst. Immerhin werden am Standort Querenstede pro Tag rund 200.000 Stück Normalformat produziert. Pro Jahr sind das pro Werk rund 35 Millionen Stück, insgesamt also rund 70 Mio.

In der Vorweihnachtszeit ist ZI-Chefredakteur Victor Kapr ins Werk in der Nähe von Oldenburg gefahren, um mit Röben-Geschäftsführer Ralf Borrmann, Werksleiter Steffen Hennicke und Christoph Hellmich von der Hellmich GmbH & Co. KG über Abgasnormen, Filter und Umbauten im laufenden Betrieb zu sprechen.

Gründe für den Filteranlagenwechsel

Befragt nach den Gründen für den Austausch der Rauchgasreinigungsanlagen zählt Ralf Borrmann zwei ausschlaggebende Faktoren auf. Einerseits lasse der an diesem Standort genutzte Ton sich nicht ohne eine aufwändige Abgasreinigung nutzen. Die eigene Tongrube liefere Lauenburger Ton, eine Tonsorte, die sich durch die ganze niedersächsische Ebene zieht. Charakteristisch sei das junge Alter von rund 60.000 Jahren. Die Tonbestandteile sind nur wenig verwittert, deshalb finde sich viel Organik im Ton. Darüber hinaus enthalte der Lauenburger Ton neben Fluor- und Chlorverbindungen einen sehr hohen Anteil Pyrit. Entsprechend enthalten die Rohgase beim Brand solcher Tonprodukte große Mengen Schwefel, um die 2.000 – 3.000 mg/m³ Schwefeloxide. Die Grenzwerte der TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) liegen aktuell bei 500 mg/m³.

Andererseits habe sich ein Versorgungsengpass bei dem bis dahin verwendeten Sorptionsmittel abgezeichnet. Die vor dem Umbau betriebenen Schüttschichtfilter nutzten als Sorptionsmittel ein Granulat aus Kalziumhydroxid und Kalziumkarbonat. Die Granulierung war wesentlich, denn nur mit besonders großen Oberflächen und reaktivem Material war dem erhöhten Schwefelanteil beizukommen. In Deutschland stellte dieses Sorptionsmittel nur ein Unternehmen in einer einzigen Anlage her. Nachdem diese Anlage 2018 von Elektro- auf Staubfilter umgestellt wurde, konnte die Prozesstemperatur zum Trocknen des Granulats nicht mehr erreicht werden. Mit der resultierenden Materialqualität waren die Grenzwerte in Querenstede nicht mehr einzuhalten. Alternative Sorptionsmittel bzw. Granulate standen in der benötigten Menge nicht zur Verfügung und waren vergleichsweise teuer, berichtet Borrmann. Also musste mittelfristig eine neue Methode zur Abgasreinigung eingerichtet werden.

 

Entscheidung für Schlauchfilteranlage von Hellmich

Gemeinsam mit der Hellmich GmbH & Co. KG - Rauchgasreinigung und Entstaubungstechnik aus Kirchlengern habe man sich, erzählt Borrmann weiter, über Lösungen beraten. ­Christoph Hellmich habe als langfristig funktionsfähigen Ersatz eine Schlauchfilteranlage vorgeschlagen. Diese Anlagen kommen zum Einsatz, wenn eine Schüttschichtanlage bei hohen Rohgaswerten an die Leistungsgrenze stößt. Das Flugstromverfahren mit anschließender Filtration erlaube es, hohe SOx-Konzentrationen bei gleichzeitig hohen Chlor- und/oder Staubkonzentrationen abzuscheiden, ebenso wie Fluorwasserstoff. Mit Blick auf die Zukunft des Standortes habe man sich bei Röben dann entschieden, die Rauchgasreinigungsanlagen beider Öfen, im Werk 2 und Werk 4, auszutauschen. Der Auftrag wurde im Dezember 2019 vergeben.

 

Installation

Die Installationsphase der neuen Anlage war sehr anspruchsvoll, so Borrmann. Denn der Umbau fand während des laufenden Produktionsbetriebes statt. Das hänge mit der Unternehmensphilosophie von Röben, dass die Öfen möglichst nicht abgestellt werden, zusammen. So liefen beide Werke ununterbrochen seit 2008. Davon wurde auch in der Phase der Hochkonjunktur 2020 und 2021 nicht abgewichen. Die daraus resultierenden Herausforderungen fasst Borrmann so zusammen: „Das ist, als wenn man den Katalysator und die ganze Auspuffanlage seines Autos während der Fahrt auf der Autobahn auswechselt.“

Besonders die Sicherheit des Personals habe ihm manche schlaflose Nacht beschert. Um die Gefahrenlage zu reduzieren und zu vermeiden, dass die Monteure direkt im Rauchgasstrom stehen, habe man für den Umbau einen Notschlot gebaut, um die Rauchgase über das Dach abzuleiten. Trotzdem sei der Einsatz herausfordernd und belastend gewesen. Bei Rauchgasen mit Temperaturen von 200 Grad waren Gasmaske und Schutzausrüstung unabdingbar. Für den Ausbau der Rohrleitungen und das Verlegen der neuen Anschlüsse wurden lediglich die Brenner ausgeschaltet und der Schub angehalten. Ausdrücklich lobt Borrmann deshalb den Einsatz von Christoph Hellmich und dessen Monteuren wie auch der eigenen Mannschaft: „Das war eine tolle Leistung. Echt Chapeau.“

Die erste Anlage in Werk 2 wurde im Dezember 2020 in Betrieb genommen, Anlage 2 in Werk 4 im Mai 2021.

 

Leistung und Beschreibung der neuen Anlage

Auch über die Anlagen von Hellmich ist Borrmann voll des Lobes. „Die sind von der Technologie her top und lassen sich auf 10 Milligramm genau fahren.“ Steffen Hennicke ergänzt, dass das neue Sorptionsmaterial, reines Kalziumhydroxid, viel effektiver bei der Abscheidung von Schwefel sei. Die Filterung nach dem Prinzip Flugstromverfahren geschehe, indem das Material in den Rauchgasstrom eindosiert wird und dort die Schwefel-, Chlor- und Fluorteilchen bindet. Der Strom aus Bindemittel und gebundenen Partikeln gehe dann in die Schlauchfilter, wo es als Reaktionskalk abgeschieden werde.

Die Details der Betriebsweise erläutert Christoph Hellmich: Bei der hier installierten Schlauchfilteranlage handelt es sich um eine Variante, wo nur Kalkhydrat (Ca(OH)2) in trockenem Zustand mittels einer frequenzgeregelten Dosierschnecke zudosiert wird. Damit lassen sich Schwefelemissionen bis 1200 mg/m³ einfangen. Auch Chlor lasse sich so gut filtern.

Allerdings erfordere der Standort in Querenstede mit im Durchschnitt 2.400 mg/m³ und in Einzelfällen bis zu 3.000 mg/m³ Schwefel im Abgas eine deutliche höhere Abscheideleistung. Deshalb weise das System zwei Besonderheiten auf. Erstens werde das Sorptionsmittel bis zu 80 Prozent mittels Rückführung des aufbereiteten Materials in einem Kreislauf gesättigt. Zweitens werde die Reaktionsfähigkeit des Sorptionsmittels durch eine Konditionierung erhöht. Das im Kreis gefahrene Material wird aus der Anlage herausgefahren und in eine Mischtrommel geführt. Mit eingedüstem Wasser wird ein feuchtes, puderiges und warmes Sorptionsmaterial mit hoher Reaktionsfähigkeit erzeugt. Das Verfahren balanciert sich in Abhängigkeit von der Menge eingefahrenen Frischmaterials und in der Filteranlage ankommender Stäube.

Die zentrale Herausforderung sei jedoch, dass ein solches System zuverlässig und stabil laufe. Deswegen habe man, so Hellmich, einen vor 20 Jahren selbst entwickelten und seitdem modifizierten Durchlaufmischer mit Konditionierung eingesetzt. Dieser arbeite mit bestimmten Mengen und erlaube voraussagbare Leistungswerte. Verdoppeln sich der Volumenstrom oder die abzuscheidende Schadstoffmenge, könne man einfach die Anzahl der Mischer verdoppeln. In Querenstede habe man deshalb vier Durchlaufmischer installiert.

Damit das Material im Flugstrom mitgenommen wird, muss eine Mindestgeschwindigkeit von mehr als 20 m/s für stabiles Laufen erreicht werden. Ändert sich die Schubleistung des Abgasstroms, bspw. durch ein anderes Fahren des Ofens, lässt sich dies durch Rückführung eines Teils des Abgases kompensieren und die Mindestgeschwindigkeit einhalten.

Deshalb sind die zentralen Parameter für die Rauchgasreinigung, wie Werksleiter Hennicke ergänzt, Schubgeschwindigkeit, also die Menge an Rauchgas pro Zeiteinheit, und das Brennverfahren, also die Menge an Schadstoffen. „Zur Anpassung an veränderte Parameter variieren wir die neu zudosierte Menge Sorptionsmittel. Wenn ich beispielsweise weiß, dass ein leichterer Abbrand bevorsteht und die Schubgeschwindigkeit runtergeht, regele ich die zugegebene Menge drei oder vier Tage vorher herunter. Das passiert in Kilogrammschritten. Genauso fahren wir auch frühzeitig hoch, um Übersättigung zu vermeiden.“

Borrmann ergänzt: „Diese Anlagen erfordern wesentlich mehr Aufwand. Bei den früheren Fluor-Kaskaden war es einfacher. Das Sorptionsmittel ist einfach durchgerieselt, wir mussten lediglich darauf achten, dass die Vorratsbehälter gefüllt sind. Die jetzige Anlage verbraucht mehr Strom und auch Wasser, was der Druckdifferenz und der hohen Abscheideleistung geschuldet ist. Eine fachkundige Person wird benötigt, die sich um die beiden Anlagen kümmert.“

Im Gegensatz dazu sei die Entsorgung des ausgeschiedenen Reaktionskalks sehr einfach. Dieser sei als Dünger einsetzbar, von Landwirtschaftskammer und Gewerbeaufsicht als Düngemittel anerkannt und werde regelmäßig von der LUFA Nord-West geprüft. Röben arbeite mit einem ­Lohnunternehmer zusammen, der das feine Pulver zur Düngeverwendung aufbereitet.

Im Vergleich mit der alten Filteranlage sei der Mittelbedarf deutlich geringer. Man verbrauche jetzt pro Ofen ca. 2,5 Tonnen Sorptionsmittel am Tag bzw. 910 Tonnen im Jahr, insgesamt also rund ca. 1.820 Tonnen. Mit der alten Anlage habe der Sorptionsmittelverbrauch bei 4.000 bis 5.000 Tonne pro Jahr gelegen. Außerdem gebe es für das benötigte Kalkhydrat mehrere Lieferanten, so dass die Versorgung gesichert sei. Allerdings sei Kalkhydrat deutlich teurer als das vorher eingesetzte Granulat.

 

Besonderheiten des Werks in Querenstede

Borrmann ergänzt: „Es ist anfangs nicht ganz einfach gewesen, die Anlage an den hier stattfindenden speziellen, reduzierenden Brand einzustellen.“ Der Ofen weise ein recht kompliziertes Verhalten auf. Der Brand erfolge mit lokal reduzierender Atmosphäre. In der Zeit der Reduktion werde die Prozessluft in der Reduktionszone stationär gehalten, um Farbeffekte zu erzeugen. Um über den Ofenwagenquerschnitt ein bestimmtes Farbspiel zu erreichen, mache man etwas Besonderes: Man brenne zwar über den ganzen Ofenwagen reduzierend, könne aber mittels der Fahrweise einen oder zwei Stapel oxidierend brennen. „Deswegen müssen wir den Druck der Rauchgaszüge sehr stabil halten. Das ganze System ist hochsensibel, da muss alles perfekt passen. Denn der Ofen bestimmt den Prozess, der Schlauchfilter darf die Fahrweise und den Ofenbetrieb nicht beeinflussen. Das war sowohl für uns als auch die Firma Hellmich eine Lernkurve.“

 

Kosten

Die Gesamtkosten für beide Anlagen lagen bei insgesamt ca. 5 Mio. €. Neben Lieferung sind darin enthalten die Installation, der Abriss der alten Anlagen, Fundamente sowie die Peripherie. Zum Vergleich erläutert Hellmich, dass die Kosten der früher verwendeten Technik der Fluorkaskade nur rund ein Drittel betragen. Allerdings könne eine solche Anlage die Schadstoffkonzentration in Querenstede nicht bewältigen.

Bewertung

Borrmann betont, dass die neue Anlage die einzige Möglichkeit darstellte, die Abgasgrenzwerte des Werkes stabil einzuhalten und auch zukünftige Grenzwertreduzierungen sicherzustellen. „Von der Funktionsweise und dem Prinzip her sind wir sehr zufrieden. Für mich als Hauptverantwortlichen ist es am besten, dass ich von einer Anlage kaum etwas höre. Wenn die Anlage störungsfrei läuft, bin ich zufrieden.“ Werksleiter Hennicke ergänzt: „Natürlich muss man sich am Anfang mit einer neuen Anlage auf andere Schaltpunkte und Beschleunigungswerte einstellen. Aber das haben wir in sehr guter Zusammenarbeit schnell und gut gelöst.“

 

Weitere Klimaschutz-Maßnahmen bei Röben

Die neue Abgasfilteranlage füge sich, so Borrmann, in die laufenden Klimaschutz-Maßnahmen bei Röben ein.

Seit 2012 betreibe man erfolgreich Energiemanagement. Anfangs habe man vor allem die Anlagen und deren Stromverbrauch optimiert. Jetzt versuche man, verfahrenstechnische Prozesse effizienter zu gestalten und die Abwärmemengen zu nutzen. Der danach folgende Schritt werde die Betriebsmassen betreffen. Der Eigenton im Querenstede sei für ein Drittel der CO2-Kosten verantwortlich. Deshalb sei man schon auf der Suche nach kalk- und kohlenstofffreien Tonressourcen. Das könne, so ergänzt Hennicke, den Rauchgasreinigungsbedarf sogar noch verringern. Vor diesem Hintergrund sei die neue, flexibel einstellbare Rauchgasfilteranlage besonders zukunftsfest, betont Borrmann.

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