Ein Blick in den letzten Rheinischen Ringofen im Gillrath Ziegel- u. Klinkerwerk
Wer mit dem Auto auf der A46 von Osten kommend zu Gillrath Ziegel- u. Klinkerwerk GmbH & Co. KG. in Erkelenz möchte, muss kurz vor dem Braunkohletagebau Garzweiler aufpassen, sich auf der rechten Spur zu halten. Im anderen Fall führt der Streckenverlauf unweigerlich auf die A44 und zu einem zehnminütigen Umweg. Das passiere jedem zweiten Besucher, erzählen die beiden Geschäftsführer Marcus und Bastian Gillrath der verspätet zum Werksbesuch eingetroffenen ZI-Redaktion. Warum sich die Nähe zum Tagebau auch lohnen kann, wie es dem Familienunternehmen gelingt, die Wohnungsbauflaute gut zu überstehen, wie es Ziegel aus Erkelenz in die Welt schaffen, und was Physiotherapie damit zu tun hat, erfahren Sie im folgenden Werksbericht.
Familienunternehmen
Das Familienunternehmen besteht seit mehr als 150 Jahren. Erstmals Erwähnung findet die Gillrather Ziegelherstellung im Jahr 1866. Die Ringofenziegelei, die bis heute betrieben wird, wurde 1893 gebaut. 1994 übernimmt Heinz Gillrath die Geschäftsführung. Knapp 20 Jahre später steigen seine Söhne in das Familiengeschäft ein. Bastian Gillrath, studierter Keramik-Ingenieur, leitet das Werk und Marcus Gillrath, studierter Betriebswirt, leitet Verlauf und Marketing.
Das Werk
Auf dem Werksgelände steht alt neben neu. Der Ringofen ist an seinen ältesten Stellen über 130 Jahre alt, das Hallendach darüber wurde nach einem großen Brand 2009 neu errichtet. Im Rahmen der Möglichkeiten investiere man, so Bastian Gillrath, kontinuierlich und mit Augenmaß in das Werk. 2014 habe man eine gebrauchte Wasserstrichpresse angeschafft, 2018 das Bürogebäude errichtet. Die Sanierung des Kamins, der innen stark durch das im Ofen verwendete Salz angegriffen ist, sei aktuell in Planung. Die obersten elf Meter sollen ab- und mit Fertigteilelementen wieder aufgebaut werden. Die Kaminsteine produziere man selbst und lasse sie bei einem Unternehmen in Fertigteilelemente setzen.
Es gebe auch viele alte Maschinen, die aufgrund guter Wartung und Pflege noch anstandslos laufen. Mit denen mit größter Sorgfalt umzugehen, darauf legen die Geschäftsführer bei ihren Mitarbeitern großen Wert. Ebenso darauf, dass der Betrieb sauber gehalten wird. Bei der Führung durch das Werk und die einzelnen Stationen war das zu sehen.
Besonders beeindruckend war, die Arbeit im Ringofen zu beobachten. Das Feuer wandert entgegen der Uhrzeigerrichtung. Bei 40 Grad Hitze fahren Mitarbeiter auf dafür auf dem Sandboden ausgelegten Blechplatten Wägen mit Rohlingen in eine Ofenkammer, die auf der dem Feuer abgewandten Seite in Feuerrichtung liegt. In drei Minuten setzen zwei Arbeiter eine Wagenladung von 120 getrockneten Ziegel präzise in den Besatz. Das ist nicht trivial, die Ziegel müssen in einer bestimmten Anordnung stehen, um Standfestigkeit, optimale Durchströmung und vertikale Kanäle zur Kohleschüttung zu schaffen. Dabei herrscht konzentrierte, aber gute Stimmung, es werden Witze erzählt und gelacht. Zur selben Zeit entnehmen andere Mitarbeiter die fertig gebrannte und abgekühlte Ware aus der rechterhand benachbarten, im Rücken des wandernden Feuers liegenden Kammer.
Das ist eine belastende körperliche Arbeit, jeder Setzer handhabt täglich mehrere tausend rund drei Kilogramm schwere Ziegelsteine. Gillrath hat dafür ein festes Team und kümmert sich um dessen Gesundheit und die Erhaltung der Arbeitskraft. Dazu bietet das Unternehmen präventive und therapeutische Maßnahmen wie Physiotherapie und Massage an.
Interessant ist auch der Gang über den Ofen. Über jeder Kammer befinden sich Löcher in der Decke, um je nach Bedarf und Arbeitsphase erdgasbefeuerte Brennerlanzen, Schüttkörbe mit einem Gemisch aus Kohle und Sägespänen oder Lampen zum Be- und Entladen in die Kammer einzusetzen.
Aktuelle Situation am Markt
Mit der Geschäftslage sind die Brüder verglichen mit den Marktverhältnissen in der Branche zufrieden. Die Nachfrage sei ganz gut und ziehe wieder an. Der Export gestalte sich etwas wechselhafter. Im vergangenen Jahr durch viele hochwertige Projekte im Ausland getrieben, entwickele er sich in diesem Jahr leicht rückläufig. Das habe man aber durch andere Märkte kompensieren können. Insgesamt ist der Export nach Australien, USA, und Großbritannien ein wichtiges Standbein.
Ein weiteres wichtiges und aktuell festes Standbein ist der Projektbau, besonders öffentlicher Hochbau und Büroprojekte. So sichert ein laufendes Projekt im Hamburg derzeit die Grundauslastung des Werkes.
Im Segment Wohnen, berichtet Marcus Gillrath, habe der Markt für Einfamilienhäuser, nach einem Tiefpunkt im vergangenen Jahr, nicht nur für gehobene Objekte, sondern in der Breite wieder an Fahrt gewonnen.
Produkte und Vertrieb
Auf die Frage, wie es Gillrath gelingt, auch in der schwierigen Phase seit 2023 gut über die Runden zu kommen, verweisen die Geschäftsführer auf die sehr breite Aufstellung in öffentlichem Hochbau, Sanierung, Projekten und Gewerbebauten. Auch strategische Vertriebsentscheidungen, das Festhalten am Ringofen und Markttrends spielen eine Rolle.
Renaissance des Klinkers
In den vergangenen zehn Jahren haben sie, erläutert Marcus Gillrath, von einer Renaissance des Klinkers profitiert. Anfang der 2000er wurde noch sehr viel mit Putz gearbeitet, das habe sich deutlich geändert. Dazu haben auch Architekten mit der Entwicklung neuer Einsatzmöglichkeiten und einer Erweiterung der gewünschten Farbpalette beigetragen.
Kooperation mit Janinhoff
Gerade das erfolgreiche Auslandsgeschäft verdanke sich einer in der Branche einzigartigen Vertriebskooperation mit der Janinhoff Klinkermanufaktur in Münster. Im Jahr 2009 hatte Heinz Gillrath die Idee einer Vertriebsgemeinschaft an Hubert Foyer, Geschäftsführer von Janinhoff, herangetragen. Der stimmte zu. Seitdem kooperieren die beiden Unternehmen einvernehmlich und auf Augenhöhe. Das Ergebnis ist ein starkes Vertriebsnetzwerk im In- und Ausland. Bastian Gillrath ist besonders stolz auf ein Hochhausprojekt in Manhattan, das sie gemeinsam mit Janinhoff beliefert haben.
Fokus auf Projektarbeit
Der Fokus auf Projektarbeit verdankt sich ebenfalls Heinz Gillrath. Nachdem das in den 90ern sehr gut laufende Einfamilienhausgeschäft Anfang der 2000er stark nachgelassen hatte, setzte er auf Projektarbeit und Zusammenarbeit mit Architekten. Zu Beginn wurden kohlegebrannte und traditionell hergestellte Klinker für besondere Projekte nachgefragt. Für die Restaurierung vieler Gebäudeabschnitte des Weltkulturerbes Zeche Zollverein bspw. hat Gillrath Klinker, jeweils dem Altbestand angepasst und den Auflagen des Denkmalschutzes entsprechend, hergestellt. Projekte mit großer Strahlkraft, wie beispielsweise das von Meck Architekten entworfene und 2008 fertiggestellte Pfarrzentrum Sankt Nikolaus in Neuried, halfen dem Unternehmen, sich im Projektbereich zu etablieren.
Großprojekte mit Klinkern in gleichbleibender Material- und Farbqualität zu beliefern, habe ihnen, so Bastian Gillrath, keiner zugetraut. Im Ringofen sei eine präzise Serienproduktion nicht leicht. Viele Projekte in den vergangenen Jahren belegen, so Marcus Gillrath, dass sie es trotzdem schaffen. Für das letzte große Projekt der Wüstenroth-Versicherung haben sie in drei Jahren rund 1,5 Millionen Klinker geliefert, 12.000 Tonnen pro Jahr.
Produkte
Gillrath stellt keine baukeramische Standardware her, sondern Premiumprodukte. Durch den Ringofenbrand erhalten die Ziegel eine besondere Haptik und Farbe und kleine Unregelmäßigkeiten, die jeden Stein zum Unikat machen. Die Verwendung von Kohle, Salz und anderem erlaube vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Auch leichte Verformungen durch absichtliches Überschreiten des Sinterpunktes sind möglich. Darüber hinaus können sie auf abweichende Kundenwünsche flexibel eingehen. Schließlich erlaube der Ringofen, originalgetreue Baustoffe für denkmalgerechte Sanierungen herzustellen.
Daneben spielen Produktinnovationen eine wichtige Rolle. Dazu gehören zum einen besondere Formate, wie exklusive oder ganz lange Steine wie ein Klinker mit 49 cm Länge. Auch Keramikschindeln, die nicht vermörtelt, sondern an einem Aufhängesystem komplett rückbaubar installiert werden können, erfreuen sich enormer Nachfrage.
Grüne Transformation
Ausgangspunkte
Bei Gillrath sind sie sich im Klaren über den Handlungsdruck, die Herstellungsverfahren klimaneutral zu gestalten. Marcus Gillrath erläutert, dass auf das Unternehmen, wenn es ganz schlecht laufe, im Jahr 2028 durch den CO2-Preis Mehrkosten von einer halben Million Euro zukommen könnten. Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz und Emissionsverringerung stehen deshalb weit oben auf der Liste.
Erschwerend kommt hinzu, dass klimafreundliche Lösungen jeweils zum Unternehmen passen müssen. Im Falle Gillraths bedeutet das, den Betrieb des Ringofens und die Nutzung von Kohle zu erhalten. Denn der Erfolg des Unternehmens beruhe maßgeblich auf den damit geschaffenen besonderen Ziegeln. Dieses auch fühlbare Merkmal möchte man unbedingt behalten, betont Bastian Gillrath.
Mit Auge und Maß
Als mittelständisches Familienunternehmen zählt, betont Marcus Gillrath, am Ende immer die Wirtschaftlichkeit. Im Vorfeld einer Investitionsentscheidung investieren sie deshalb lieber etwas mehr in Untersuchungen.
Zunächst gehe es darum, mit Erdgas, mit dem der Ofen beheizt wird, effizienter zu arbeiten. Der Plan für die nächsten Jahre sei, so Marcus Gillrath, alle Prozesse außerhalb des Ofens so optimal wie möglich zu steuern und, wo möglich, zu elektrifizieren. Aktuell investiere Gillrath im großen Umfang in Mess- und Regelungstechnik in den Trockenkammern. Mit dem Unternehmen Instalat laufen vertiefende Untersuchungen zum Einsatz von Wärmepumpen in Kombination mit einer Nutzung der Abwärme aus dem Ringofen. Eine KWK-Anlage ist bereits vorhanden.
Beim Ofen warten sie die technische Entwicklung ab, um zu sehen, was sich als gangbarer Weg herausstellen wird. Wasserstoff als Erdgassubstitut habe man bereits wegen zu geringer Dichte ausgeschlossen. Elektrische Wärmeerzeugung scheide wegen der dadurch sich ändernden Produktqualität und -farbe aus.
Ein klimaneutrales Gas, bspw. Synthese- oder Biogas, wäre eine mögliche Alternative zum Erdgas, erläutert Marcus Gillrath. Insbesondere, wenn sich dies mit einer anschließenden CO2-Abscheidung verbinden lasse. Er verfolge die Forschung in dieser Richtung genau. Schließlich könnte abgeschiedenes CO2 bzw. Kohlenstoff auch ein verwertbares Nebenprodukt sein.
Kohle
Eine besondere Hürde stellt die Kohle dar. Verglichen mit anderen aktiven Ringöfen in Deutschland fahre Gillrath zwar mit dem geringsten Kohleanteil. Die Beigabe entspricht nur fünf Prozent des Gesamtbrennstoffes, der primäre Brennstoff ist Erdgas. Doch spiele Kohle für Farbeffekte eine sehr wichtige Rolle und sei nur schwer zu ersetzen, erklärt Bastian Gillrath. Mit dem Einsatz von Holzpellets können sie bereits jetzt rund 50 Prozent Kohle einsparen.
Erneuerbare Energie
Die Energieeffizienz steigernde Maßnahmen würden kontinuierlich durchgeführt, das Ziel sind jährlich acht Prozent. Energiemanagementsysteme kommen auch langsam zum Einsatz. Die bestehenden PV-Anlagen werden teils für den Eigenbedarf und teils zur Einspeisung genutzt. Die Zahl der Anlagen und der Selbstverbrauchsanteil sollen steigen. Bereits jetzt stelle man am Standort rund die Hälfte des benötigten Stroms selbst her.
Einen Joker stellt der Tagebau Garzweiler dar. Der Betreiber RWE verfolgt dort Pläne für PV- und Windkraftanlagen. Es könne gut sein, dass in wenigen Jahren ein Großanbieter für grünen Strom vor dem Werkstor sitzt.
Wiederverwendung
Ein anderer, bereits erfolgreich laufender Ansatz zur Effizienzsteigerung ist die Wiederverwendung von Klinkern. Gillrath arbeitet mit einem Abbruchunternehmen zusammen, das Abbruchziegel zur Wiederverwendung in Hybridsortierungen und Ziegelbruch als Zuschlagstoff für neue Ziegel zur Verfügung stellt. Dieses Granulat ersetze bis zu 50 Prozent Primärrohstoffe in neuen Ziegeln. Das schont die eigene Tongrube und reduziert den Energiebedarf beim Trocknen und Brennen. Bastian Gillrath berichtet von einem Versuch mit 55 Prozent Recyclingmaterial, der das Verfahren auf die Spitze getrieben und Ziegel in Klinkerqualität erzeugt hat.
Zur Qualitätsabsicherung fand ein Projekt mit Professor Dr. Pascal Seffern von der Hochschule Koblenz und einem Bachelor-Studenten statt. Im Ergebnis standen Erkenntnisse über Rezepte und Parameter, u.a. lässt sich mit einem Teil Mörtel-Anhaftungen an den Abbruchziegeln eine höhere Druckfestigkeit erzielen.
Personal
Die Brüder Gillrath sind mit ihrem Stammteam sehr zufrieden. Die meist langjährigen Mitarbeiter arbeiten auch unter großer Belastung zuverlässig. In den vergangenen Jahren wurde eine mittlere Führungsebene über den Vorarbeitern eingeführt, um die Geschäftsführung zu entlasten. Das funktioniere sehr gut, der Betrieb laufe jetzt auch unabhängig von deren Anwesenheit.
Bastian Gillrath hebt das außerordentlich hohe Maß an Kommunikation im Werk hervor. Aufgrund der Produktvielfalt müssten sie häufig und viel über Kundenwünsche, Verfahren und Abläufe sprechen. Da habe sich die mittlere Führungsebene bewährt.
Das Nachbesetzen freie Stellen gestalte sich teils sehr schwierig. Für Fachstellen wie Schlosser finden sich noch Bewerber. Dabei helfe es, dass Gillrath ein Tarifunternehmen sei und u.a. mit guter Bezahlung, familiärer Atmosphäre und kurzen Entscheidungswege punkten könne. Dagegen sei es sehr schwierig, für die Akkordarbeit mit Ziegeln im Ringofen unter massiver Hitzeeinwirkung neues Personal zu finden. Die Tätigkeit sei angelernt, erfordere keinerlei Ausbildung, lediglich Bereitschaft zu körperlicher Arbeit und werde relativ sehr gut entlohnt. Doch auf dem freien Arbeitsmarkt finde sich niemand, der „Steine schleppen möchte“. Gillrath hat einige Ukrainer als Mitarbeiter gewinnen können. Vermittelt durch ein Programm der Bundesagentur für Arbeit arbeiten auch Georgier für mehrere Monate im Jahr im Werk.
Brenneranlage und -steuerung von Instalat
Der niederländische Spezialist für Öfen, Brenner- und Steuerungsanlage Instalat hat seinerzeit eine neue Erdgasbrenneranlage inklusive Steuerung über Programmgeber an Gillrath geliefert. Beim Ringofen verläuft das Feuer umlaufend. Dafür ist eine zentrale Gassicherheitsgruppe installiert, die über eine Ringleitung in der Mitte des Ofens die insgesamt 48 Gasregelgruppen versorgt.
Insgesamt gibt es sechs Temperaturregelgruppen im Feuerbereich verteilt über 10 Brennerreihen je 4 Brenner. Die Brennerreihen werden zeitlich versetzt von hinten nach vorne positioniert, sodass das Feuer kontinuierlich nach vorne wandert. Auch die Thermoelemente werden entsprechend versetzt.
48 Gruppen mit 40 Mobilen Brennerlanzen:
Anzahl Brennergruppen gesamt: 48 Stück
Anzahl Brennergruppen Betrieb: 6 Stück
Anzahl Brenner pro Gruppe: 4 -12 Stück
Anzahl Brenner gesamt: 40 Stück
Brennerkapazität: Volllast / aus pro Gruppe = 4 Brenner
Brennerlochdiameter: 150 mm
Gesamte Anlage: EN 746-2
