Horizon 2020 – 80 Mrd. € für europäische Forschung und Innovation
Europa muss entschlossen handeln, um die Finanz- und Wirtschaftssysteme kurzfristig zu stabilisieren und gleichzeitig Maßnahmen ergreifen, um die wirtschaftlichen Chancen für die Zukunft zu sichern. Lebenswichtig sind intelligente Investitionen vor allem in Forschung und Entwicklung. Nur so scheint es möglich, den hohen Lebensstandard zu halten und die gesellschaftlichen Herausforderungen wie z.B. Klimawandel, eine immer älter werdende Bevölkerung, Sicherung von Arbeitsplätzen unter dem Gesichtspunkt einer ressourcen- und energieschonenden Produktion zu realisieren.
Die Europäische Kommission (EK) bringt derzeit wichtige Strategieentscheidungen voran. Sie hat vorgeschlagen, unter dem Stichwort Horizon 2020, ein Programm mit 80 Mrd. € Fördermitteln für Forschung und Entwicklung auf den Weg zu bringen. Mit den Mitteln, die von 2014 bis 2020 fließen sollen, gilt es, herausragende wissenschaftliche Themen, industrielle Zukunftsthemen und die Lösung sozialer Herausforderungen wie sichere, saubere und effektive Energieherstellung, Klimaschonung, Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit beim Einsatz von Rohstoffen zu fördern.
Am 30. Mai fanden in Brüssel zwei interessante Veranstaltungen zu diesem Thema statt:
› Das European Parliament Ceramics Forum (EPCF) hatte unter Leitung von Malcolm Harbour (MEP) und Michael Cashman (MEP) zu einer Informationsveranstaltung in das Europäische Parlament eingeladen. Hier berichteten Experten über die „Bedeutung einer effektiven EU-Strategie“, um Wachstum und Innovationen zu stärken. Vertreter der Keramikindustrie Europas stellten anschließend Trends und Chancen unserer Industrie dar
› In einem anderen Rahmen widmete sich Cerame-Unie (European Ceramic Industry Association) der Darstellung von Programmschwerpunkten und ihrer Relevanz für die keramische Industrie. Ebenso wurden Ideen zur strategischen Herangehensweise entwickelt, wie man an die Mittel gelangen kann. Für die Keramikbranche sind besonders zwei Programmkomplexe interessant:
1. Sichere, saubere und wirtschaftliche Energie: gefördert mit 5,782 Mrd. €
2. Klimaschutz, Ressourcen-effizienz und Rohstoffeffizienz: gefördert mit 3,16 Mrd. €
Um an Teile dieses Geldes zu kommen, bedarf es einer gemeinsamen Aktion der europäischen Keramiker. Die gesamte europäische keramische Industrie hat im Jahr 2011 einen Umsatz von rund 28 Mrd. € realisiert – etwa genauso viel, wie die Deutsche Lufthansa allein. Dazu kommt, dass sich die keramische Branche noch in acht Gruppen aufsplittert: Wand- und Bodenfliesen, Technische Keramik, Geschirr, Sanitär, Brennhilfsmittel, Steinzeugrohre, Dach- und Mauerziegel sowie Schleifmittel. Die Ziegelindustrie hat daran einen Anteil von rund 21 %. Bei realistischer Betrachtung wird recht schnell klar, wie gering der Einfluss unserer Industrie auf europäischer Ebene ist, wenn hier jeder einzeln startet.
Cerame Unie hat sich konzeptionell bereits mit dieser Situation auseinandergesetzt und Ansätze für eine europäische Zusammenarbeit entwickelt. Um die Forschungsgelder nutzen zu können, benötigen wir jetzt übergreifende Projekte, die sich durch folgende Kriterien auszeichnen müssen:
› Die Projektthemen müssen „hochinteressant“ sein
› Es müssen ambitionierte Gemeinschaftsobjekte sein, die auch große Unternehmen nicht aus eigener Kraft lösen können
› Es müssen Projekte mit europäischen Partnern sein
› Projekte mit KMUs werden begünstigt
Welche Möglichkeiten haben wir, um Vorschläge zu sammeln und Projekte zu beantragen? Mit Einzelaktionen haben wir wohl keine Chance. Es müsste eine international zusammengesetzte Interessengruppe der Keramik geschaffen werden. Hier sollten sowohl Universitäten und Hochschulen als auch Forschungsinstitute und Unternehmen, Ziegelhersteller wie auch Anlagenbauer, eingebunden werden. So könnte eine europäische Plattform mit weit verzweigten Netzwerken entstehen. Projekt-ideen könnte man ebenso bündeln wie die zur Antragstellung notwendigen Informationen. Nur gemeinsam hat die Keramikindustrie Europas eine Chance, Forschungsgelder für zukunftsichernde Projekte zu akquirieren.
Dr.-Ing. Ullrich Knüpfer, Leiter Institut für Ziegelforschung Essen e.V.