EurGeol Dr. rer. nat. Lutz Krakow, Dr. rer. nat. Mathias H. Köster

Moderne Rohstoffe für die Ziegelindustrie
Teil 1: Filterkuchen aus dem Rhyolith-Steinbruch Ottenhöfen

Bis zu 20 Jahre können für die Genehmigung neuer Abgrabungen vergehen. Rohstoffe werden nicht aus geologischen, sondern gewollt aus politischen Gründen knapp. Darüber hinaus will die Deutsche Ziegelindustrie klimaneutral werden. Eine gewaltige Aufgabe. Neue Denkansätze und lukrative Lösungen sind gefragt.

1. Geologischer Rahmen und Standort

Rhyolithe sind leukokrate, also helle kieselsäurereiche Vulkangesteine mit kristalliner und zum Teil glasartiger Grundmasse. Sie bestehen vor allem aus Quarz und Alkalifeldspat. Andere Feldspäte und Glimmer wie Biotit können als Nebengemengteile auftreten. Rhyolithe wurden früher auch als Porphyre oder Quarzporphyre bezeichnet. Namen, die auch heute noch in der Literatur und im täglichen Leben verbreitet sind.

Am Standort Ottenhöfen werden seit dem Jahr 1926 Gesteinskörnungen aus verschiedenen Rhyolith-Varietäten gefördert und zu hochwertigen Rohstoffen für den Straßen- und Schienenbau aufbereitet. Als Sekundärrohstoffe werden im Zuge der Gesteinswäsche und des Waschwasser-Recyclings tonmineralische Filterkuchen gewonnen. Der Steinbruch mit dem sagenhaften Namen „Edelfrauengrab“ wird von der Wilhelm Bohnert GmbH & Co. KG betrieben und befindet sich nahe der Autobahn A5. Die günstigste Möglichkeit zur Schiffsverladung stellt derzeit der Hafen Karlsruhe dar.

Geologisch befindet sich der Steinbruch am Westrand des nördlichen Schwarzwalds und damit in der moldaunubischen Zone der Varisziden. In der Zeit des Unterperm/Rotliegend vor rund 298,9 bis vor rund 259,2 Millionen Jahren vollzog sich hier, ebenso wie in ganz Mitteleuropa ein grundlegender Wechsel von kompressiver zu dehnender Tektonik. Infolge thermischer Subsidenz kam es zur Bildung zahlreicher Sedimentbecken und Grabenbruchsysteme (»2). In tektonischen Schwächezonen verursachten aufsteigende Mantelschmelzen kontinentalen Vulkanismus mit vorwiegend andesitischen und rhyolitischen Laven. Beim Rhyolith vom Edelfrauengrab handelt es sich um eine 4 km lange und 750 m breite Spaltenfüllung innerhalb des paläozoischen Grundgebirges. Aufgrund der großen Mächtigkeit ist der Flächenverbrauch des Steinbruchs gering. Die derzeitige Abbauhöhe beträgt etwa 230 m.

Das Gebiet des heutigen Deutschlands befand sich zur Zeit des Rotliegend etwas nördlich des Äquators, vergleichbar mit dem heutigen Nordafrika. Durch Einebnung des variszischen Gebirges herrschten starke Erosion und grobklastische Sedimentation vor. Infolge der allmählichen Norddrift von Pangäa änderte sich das anfangs noch feucht-tropische Klima hin zu einem trocken-heißen Wüstenklima mit typischen eisenreichen Rotsedimenten.

 

2. Mineralogisch-chemische Zusammensetzung des Filterkuchens

Der Mineralbestand des primären Rhyoliths spiegelt sich erwartungsgemäß nur reliktisch in der mineralogischen Zusammensetzung der abgeschlämmten Feinanteile wider. Entscheidend für die mineralogischen Transformationen sind vor allem Art und Intensität der Verwitterungsprozesse, die über Jahrmillionen auf die primäre Rohstoffbasis eingewirkt haben. Daneben üben sekundäre Kluft- und Schlottenfüllungen einen entscheidenden Einfluss auf die Mineralogie der Feinanteile aus.

Der Filterkuchen Ottenhöfen weist einen Schluffkorn-dominanten Kornaufbau mit einem durchschnittlichen Feinstkornanteil von d < 2 µm = 27 Masse-% auf. Der Siebrückstand d > 63 µm liegt im Schnitt bei 7 Masse-%. Bereits ohne jede Aufbereitung entspricht die Korngrößenverteilung des Filterkuchens damit der einer enggestuften Dachziegelmasse (»3).

Mineralogisch ist der Filterkuchen durch einen signifikanten Anteil an Phyllosilikaten, speziell an kaliumreichen Dreischichtsilikaten der Glimmergruppe charakterisiert. Durch die feste Bindung der Kaliumionen an die negativ geladenen Basisflächen der Tetraederschichten wird die Expansion des Kristallgitters mit innerkristalliner Quellung weitgehend unterbunden (»4). Mengenmäßig stellen Illite mit fließenden Übergängen zu größeren muskowitischen Glimmern die dominierenden Phasen dar. Gefolgt von innerkristallin quellfähigen Illit-Smektit-Wechsellagerungen und geringen Anteilen an Kaolinit. In der Reihe der Tektosilikate tritt Quarz vor Kalifeldspat und Albit auf. Akzessorisch wird Geothit nachgewiesen. Störende Mineralphasen wie Karbonate, Sulfide oder Sulfate sind im Filterkuchen nicht nachweisbar (»Tabelle 1).

Chemisch dominieren Silizium und Aluminium deutlich vor allen übrigen Elementen. Als Flussmittel ist Kalium eigenschaftsprägend. Der hohe Kaliumgehalt resultiert mineralogisch nicht nur aus den Glimmermineralen, sondern auch aus den Kalifeldspäten. Der Anteil an organisch gebundenem Kohlstoff ist gering und beträgt im Mittel etwa 0,08 Masse-%. In Kombination mit dem gleichzeitigen Fehlen von Karbonaten resultiert beim keramischen Brand nur eine minimale CO2-Emission von 0,29 Masse-% (»Tabelle 2).

 

3. Keramtechnologische Charakteristik des

Filterkuchens

Der Filterkuchen ist frei von jeglichen störenden Grobanteilen und durch eine steifplastische bis halbfeste Konsistenz gekennzeichnet. Im Zuge der Aufbereitung muss der Filterkuchen nicht mehr energieintensiv zerkleinert, sondern nur noch homogen mit den übrigen Massekomponenten gemischt werden. In konventionellen ziegeleitechnischen Aufbereitungsanlagen ist der Filterkuchen ideal zu verarbeiten. Der Filterkuchen weist mittelplastische Eigenschaften auf und lässt sich gut verpressen. Aufgrund des begrenzten Anteils an expansiven Tonmineralen ist keine besondere Sensibilität beim Trocknen und Aufheizen zu erwarten. Im Brennprozess ist der Filterkuchen sehr reaktiv und beginnt früh zu sintern. Dies spiegelt sich in den hohen Brennschwindungen und den geringen Wasseraufnahmen des gebrannten Scherbens wider (»Tabelle 3).

Bereits bei 1.000 Grad C werden Klinkereigenschaften erzielt. Das Material neigt nicht zum Blähen, reagiert jedoch hoch sensibel auf Temperaturunterschiede im Ofen (»5). Eine erhöhte Aufheiz- und Kühlrissempfindlichkeit ist dagegen nicht gegeben. Als kohlenstoffarmer Zusatzstoff ist der Filterkuchen mit Versatzanteilen zwischen 10 und 30 Masse-% universell in der Ziegelindustrie einsetzbar. Der bevorzugte Einsatz liegt derzeit bei der Herstellung von Bodenplatten und Dachziegeln. Bei hochwärmedämmenden Hintermauerziegeln ist bei ausreichender Zugabe eine Steigerung der Druckfestigkeit zu erwarten.

 

4. Mengenverfügbarkeit und Schlussbemerkungen

Nach dem Abwurf aus der Kammerfilterpresse werden die Filterkuchen in großzügig dimensionierten Tonhallen zwischengelagert. Damit ist eine ganzjährige Liefersicherheit gewährleistet. Ebenso wird eine unkontrollierte Durchfeuchtung durch starke Niederschläge vermieden. Die langfristig verfügbare Jahresmenge beträgt derzeit nur noch etwa 10.000 t. Die angegebenen Daten stellen orientierende Richtwerte dar und können in der üblichen Art und Weise natürlichen Schwankungen unterliegen. Jegliche Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit ist ausgeschlossen. Alle Informationen sind unverbindlich.

Literatur/References
[1] Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, RP Freiburg (2020): Rohstoffbericht Baden-Württemberg 2019 Gewinnung und Sicherung von mineralischen Rohstoffen – Vierter Landesrohstoffbericht. –
LGRB-Informationen 31: 192 S., Freiburg i. Br.
[2] Geyer, O.F., Gwinner, M.P. (2011): Geologie von Baden-Württemberg, herausgegeben von Geyer, M., Nitsch, E., Simon, T. – 627 S., E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.
[3] Meschede, M. (2015): Geologie Deutschlands. – 249 S., Springer Verlag, Berlin Heidelberg, ISBN 978-3-662-45297-4.
[4] Winkler, H.G.F. (1954): Bedeutung der Korngrößenverteilung und des Mineralbestandes von Tonen für die Herstellung grobkeramischer Erzeugnisse. Ber. Dt. Keram. Ges., 31, S. 337–343.
[5] Stein, V. (1982): Die Rohstoffe der Ziegelindustrie. – In: Bender, W. & Händle, F. (Hrsg.): Handbuch für die Ziegelindustrie, Bauverlag GmbH,
S. 73–94, Wiesbaden und Berlin.
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