57. Würzburger Ziegellehrgang

Neuer Veranstaltungsort kommt gut an

Der Würzburger Ziegellehrgang 2018 verzeichnete mit rund 200 Teilnehmern einen neuen Rekord.

Da die Platzverhältnisse in der LGA dem steigenden Zuspruch nicht mehr gewachsen waren, verlegte man den Lehrgang in eine neue Tagungsstätte – in die Kolping-Akademie in Würzburg. Die Interessierten aus Ziegel- und Zuliefererindustrie, Verbänden und Forschungseinrichtungen nahmen diese gut an. Die von der LGA Bautechnik GmbH des TÜV Rheinland in Verbindung mit dem Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V. und dem Bayerischen Ziegelindustrie-Verband e.V. organisierte Fachtagung bot dem internationalen Publikum wieder ein breites Programm. Lehrgangsleiter Joachim Deppisch freute sich, nach seinem krankheitsbedingten Ausfall in 2017, nun wieder am Start zu sein. Er dankte den Programmbeiratsmitgliedern Ralf Borrmann und Eckhard Rimpel, die beim 56. Lehrgang die Moderation für ihn übernommen hatten.

Deppisch konnte dieses Mal wieder Teilnehmer aus Deutschland, Italien, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz und Spanien zum „Wissens-Basar“ der Ziegelindustrie begrüßen.

Weniger Bürokratie für mehr Wohnraum

Anton Hörl informierte die Teilnehmer in seiner Funktion als Präsident des Bayerischen Ziegelindustrieverbandes e. V. mit Ausführungen zur derzeitigen Lage der Bauindustrie in Deutschland.

Eine der größten Ursachen, „warum es in Deutschland mit dem Bau hapere“, seien die Bauvorschriften. Rund 3300 für das Bauen relevante Normen gebe es in Deutschland. Diese seien auch mitverantwortlich für die steigenden Immobilienpreise, die inzwischen einen sozialen Sprengstoff darstellen. Von den derzeit jährlich benötigten 400 000 neuen Wohnungen seien 2017 nur rund 300 000 gebaut worden – der Mangel verschärfe sich also weiter. Um hier Abhilfe zu schaffen, sei Verlässlichkeit nötig, durch Kontinuität in der staatlichen Förderung. Weitere bedeutende Faktoren seien der Fachkräftemangel und die sich ändernden Arbeitswelten. Hier sei die Ziegelindustrie gefragt, geeignete Lösungen anzubieten und auch die Verarbeiter bei der Nachwuchssuche zu unterstützen. Hörl sieht für die Ziegler drei bedeutende Schwerpunkte, denen sie sich stellen müssen: Demografie, Digitalisierung und die Energiereform. Aber auch der Arbeitsschutz müsse im Fokus der Branche stehen.

Der Würzburger Ziegellehrgang biete für diese Themen neueste Erkenntnisse und praxisnahe Diskussionen zwischen den Teilnehmern. Sein Dank galt dem Programmbeirat für die Zusammenstellung des Programms und den Sponsoren, die den Lehrgang unterstützen.

Digitalisierung und Energie – zwei Topthemen der Branche

Der erste Lehrgangstag war wieder den übergeordneten Themen gewidmet.

Bastian Pokorni, Fraunhofer IAO, zeigte den Teilnehmern in seinem Vortrag „Produktionsarbeit der Zukunft“ auf, wie sich diese zukünftig entwickeln wird. Auch die Ziegelindustrie muss sich neuen Herausforderungen stellen. Die Megatrends als Treiber des Wandels seien der demografische Wandel, die digitale Transformation und die Globalisierung. Der zunehmende Fachkräftemangel und die Digitalisierung erfordern neue Problemlösungen. Pokorni betonte, „dass die Potenziale einer Industrie 4.0 erst durch eine partnerschaftliche Kooperation zwischen Mensch und Technik voll ausgeschöpft werden.“ Die Unternehmen sollten dabei folgende Punkte beachten:

Strategie, nicht nur Technologie bewirkt den digitalen Wandel

Inkrementelle Veränderungen reichen nicht aus

Systematische Betrachtung generiert neuen Umsatz

Start-up-Kultur zahlt sich aus

Dass das Thema Fachkräftemangel neue Herangehensweisen erfordert, betonte auch Prof. Dr.-Ing. Christian Schäffer, Hochschule Koblenz, der über „Nachwuchsförderung, duales Studium“ sprach. Er vertritt die Auffassung, dass die Ziegelwerke ihren eigenen Nachwuchs selber ausbilden müssen, da es immer schwieriger werde, diesen auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. Die Hochschule Koblenz bietet der Branche mit einem fachspezifischen dualen Studiengang hier die Möglichkeit, geeignete Bewerber aus dem eigenen Unternehmen zu qualifizieren.

Wie wichtig das Thema „Arbeitssicherheit: Prävention in der Ziegelindustrie“ ist, zeigte Dr. Isabella Marx, VBG. Sie betonte, dass die meisten Arbeitsunfälle in den Bereichen Absturz, Transport und Manipulation der Schutzeinrichtungen passieren. Leitungskräfte seien gefordert, durch u.a. Betriebsanweisungen, Gefährdungsbeurteilungen und ihre Dokumentation hier vorbeugend tätig zu werden.

Im nächsten Vortragsblock stand das Thema Energie im Vordergrund. Dipl.-Ing. Katharina Armbrecht, Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie, gab einen Überblick zum „CO2-Emissionshandel: Was erwartet die Ziegelindustrie ab 2021?“ Ihre positive Botschaft war, dass die Ziegelindustrie erneut durch eine qualitative Bewertung als Carbon Leakage gefährdet eingestuft wurde. Die Cap-Absenkung wird aber ab 2021 um 2,2 % pro Jahr erhöht, aktuell sind es 1,74 %. Über weitere wichtige Änderungen wird der Bundesverband seine Mitglieder in der nächsten Zeit gesondert informieren.

Dr.-Ing. Volker Albrecht, Energiemanagement und Consulting, sprach über „Erfahrungen bei der Re-Zertifizierung nach Anforderungen der ISO 50003“. Er betonte, dass die Ausstellung eines Zertifikates auf dem Nachweis eines funktionsfähigen Managements und der nachgewiesenen Verbesserung der energiebezogenen Leistung basiert. Letzteres muss im Audit plausibel und belastbar nachgewiesen werden, ohne die Dokumentation der Verbesserung kann kein ISO-50001-Zertifikat ausgestellt werden. Die Überprüfung von Effizienzmaßnahmen erfolgt auf Grundlage von Aktionsplänen, die im Rahmen der Zertifizierungsentscheidung beurteilt und zukünftig vom Auditor bei der Zert.-Stelle eingereicht werden müssen.

Im letzten Vortrag des Tages stellte Dipl.-Ing. Silke Sabath, IZF, die „Nutzung von Fördermöglichkeiten“ vor. Sie verwies dabei auf ein neues Programm, das erst seit Kurzem gilt und bis zu 45 % Zuschuss auf Grundlage der förderfähigen Kosten bietet. Dabei kann sich jedes Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, egal welcher Größe, bewerben. KMUs erhalten einen zusätzlichen Bonus.

Der erste Abend fand traditionell mit einem geselligen Beisammensein im Würzburger Hofbräu statt. Hier hatten die Teilnehmer ausreichend Gelegenheit, sich über die ersten Vorträge und die aktuellen Themen der Branche miteinander auszutauschen.

Vom Rohstoff bis zum Brennhilfsmittel

Die Vorträge am Mittwoch behandelten die verschiedenen Schwerpunkte bei der Ziegelproduktion.

Beginnend mit der Vielfalt der Rohstoffe, die von Dr. Lutz Krakow, Dr. Krakow Rohstoffe GmbH, in gewohnter Weise sehr informativ und lebendig dargestellt wurde, ging es weiter mit dem Thema „Standardisierte Tonmischungen“. Ralf Fichtner, Stephan Schmidt KG, präsentierte das Rohstoffangebot des Westerwälder Rohstofflieferanten und dessen vielfältige Angebote an Tonmischungen. „Was passiert, wenn ein Rohstoff von anderen Industrien entführt wird?“ zeigte Joachim Grothe, Vitreus GmbH, am Beispiel Kobalt auf, das u.a. für ein tieferes Schwarz in schwarzen Glasuren sorgt. Der sehr gefragte Rohstoff wird immer knapper und teurer. Bei Vitreus hat man deshalb nach Ersatzrohstoffen gesucht und auch bereits erste gute Entwicklungen gemacht, wie Grothe betonte.

Nach den Rohstoffen ging es weiter mit der Formgebung. „Das Energieeffizienzlabor von Tecnofiliere“ war das Thema von Dr. Marcello Beghelli, Tecnofiliere S.R.L. Er berichtete über die Entwicklung eines polymerausgekleideten Presskopfes, mit dem gute Ergebnisse hinsichtlich einer Stromeinsparung erzielt wurden. Anschließend stellte Dr.-Ing. Jens Petzold, KI Keramik-Institut Meißen, mit der Druckgussformgebung eine Möglichkeit vor, spezielle Formziegel in kleinerer Stückzahl herstellen zu können. Gerhard Müller, Hans Lingl Anlagenbau und Verfahrenstechnik, erläuterte eine „Ausschneidetechnik mittels Roboter“ anhand eines Praxisbeispiels für Schalungsziegel.

Dem wichtigen Thema Instandhaltung widmete sich Jürgen Mahler von der Firma Händle, der gemeinsam mit Hans-Jürgen Burath, Siemens AG, ein „Instandhaltungssystem der neuesten Generation“ präsentierte. Die „Zustandsüberwachung für produktionswichtige Antriebe und Ventilatoren“ zeigten Christian Gäbelein, Keratek GmbH, und Dominik Delic, Aliba Maschinenbau GmbH, auf. Neben den dafür geeigneten Lösungen des Modulsystems zeigten sie auch die Möglichkeiten und den Nutzen des Condition Monitoring auf. Der Schwerpunkt von Keller HCW war die Digitalisierung. Michael Schmitz und Wolfgang Löchte erläuterten die vom Anlagenbauer entwickelte App „KBIS“, mit der z.B. per Smartphone auf produktionstechnische Daten zugegriffen werden kann.

Am späten Nachmittag wurden zwei aktuelle Forschungsprojekte „Schwindungsbedingte Verformungen während der Trocknung“ durch Dr.-Ing. Anne Tretau, IZF, und die „Verbesserung des Wärmeübergangs im Tunnelofen“ von M. Sc. Tino Redemann, Otto-von-Guericke-Universität Magedburg, vorgestellt. Der zweite Lehrgangstag schloss mit Empfehlungen zur „Verlängerung der Lebensdauer von H-Kassetten“ durch Mario Hollmann, Refratechnik Ceramics GmbH. Neben qualitativ hochwertigen Materialien, einer konstruktiven Unterstützung der Brennkassetten durch Brennrahmen sorgen auch die Einhaltung von Toleranzen, das automatische Reinigen der Kassetten und eine regelmäßige Instandhaltung für einen langen Lebenszyklus.

Ziegel in der Anwendung

Der dritte Lehrgangstag behandelte traditionell die Anwendungsthemen.

Zuerst informierten die Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie Dipl.-Ing. Dieter Rosen, Dipl.-Ing. Juliane Nisse und Dipl.-Ing. Kai Naumann über die Schwerpunkte Dachsanierung, Wärmebrücken und schalltechnische Anforderungen. Den „Haftverbund zwischen Riemchen und Trägermaterial“ zeigte Michael Ruppik anhand verschiedener Kombinationen auf.

Zum Abschluss stellte Katrin Severins von der VDZ gGmbH den „Einsatz von Ziegel-Brechsand in der Zement-herstellung“ vor. Sie verwies auf die in einem Forschungsvorhaben gemachten positiven Ergebnisse beim Einsatz von Ziegelbruchmaterialien. Dieter Rosen betonte abschließend, dass es damit möglich sei, eine Win-win-Situation sowohl für die Zement- als auch die Ziegelindustrie zu erzielen, die damit ihre Abbruchmaterialien einer neuen Verwendung zuführen kann.

Exkursion ins Glaswerk

Rund 50 Teilnehmer nahmen am Donnerstagnachmittag die Gelegenheit wahr, das Glaswerk der Firma Nachtmann in Weiden in der Oberpfalz zu besichtigen.

In vier Gruppen ging es, beginnend von der Glasschmelzwanne, durch die Produktion. Das in den 1980er-Jahren gebaute Werk wird seit rund drei Jahren zukunftsfit gemacht und die vorhandenen Strukturen werden optimiert. In das ursprüngliche Pressglaswerk wurde eine Kelchglasfertigung installiert. Heute gibt es vier Press- und zwei Kelchglaslinien. Im Werk fertigen zwischen 350 und 400 Mitarbeiter verschiedene Produkte und Marken. „Shop-Floor-Management“ wird in diesem Werk großgeschrieben.

Die Exkursion schloss mit einem gemeinsamen Abendessen in Zeil am Main. Lehrgangsleiter Joachim Deppisch ließ es sich nicht nehmen, die letzten Tage mit einem Gedicht zusammenzufassen.

Der 58. Würzburger Ziegellehrgang wird vom 3. bis 5. Dezember 2019 stattfinden.

Anett Fischer


TÜV Rheinland LGA Bautechnik GmbH
bautechnik.lga.de
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