Lingl

Vertrauen aufbauen, Innovationen vorantreiben

Nach dem Neustart bei Lingl setzt das Management um Investor Hubert Schug auf Verlässlichkeit, Kontinuität sowie Innovationen im digitalen Bereich. Die Unternehmerfamilie Schug aus der Oberpfalz in Bayern hatte das insolvente Anlagen- und Maschinenbauunternehmen mit Wirksamkeit zum Juli 2021 übernommen. Die Familie Schug ist unter anderem auch Inhaber der Lippert GmbH & Co. KG, einem Oberpfälzer Maschinenbauunternehmen. Lippert stellt Anlagen und Maschinen für Logistik, Automatisierung, technische Keramik sowie für die Sanitär- und Porzellanindustrie her. Die ZI-Redaktion hatte Ende Juli Gelegenheit, mit dem neuen Management-Team von Lingl zu sprechen. Dazu gehören Hubert Schug (HS), Lingl-Investor und Leiter der Schug-Gruppe, Dr. Joachim Eibel (JE), Managing Director, Karl Liedel (KL), Head of Sales, sowie Winfried Hein (WH), Chief Technical Officer (CTO) bei Lippert.

ZI: Herr Dr. Eibel, welche Ursachen hatte die Insolvenz von Lingl?

JE: Lingl hatte in der Vergangenheit schon einmal eine Insolvenz zu verkraften. Die Chancen, gestärkt aus dieser Insolvenz hervorzugehen, wurden damals leider nicht genutzt. Das muss man leider so nüchtern feststellen. Es wurden viel zu große Kapazitäten aufgebaut, dadurch liefen die Fixkosten über Jahre aus dem Ruder. Dagegen investierte man zu wenig in Produkt- und Prozessinnovationen sowie in die Personalentwicklung. Lingl wurde vom Markt schlichtweg abgehängt. Dann kam auch noch Corona. Das war, wenn Sie so wollen, der letzte Nagel im Sarg.

ZI: Wie konnte Lingl gerettet werden?

JE: Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss haben sich mit dem Kauf durch die Schug-Gruppe letztlich für eine Mittelstandslösung entschieden, das Beste, was Lingl passieren konnte. Denn die Unternehmerfamilie Schug mit Hubert Schug an der Spitze ist bereits seit Jahren unter anderem beim Maschinenbauunternehmen Lippert engagiert, das ebenfalls Maschinen für die keramische Industrie fertigt. Mittelständische Unternehmer aus der Branche und nicht Finanzinvestoren haben also Lingl gerettet. Allein diese Entscheidung hat bereits viel verloren gegangenes Vertrauen wieder hergestellt.

„Unsere Kunden können sich auf Lingl verlassen!“

HS: Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz einhaken, weil mir das sehr wichtig ist. Die Schugs sind keine „Heuschrecken“, wir sind langfristig denkende Unternehmer! Deshalb bin nicht nur ich selbst Anteilseigner, meine beiden Söhne sind ebenfalls am Unternehmen beteiligt und somit ebenfalls am langfristigen Wohl von Lingl interessiert. Die Familie Schug ist derzeit das Gesicht nach außen in Richtung Kunden, Zulieferer und Finanzinstitute, um das verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Die Botschaft ist klar: Unsere Kunden können sich wieder voll und ganz auf Lingl verlassen. Dazu werden wir intern die notwendigen Fundamente schaffen. Das bedeutet, wir investieren langfristig in Prozesse, die wirklich funktionieren!

ZI: Gutes Stichwort: Was planen Sie denn konkret, damit Lingl wieder wettbewerbsfähig wird?

JE: Wir werden uns künftig auf Forschung und Entwicklung, Planung und Konstruktion sowie Einkauf und Montage konzentrieren. Die eigentliche Fertigung vergeben wir an Partner. Was nicht heißt, dass wir grundsätzlich aus der Eigenfertigung aussteigen, denn wir wollen uns natürlich eigenes Know-how erhalten. Aber Eigenfertigung wird es künftig nur noch geben, wenn wir damit auch Geld verdienen. Dazu werden wir in der nächsten Zeit neue Lieferantenbeziehungen aufbauen, und damit auch neues Vertrauen in langfristige Kooperationen, von denen alle profitieren.

„Wir erschaffen den Digitalen Zwilling!“

ZI: Das klingt unternehmerisch vernünftig. Aber wie sieht es mit Innovationen aus?

HS: Digitalisierung heißt das Zauberwort! Wir setzen auf Robotik, digitale Simulationen, und investieren in die Prozessanalyse im Vorfeld der Projektierung. Unser Ziel: Gemeinsam mit unseren Kunden und Lieferanten den Digitalen Zwilling erschaffen! Der Ziegel-Kunde setzt sich die VR-Brille auf und sieht bereits seine fertige Anlage, bevor auch nur eine einzige Schraube angefasst wurde. Davon versprechen wir uns auch für Lingl große Wettbewerbsvorteile. Bei Lippert haben wir bereits sehr gute Erfahrungen damit gesammelt.

WH: So ist es. Mit der Erschaffung des Digitalen Zwillings im Planungsprozess können wir Konstruktion, Fertigung und Montage so optimieren, dass wir Stillstandszeiten beim Kunden entweder vermeiden oder auf ein Mindestmaß reduzieren können. Bei Lippert sind wir mit unseren digitalen Simulationen inzwischen bei bis zu 98% an der Realität. Damit geben wir unseren Kunden, also den Ziegelherstellern, ein hohes Maß an Verlässlichkeit.

ZI: Wie nimmt denn der Markt die Veränderungen bei Lingl auf?

KL: Sehr gut! Die Marktresonanz ist durchweg positiv, wir gewinnen wieder Aufträge hinzu. Der Prozess der Ressourcenoptimierung trägt bereits Früchte. Unsere Kunden vertrauen uns wieder, dass wir in der Lage sind, ihre Bedürfnisse verlässlich zu erfüllen und ihre Probleme zu lösen. Darum geht es ja letzten Endes. In unserer mittelständisch geprägten Industrie, in der im Grunde jeder jeden kennt, ist das extrem wichtig. Nur so können wir im harten Wettbewerb bestehen.

 

„Digitalisierung der Planungs- und Entwicklungsprozesse“

ZI: Herr Hein, Sie sind als CTO von Lippert auch Mitglied des Management-Teams von Lingl. Wird Lingl bald in Lippert aufgehen?

WH: Das würde keinen Sinn ergeben. Die Kundengruppen von Lingl und Lippert überschneiden sich nur geringfügig, Sehr wohl profitieren aber beide Unternehmen vom jeweiligen Know-how. Lingl hat im Markt einen hervorragenden Ruf, was vor allem am exzellenten Know-how der Mitarbeiter liegt. Meine Aufgabe ist es, die Innovationen und Prozessverbesserungen, die wir bei Lippert bereits erfolgreich eingeführt haben, auch bei Lingl voranzutreiben. Da geht es beispielsweise um Synergievorteile durch Auftragsvergabe innerhalb der Gruppe, vor allem aber um die Digitalisierung der Planungs- und Entwicklungsprozesse. Im Verbund decken wir dann eine große Bandbreite an Lösungen für die keramische Industrie ab.

ZI: Apropos Lösungen: Die deutsche Ziegelindustrie hat sich mit ihrer Road Map das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu produzieren. Hat das Auswirkungen auf Ihre Planungsprozesse?

KL: Darauf kann man keine pauschale Antwort geben. Anlagentechnische Lösungen hängen von vielen Faktoren ab, unter anderem vom Produktportfolio des Ziegelherstellers oder auch von regionalen Gegebenheiten.

Im Moment sehen wir großen Bedarf bei der Verlässlichkeit der politischen Regularien. Auf welche Rahmenbedingungen muss sich die Ziegelindustrie einstellen? Wie wird sich der Handel mit CO2-Zertifikaten weiter entwickeln? Wie sehen Fördermechanismen für gewisse Energieträger aus, beispielsweise Wasserstoff? Die Ziegelindustrie hat verschiedene Szenarien in ihrer Road Map durchgespielt, jetzt müssen klare und verlässliche nationale sowie europäische Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Ziegelunternehmer dementsprechend investieren können. Denn wir dürfen eines nicht vergessen: Investitionen in der Ziegelindustrie haben Zeithorizonte von mitunter Jahrzehnten. Die müssen sie auch haben, denn ein mittelständisches Ziegelunternehmen kann nicht mal eben alle paar Jahre in einen neuen Tunnelofen investieren!

HS: Dem kann ich mich nur anschließen. Ich wünsche mir, dass sich unser Staat mehr engagiert, um die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrieunternehmen zu stärken. Das Know-how unserer Industrieunternehmen muss hier bei uns bleiben! Die Firma Lingl steht bereit, um mit seinen Ziegel-Partnern innovative Lösungen für eine CO2-arme Fertigung zu entwickeln.

Das Gespräch führte ZI-Redakteur Wolfgang Deil.

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