Eine Fassade wie ein Vorhang aus Ziegeln
W-Mission ist einer der hochwertigsten Textilhersteller Südkoreas. Der neue Hauptsitz befindet sich in Seongsu-dong, Seoul, einem Stadtteil, der für seine alten Schuhfabriken bekannt ist – errichtet in traditionellem roten Ziegelmauerwerk. Dieses wiederbelebte Viertel hat sich zu einem pulsierenden urbanen Zentrum für Kunst, Kultur und Design in der koreanischen Hauptstadt entwickelt.
Der Entwurf basiert auf drei existenziellen Grundkonzepten, die den geistigen Charakter des Auftraggebers am besten repräsentieren: Heiligkeit, Zuflucht und Gemeinschaft. Die gestalterische Inspiration bezieht sich auf die Meereswellen der Heimatregion des Auftraggebers sowie auf die Materialeigenschaften von Textilien – wie Leichtigkeit, Webmuster, Wellenbewegung, Umhüllung und Offenbarung.
Architektonische Elemente verstärken das spirituelle Empfinden, insbesondere die Umkehrung einer traditionellen gotischen Hochbogenfassade – von innen (wie im Kirchenraum) nach außen in den städtischen Raum übertragen.
Die Nachbildung von Stoffdrapierungen in Steinskulpturen, wie sie bereits beim Verwaltungsgebäude für den Verband der Nordwestdeutschen Textilindustrie in Münster erforscht wurde, stellt ein faszinierendes Paradoxon dar. In diesem Projekt bot das traditionelle Ziegelmauerwerk eine hervorragende Möglichkeit, die gewünschte Wellenform zu gestalten. Der Ziegelbau hat in Seoul eine lange Tradition. Die gewählte Lösung besteht in einer buchstäblichen „Vorhangfassade“ aus Ziegeln, die auf eine vor Ort gegossene Betonwand montiert sind. Diese Wand dient als Formgeber für die geschwungene Konstruktion.
Mit Hilfe digitaler Berechnungstools wurde ein einfacher Algorithmus entwickelt, um den gewünschten Welleneffekt zu erzeugen, der sich himmelwärts bewegt. Die Fassade besteht aus 520 Ziegellagen; alle 24 Lagen wird ein zusätzlicher Ziegel hinzugefügt, um den Bogen zu vergrößern. Die Wellenamplitude reicht dabei von 0 cm im dritten Stock – wo sie beginnt – bis 170 cm an der Dachkante.
Das Gebäude besteht aus drei gestaffelten programmatischen Ebenen:
Die Gemeinschaftszone mit Straßenzugang umfasst das WM-Café und den Garten, die W-Mission-Akademie, Werkstätten und Ausstellungsflächen. Ein dreigeschossiges Atrium gliedert das öffentliche Programm des Gebäudes.
Ein vierstöckiger Open-Space-Büroblock befindet sich über dem öffentlichen Bereich.
Die Hauptverwaltung von W-Mission erstreckt sich über die obersten drei Geschosse – mit Büroräumen,Werkstätten und Versammlungsräumen. In diesem privaten Gebäudebereich sorgen doppelhohe, miteinander verbundene Räume, inspiriert von der Typologie eines Basilikanavels, für natürliches Licht und eine Atmosphäre der Spiritualität und Kontemplation.
Alle drei Zonen verfügen über halböffentliche, doppelhohe Innenhöfe. Zusammengenommen bildet das Gebäude eine Art vertikales Stadtviertel mit großzügigen Freiräumen und versetzten, aber verbundenen Innenhöfen – alle orientieren sich nach außen und zum Himmel hin und stärken so das Gefühl von Gemeinschaft.
Die wellenförmige Fassade dient als Hintergrundkulisse für die städtischen Blickachsen, die vom Westen über den Seoul Forest Park nach Seongsu-dong führen. Diese charakteristische massive Fassade beherbergt die technischen Nebenräume und die vertikalen Erschließungen. Im Gegensatz dazu öffnen sich auf der Ostseite Terrassen und Gärten mit weitem Blick auf den Han-Fluss und den Stadtteil Seongsu-dong.
Die Nordfassade besteht aus scheinbar zufällig gesetzten Öffnungen, die in drei Typologien gegliedert sind und jeweils auf die funktionalen Anforderungen der dahinterliegenden Räume reagieren.
Architects | Architekten
Behet Bondzio Lin Architekten GmbH & Co.KG, Münster