Christian Hermle, Ammonigy GmbH

„Grünes Spaltgas als Brenngas zur Ziegelherstellung“ –
Dekarbonisierung durch Ammoniak als Brennstoff

Kurzvorstellung Projekt „Grünes Spaltgas“

Im Forschungsprojekt „Grünes Spaltgas zur Ziegelherstellung“ wurde die Herstellung CO2-freier Mauerziegelsteine durch den Einsatz von „grünem Spaltgas“ untersucht. Beim Brennstoff „grünes Spaltgas“ handelt es sich um eine Mischung aus Wasserstoff, Stickstoff und einem kleinen Anteil Ammoniak.Das Projekt wurde durch die Europäische Union im Rahmen „Next Generation EU“ finanziert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Es waren insgesamt fünf Projektpartner aktiv am Projekt beteiligt. Die Haupterkenntnisse des Projekts sind Folgende:

1. Dezentrales Ammoniak-Cracking ermöglicht die Herstellung eines brennbaren Ammoniak-Wasserstoff-Gemisches („grünes Spaltgas“) aus Ammoniak.

2. Der Einsatz von „grünem Spaltgas“ erlaubt eine CO2-freie Herstellung von Mauerziegelsteinen.

3. Die hergestellten Mauerziegelsteine im Rahmen des Projekts zeigten keine qualitativen Mängel.

4. Die notwendigen Grenzwerte bzgl. Stickoxidemissionen beim Verbrennungsvorgang (NOx) wurden eingehalten.

5. Grünes Ammoniak kann zukünftig eine wirtschaftliche Alternative zur Erdgasverbrennung in der Ziegelindustrie werden.

 

Ammoniak als Energieträger der Zukunft

Für eine erfolgreiche Energiewende ist unter anderem eine Dekarbonisierung im Bereich der industriellen Prozesswärme notwendig. Als potenzieller Ersatz für Erdgas wird im Bereich der Industriebrenner oft „grüner Wasserstoff“ genannt. Die Herstellung von grünem Wasserstoff bedarf hoher Kapazitäten an regenerativer Energie. Da diese Kapazitäten in Deutschland nicht zur Verfügung stehen, wird ein Großteil des grünen Wasserstoffs importiert werden (bspw. aus Kanada, Australien oder Saudi-Arabien). Grüner Wasserstoff ist jedoch schwierig transportierbar und Pipelines in diese Länder sind nicht absehbar. Die einzige Möglichkeit ist daher der Import in Form von grünem Ammoniak mit den nachfolgenden Eigenschaften:

Herstellung aus erneuerbarem Strom ist technisch erprobt (grünes NH3).

Kostengünstiger Transport und Speicherung in flüssiger Form (im Vergleich zu Wasserstoff).

Weltweit vorhandene Distributionsinfrastruktur.

Keine aufwendige CO2-Gewinnung aus Luft wie bei der Herstellung von grünen Kohlenwasserstoffen.

Dezentrales Ammoniak-Cracking - Herstellung von Wasserstoff aus Ammoniak am Einsatzort

Zwar eignet sich Ammoniak als hervorragender Energieträger, weist jedoch eine geringe Flammengeschwindigkeit auf. Aus diesem Grund ist die direkte Verbrennung von Ammoniak als alleinigem Brennstoff herausfordernd. Eine Lösung bietet der Einsatz eines dezentralen Ammoniak-Crackers, der Ammoniak am Einsatzort in Wasserstoff spaltet. Neben Wasserstoff besteht das „grüne Spaltgas“ aus dem Ammoniak-Cracker aus Wasser, Stickstoff und einem kleinen Anteil an nicht umgesetztem Ammoniak.

Die Verbrennung des grünen Spaltgases erfolgt ohne weitere Aufreinigung und ohne Zwischenspeicherung direkt im Anschluss in einem Industriebrenner. Ein weiterer Anwendungsfall ist die Verbrennung in Kolbenmotoren.

Projektinhalte

Das Forschungsprojekt „Grünes Spaltgas“ lief über drei Jahre. Die Schwerpunkthemen waren in einzelne Arbeitspakete unterteilt, die von den fünf Projektpartnern in enger Abstimmung bearbeitet wurden. Die Projektinhalte sind nachfolgend aufgelistet.

Entwicklung und Testung eines Brenners für „grünes Spaltgas“. Wegen des im Vergleich mit Erdgas höheren Volumenstroms des Spaltgases wurde ein Erdgasbrenner adaptiert

Entwicklung und Testung Ammoniak-Cracker.

Entwicklung und Testung eines Pilotbrennofens, inkl. CAD-Modellierung.

Entwicklung und Evaluierung eines strömungs- und wärmetechnischen Modells für den Pilotbrennofen.

Optimierung der Ziegelumströmung im Pilotbrennofen durch Modellierung des Prozesses.

Aufbau einer sicherheitstechnisch adäquaten Testumgebung für den Pilotofenbetrieb.

Brennen von Ziegelsteinen (mehrere Chargen) mit „grünem Spaltgas“ im Pilotbrennofen.

Qualitätsanalyse und Vergleich mit konventionell gebrannten Ziegelsteinen.

Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit und Ökobilanz des Spaltgaseinsatzes beim Ziegelbrennen.

 

Herausforderungen und Projektergebnisse

Der Pilotbrennofen wurde mit dem konzipierten Brenner ausgestattet und mit einer Feuerungswärmeleistung von ca. 20 kW betrieben. Die Feuerungswärmeleistung im Brenner setzte sich aus ca. 90 % Wasserstoff und 10 % Restammoniak zusammen.

Betrieben wurde der Brenner mit Spaltgas bei einem Lambda-Wert von nahe 1,0. Erdgasbrenner werden im Regelfall mit deutlichem Luftüberschuss (Lambda 1,05 - 1,3) betrieben. Bei diesen Betriebsbedingungen ergaben sich für den Spaltgasbetrieb hohe NO-Konzentrationen im Abgas, die die gesetzlichen Grenzwerte der 44. BlmSchV deutlich überschreiten. Beim Betrieb bei einem Lambda-Wert von 1,0 konnten die gesetzlichen Vorgaben klar eingehalten werden.

Die Temperaturüberwachung, die mit 15 Thermoelementen im Pilotbrennofen stattfand, zeigte während des Aufheizvorgangs Temperaturdifferenzen bis zu 300 °C. Die erforderlichen Endtemperaturen von bis zu 1000 °C im Pilotofen wurden erreicht. Nach Erreichen des Maximums wurde der Brenner abgeschaltet und die Temperaturunterschiede glichen sich in der Folge an. Insgesamt wurden 35 - 40 Mauerziegelsteine in fünf Chargen mit „grünem Spaltgas“ im Pilotofen gebrannt.

Die mit Spaltgas gebrannten Mauerziegelsteine erfüllten laut betriebseigener Prüfung der Fa. Juwö Proton die Zulassungsparameter. Die gebrannten Ziegel waren bzgl. der Dimension, Bruchlast, Druckfestigkeit und Rohdichte nicht von Ziegeln zu unterscheiden, die mit Erdgas gebrannt wurden. Einziger Unterschied war eine etwas hellere Farbe, die auf die niedrigeren Lambda-Werte beim Brennen zurückzuführen ist.

Die softwarebasierte Ökobilanzierung verglich die Ziegelherstellung auf Ammoniakbasis mit Ziegeln, die mit fossilem Erdgas gebrannt werden. Grundvoraussetzung für CO2-Einsparungen ist die Herstellung von Ammoniak aus regenerativer Energie (grünes Ammoniak). Bei Verwendung von grünem Ammoniak kann eine deutliche CO2-Einsparung von bis zu 70 % erreicht werden, die v.a. von der eingesetzten Energieerzeugungsform beeinflusst wird.

Ähnlich zur Ökobilanz wird auch die Wirtschaftlichkeit maßgeblich von der Entstehung von grünem Ammoniak beeinflusst. Für den Import von grünem Ammoniak gibt es noch keine belastbaren Preise. Maßgebliche Einflussgröße ist der Strompreis, der für die Elektrolyse zur Herstellung des grünen Wasserstoffs angesetzt wird. Die nachgelagerten Verfahren zur Ammoniaksynthese und zum Transport sind erprobt und unterliegen weniger Unsicherheiten.

 

Fazit & Ausblick

Die Verwendung von Ammoniak-Cracking bzw. von „grünem Spaltgas“ ermöglicht CO2-freie Brennprozesse für Mauerziegelsteine ohne qualitative Einbußen. Abgasemissionen sind bei der Verbrennung definitiv zu beachten. Bei einem Lambda-Wert nahe 1,0 lassen sich die gesetzlichen Abgasemissionswerte einhalten.

In den kommenden Jahren wird grüner Wasserstoff hauptsächlich in Form von Ammoniak nach Deutschland importiert. Mit der direkten Nutzung von grünem Ammoniak als Brennstoff entfallen die komplexe und teure Speicherung sowie Distribution von Wasserstoff.

Die unklare Preisprognose für die Herstellung von grünem Wasserstoff ist die größte Unsicherheit in der Bewertung der Gesamtwirtschaftlichkeit. Im Vergleich zu Anwendungen mit grünem Wasserstoff bietet Ammoniak jedoch alternative Lösungsansätze außerhalb des Pipeline-Transports.

Die erste weltweite Ausschreibung durch die vom Bundeswirtschaftsministerium gegründete H2Global Stiftung fand im Herbst 2024 statt. Der Einstandspreis für grünes Ammoniak aus Ägypten nach Mitteleuropa lag bei ca. 800 EUR / Tonne Ammoniak (ca. 16 Ct. / kWh). Die Wirtschaftlichkeit für den Einsatz von grünem Ammoniak ist daher nur im Fall einer deutlichen Preisreduzierung gegeben, die bei einer Zunahme von Projekten erwartbar ist.

Ammoniak hat großes Potential, als Brennstoff eine wichtige Lösungsalternative in der langfristigen Energiewende darzustellen. Alle untersuchten Themenfelder (Brennverfahren, Ammoniak-Cracking, Abgasbehandlung) bieten noch viel Optimierungspotenzial.

Der Gesamtprojektkoordinator Stefan Jungk (Inhaber Juwö Poroton) fasst die Projektergebnisse wie folgt zusammen: „Ammoniak kann als Brennstoff für die Mauerziegelproduktion eingesetzt werden und stellt speziell für dezentrale Verbraucher ohne Anschluss ans Wasserstoffkernnetz eine Lösungsalternative dar. Das Projekt zeigt aber auch, dass letztendlich die Gesamtwirtschaftlichkeit entscheidet. Der Preis für den eingesetzten Energieträger ist der wichtigste Faktor. Die Substitution von Erdgas in der Industrie ist ein Marathon, und Deutschland braucht eine klare Strategie, konkrete Projekte und schnelle Umsetzung. Ansonsten werden weder die benötigten Mengen noch die Zielpreise für grünen Wasserstoff oder dessen Derivate erreicht.“

 

Kurzvorstellung Projektpartner

Die JUWÖ Poroton-Werke Ernst Jungk u. Sohn GmbH stehen als mittelständisches Familienunternehmen seit 1862 für Innovation und Engagement für den Ausbau der Spitzenstellung des Ziegels in Deutschland und Europa. Das Unternehmen ist der größte Ziegelhersteller in Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordbayern und dem Saarland und produziert an zwei Standorten mit über 140 Mitarbeitern ökologische und nachhaltige Ziegelprodukte, insbesondere hochwärmedämmende Mauerziegel für den Wohnungs- und Gewerbebau.

Die whs Gesellschaft für Energietechnik GmbH ist seit 1996 im Bereich der regenerativen Energien tätig. Zur Weiterentwicklung der Ammoniak-Cracking Technologie wurde im Jahr 2020 die Ammonigy GmbH gegründet.

Die IBS Industrie-Brenner-Systeme GmbH liefert emissionsarme und energiesparende Industriebrenner für Hochtemperaturanwendungen. Darüber hinaus bietet das Unternehmen Trocknungsanlagen, Abgasreinigungsanlagen und prozesstechnische Anlagen an.

Der Bereich Energie des Fraunhofer-Instituts für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM entwickelt Katalysatoren und katalytische Beschichtungen für Mikrokanalreaktoren. Darüber hinaus verfügt das IMM über optimale Voraussetzungen, um neue Apparaturen und Brenner zu simulieren und zu testen sowie Verfahren zu bewerten

Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern setzt Modellierung und Simulation zur Optimierung von Prozessen und Produkten ein. Strömungsdynamische Auslegung und Hochtemperaturprozesse spielen dabei seit über 20 Jahren eine relevante Rolle.

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