Ralf Wagner(a), Anne Tretau(a), Martin Ganß(a)

Analyse des thermal runaways beim mikrowellengestützten Brand unter Nutzung verteilt-messender faseroptischer Sensorik und temperaturabhängigen Permittivitäten

Kurzzusammenfassung

Dieser Beitrag behandelt die ortsaufgelöste, verteilte Temperaturmessung im mikrowellengestützten Brand von Rohlingen unter Nutzung faseroptischer Sensorik. Die so ermittelten Temperaturprofile erlauben in Kombination mit bei hohen Temperaturen experimentell ermittelten Permittivitäten die Erklärung des „thermal runaways“ im Mikrowellenprozess.

1. Einleitung

Der Europäische Green Deal, der die Aufgaben der Energiewende und der Circular Economy zusammenführt, verbindet die Zielsetzungen einer klimaneutralen und ressourceneffizienten Industrie mit möglichst geringem Umwelteinfluss. Die Umsetzung der Maßnahmen erfordert u.a. neue Lösungsansätze im Ressourcenmanagement sowie die Verbesserung und Neuentwicklung von Prozessen. Momentan wird die Hochtemperaturwärme für den Brand von Tonmaterialien bzw. Rohlingen durch Verbrennen fossiler Energieträger bereitgestellt. Dabei wird nahezu 100 % Erdgas verwendet. Die Mikrowellentechnologie könnte ein interessantes Verfahren zum elektrifizierten und energieeffizienten Ziegelbrand sein. Im Vergleich zur konventionellen Erwärmung entsteht die Wärme direkt durch Absorption der Mikrowellenstrahlung im Produkt.

Allerdings werden in der Literatur (Forouzan2020, EUDP2017, DTI2017) lokale Verfärbungen und Reduktionskerne bedingt durch den mikrowellengestützten Brand beschrieben. Bei silikatkeramischen Materialien kann durch den mikrowellengestützten Brand die Temperatur lokal sehr schnell und unkontrolliert auf ein sehr hohes Niveau ansteigen. Dieser Effekt wird als „thermal runaway“ bezeichnet (Xiaofeng2002). Resultate eines „thermal runaways“ sind anhand von Bildern aus den eigenen Versuchen in der » Abbildung 1 dargestellt.

Grundsätzlich basiert der mikrowellengestützte Brand auf der Dissipation von elektromagnetischer Energie im Material. Die verwendete Frequenz f der elektromagnetischen Wellen liegt üblicherweise bei 915 oder 2450 MHz. Die durch Mikrowellen in ein Material eingebrachte Leistung P, berechnet sich aus (Feng2012):


⇥(1)

In Gleichung 1 ist c eine Konstante, in die die Einheiten der verwendeten Parameter eingehen. Für die räumliche Verteilung des Leistungseintrages ist in erster Linie die in die Formel eingehende elektrische Feldstärke E verantwortlich. Maßgebend für die in einem Produkt durch Dissipation von Energie erzeugte Wärme sind dessen dielektrische Materialeigenschaften, die elektrische Feldstärke und Frequenz des Mikrowellenfeldes sowie die Zeitdauer der Wechselwirkung. Die dielektrischen Eigenschaften werden mit der komplexwertigen Permittivität


⇥(2)

beschrieben. Diese setzt sich aus dem Realteil ε‘ und dem Imaginärteil ε‘‘ (dielektrischer Verlust) zusammen. Letzterer beschreibt die Dissipation elektrischer Energie in das System durch Umwandlung in Wärme und hängt direkt von der Temperatur des Mediums als auch von der Leitfähigkeit der Moleküle ab. Liegen Gradienten der Feuchtigkeitsbeladung X und der Temperatur T durch unterschiedliche Trocknung oder Energieeintrag vor, so bewirkt die Permittivität ebenso einen ortsabhängigen Energieeintrag. Die ortsaufgelöste Erfassung von Temperaturen in den Proben ist somit ein wichtiger Schritt, um Prozesse zu verstehen und zukünftig zu steuern.

Ziel der Untersuchungen ist es mit faseroptischer Sensorik und Messtechnik die im Inneren einer Probe auftretenden Temperaturprofile zu erfassen und zusammen mit der Kenntnis der dielektrischen Eigenschaften bei hohen Temperaturen ein besseres Verständnis für den „thermal runaway“ beim Mikrowellenbrand zu erreichen.

2. Material, Versuchsaufbau und Messmethoden

2.1 Material

Für die Versuche wurde ein illitischer Schieferton für Pflasterklinker verwendet. Die Proben wurden aus (im Ziegelwerk) extrudierten Rohlingen zylinderförmig ausgestochen. Für die Versuche wurden folgende Proben verwendet:

• Mikrowellengestützter Brand: Zylinder (d = 37,7 mm;

h = 49,5 mm), trocken bei 105 °C. In der radialen Achse wurde mittig eine 0,5 mm Bohrung zur Messung des Temperaturprofiles entlang der z‑Achse eingebracht

• Temperaturabhängige Permittivität: Zylinder (d = 19,2 mm; h = 97,5 mm), Ausgleichsfeuchte von 1,4 % atro.

2.2 Versuchsaufbau - Mikrowellengestützter Brand und faseroptische Sensorik

Der mikrowellengestützte Brand wurde im Mikrowellen-Muffelofen PHOENIX-BLACK (CEM GmbH, Deutschland) durchgeführt. Die Muffel des PHOENIX-BLACK (» Abbildung 2, links) besteht aus einer porösen Quarzglasfaser, die bis 1200 °C eingesetzt werden kann. Das Absorbermaterial an der Innenseite wurde für die Versuche entfernt, so dass die Muffel für Mikrowellen transparent war. Ab 100 °C Ofentemperatur wird die Muffel von außen mit Luft gekühlt und somit vor Überhitzung geschützt.

Die Leistungsteuerung in die Muffel erfolgt über eine vorgegebene Temperaturrampe. Dazu misst ein Thermoelement punktuell die Oberflächentemperatur der Probe. Das in den Ofen integrierte Thermoelement wird im Weiteren als Phoenix-Sensor bezeichnet. Die Regelung versucht die Magnetronleistung so einzustellen, dass die vorgegebene Temperatur erreicht wird. Die programmierbare Temperaturkontrolle bietet eine flexible Einstellung der spezifischen ­Solltemperaturen (Brennkurven).

Für Temperaturmessungen in Mikrowellen eignen sich faseroptische Sensoren und Messverfahren (Wada2015), da das Licht als Übertragungsmedium in der Sensorfaser und als Messgröße dient. Eine Störung der Messgrößen durch elektromagnetische Strahlung ist weitestgehend ausgeschlossen. Als Sensoren werden spezielle optische Glasfasern genutzt. In den letzten Jahren haben sich verteilt-messende faseroptische Systeme etabliert. Diese Messtechniken nutzen das an „Defekten“ und Inhomogenitäten in der Glasfaser selbst zurückgestreute Licht. Die optischen Glasfasern enthalten ein charakteristisches Reflexionssignal, dessen definierte Änderungen bei Temperatur- und Krafteinwirkung für die Ermittlung von Temperaturen und Dehnungen analysiert werden. Für die Auswertung des im Faserinneren zurückgestreuten Lichtes kommen spezielle Interferometer-Messtechniken sowie definierte durchstimmbare Laserlichtquellen zum Einsatz. Für Messaufgaben mit hoher Ortsauflösung im Millimeter-Bereich über die gesamte Faser hat sich die optische Frequenzbereichsreflektometrie mit Auswertung der Rayleigh-Anteile im zurückgestreuten Licht über Frequenzanalyse etabliert. Mit dem Sensorverfahren können Temperaturen quasi-kontinuierlich über die Sensorfaser mit einer Länge von bis zu 20 m mit hoher Ortsauflösung von ca. 0,65 mm erfasst werden (Samiec11). Diese Messtechnik eignet sich somit für die Erfassung eines Temperaturprofiles innerhalb einer Probe, wenn mechanische Veränderungen (Dehnung bzw. Schwindung) von dem Temperatureinfluss entkoppelt werden.

Die Applikation der faseroptischen Sensoren erfolgte in den Zylinderproben. Diesbezüglich wurde die zylindrische Probe mittig in der Muffel auf einem Teflonring positioniert. Zur Messung des Temperaturprofils im Zylinder wurde in die Bohrung ein faseroptischer Sensor (Single-Mode-Glasfaser mit 150 µm Durchmesser mit Polyimide-Coating) spannungsfrei eingebracht. Der faseroptische Temperatursensor wurde für die Untersuchungen mit einem Anschlussstecker und terminierten Ende präpariert. Die Messung und Auswertung des in der Faser zurückgestreuten Rayleigh-Signals wurde mit einem einkanaligen Frequenzbereichsreflektometer OdisiB (Luna Tech, USA) durchgeführt. Die faseroptische Messtechnik dient so zur ortsaufgelösten Temperaturerfassung im Prozess innerhalb des Probekörper.

Die Oberflächentemperaturen wurden zur Validierung und Analyse der Sensordaten mit einer Infrarotkamera (IR) des Typs VarioCam HDx head 620S (Infratec GmbH, Deutschland) über ein kurzzeitiges Öffnen der Kammer gemessen.

2.3 Messung der temperaturabhängigen Permittivität

Für die Bestimmung der Permittivität wurde ein koaxialer Hohlraumresonator (» Abbildung 3, links) analog zu Kupfer et al. (Kupfer2011) verwendet. In diesen Resonatortyp können größere Proben exakt und reproduzierbar platziert und gemessen werden. Die Messmethodik wurde in der Literatur ausführlich und vielseitig besprochen, wobei insbesondere Flesoura et al. (Flesoura2019) und Hofele (Hofele2022) die Hochtemperaturmessungen beschreiben.

Ein leerer, unbelasteter Resonator besitzt eine charakteristische Resonanzkurve mit einer definierten Resonanzfrequenz fr und Bandbreite Bw, die vom jeweiligen Aufbau abhängig sind. Wird das Material in den Resonator eingebracht, verändern sich die Parameter Resonanzfrequenz und Bandbreite (» Abbildung 3), da beide von der komplexen Permittivität abhängen. Es ist eine Kalibrierfunktion notwendig, um aus der Resonanzfrequenzverschiebung Δfr und der Bandbreitenänderung ΔBw den Real- und Imaginärteil zu berechnen. Die Kalibrierfunktion wurden über eine numerische Simulation ermittelt. Dazu wurde der Hohlraumresonator als 3D-FEM-Modell in der Software Ansys HFSS (Ansys, Inc., USA) aufgebaut und das innere Rohr mit einem Material definierter dielektrische Eigenschaften belegt. Aus der simulierten Resonanzkurve für den idealisierten Aufbau wurden die Resonanzparameter ermittelt. Damit können die funktionalen Zusammenhänge für Real- bzw. Imaginärteil der Permittivität beschrieben werden. Der Realteil wird aus der Resonanzfrequenzverschiebung Δfr über ein Polynom zweiten Grades berechnet. Der Imaginärteil wurde mit einer linearen Abhängigkeit von der Bandbreite modelliert, in dessen Anstieg wiederum die Resonanzfrequenzverschiebung linear eingeht. Die aus der Simulation erhaltenen Kalibrierfunktionen wurden durch Messungen an Kunststoffproben validiert. Deren Permittivität wurde mit einer koaxialen Messzelle analog zum Messaufbau von Wagner et al. (Wagner2011) gemessen. Der in der Literatur beschriebene Zusammenhang, einer größeren Resonanzfrequenzverschiebung Δfr bedingt einen höheren Realteil und eine größere Bandbreite einen höheren Imaginärteil, findet sich in den Kalibrierfunktionen wieder.

In den durchgeführten Versuchen wurden die Proben für die Permittivitätsmessung extern in einem Nabertherm Muffelofen bis zur Garbrandtemperatur von ca. 1100 °C erhitzt. Die Proben wurden bei einer stufenweise eingestellten Temperatur aus dem Ofen entnommen und für wenige Sekunden in den Resonator eingeführt. Die Resonanzkurve wurde kontinuierlich gemessen. An dem aus dem Rohr herausragenden Teil wurde die Temperatur mit einer Infrarotkamera PI 400i (Optris GmbH, Deutschland) bestimmt. Durch die zeitlich relativ schnellen Messungen werden die Abweichungen zwischen gemessener und tatsächlicher Temperatur des Probekörpers im Resonator minimiert.

Wird die Variation in der Resonanzfrequenz zwischen 103 °C und 660 °C betrachtet, so ist diese gering. Um die geringe Variation zu erfassen, wurde mit einem Punktabstand von 1 MHz abgetastet. Im Temperaturbereich 800 °C bzw. 925 °C verändern sich die Resonanzkurven deutlich. Die in der » Abbildung 3 dargestellte Resonanzkurve für 925 °C ist mit einer großen Bandbreite sehr flach, wodurch die Auswertung erschwert wird.

Damit der Einfluss chemischer Reaktionen auf die Permittivität beschrieben werden kann, wurde eine simultane thermische Analyse (STA) durchgeführt. Neben der thermogravimetrischen Analyse (TG) wurde eine DSC zur Bestimmung der Reaktionstemperaturen bzw. Reaktionswärmen durchgeführt. Die Proben zur Bestimmung des thermischen Verhaltens wurden auf eine Korngröße von < 63 μm mit einem Mörser per Hand aufgemahlen. Die thermographische Analyse (DTG) wurde in der Apparatur STA 409 C PC/PG (Fa. Erich NETZSCH GmbH & Co. Holding KG) durchgeführt, welche mit einem DTA/TG-Probenträger ausgerüstet ist. Die Messungen wurden im Korundtiegel im Temperaturbereich von 25-1050 °C durchgeführt. Es wurde eine Aufheizrate von 10 K/min gewählt.

In den Versuchen zur Bestimmung der temperaturabhängigen Permittivität wurde eine weitere Probe erwärmt und die Masse im abgekühlten Zustand bestimmt. Die Masseänderung wird mit den Werten der thermographische Analyse TG verglichen. Damit deren Einfluss auf die Permittivität im Erwärmungsprozess beschrieben werden.

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1 Ortsaufgelöste, verteilte Messung von Temperaturen während des mikrowellengestützten Brandes

Die Untersuchungen zur ortsaufgelösten, verteilten Temperaturmessung mit faseroptischen Sensoren in den Zylinderproben wurden bis zu einer lokalen Oberflächentemperatur (Temperaturen mit dem Phoenix-Sensor gemessen) von ca. 350 °C bis 400 °C mit einer Aufheizrate von 733,3 K/h realisiert. Parallel wurden mit den faseroptischen Sensoren ortsaufgelöst über die Probenhöhe die Temperaturen im Inneren der Zylinderprobe mit einer Auflösung von 0,65 mm erfasst. Zum Verständnis der Messmöglichkeiten zeigt » Abbildung 4 beispielhaft Linienanalysen der Temperaturen aus faseroptischen Temperaturmessungen im Vergleich zu IR-Messungen auf der Proben-Oberfläche nach Öffnen des Ofenraumes. Es wird deutlich, dass die Temperaturen in einer vergleichbareren Größenordnung liegen, aber abhängig von der Messposition deutliche Unterschiede insbesondere in Probenmitte auftreten. Dies wird auch bei der Auswertung der Oberflächentemperaturen aus IR-Messungen deutlich (siehe » Abbildung 4, rechts). Die Temperaturverteilung auf der Oberfläche ist nicht homogen. Eine punktuelle Auswertung bei einer Regelungstemperatur von 210 °C verdeutlicht Temperaturunterschiede von bis zu 138 K mit Temperaturen von ca. 217 °C (P4) bis 355 °C und (P1). Deutlich höhere Temperaturen treten im Probeninneren auf, was die faseroptischen Sensormessungen in » Abbildung 4 links aufzeigen. Hier treten Temperaturen von bis zu 520 °C im Zentrum der Probe bei einer Regelungstemperatur von 210 °C auf.

In » Abbildung 5 ist zu erkennen, wie die Regelungstemperatur am Phoenix-Sensor dem vorgegebenen linearen Temperaturanstieg von 733,3 K/h folgt. Der Messpunkt des faseroptischen Sensors an der Oberfläche der Probe (Sensorposition bei  0 mm) und damit in der Nähe des Phoenix-Sensors verläuft mit geringfügigen Abweichungen wie die Regelungstemperatur. Die Temperatureinbrüche (nach ca. 17 min bei 210 °C und nach ca. 28 min bei 340 °C) werden durch die Öffnung der Kammer für die Temperaturmessungen mit IR-Kamera ­verursacht. Es wird deutlich, wie die Regelung durch eine Erhöhung der Magnetronleistung den vorgegebenen Temperaturwert wieder erreicht. Dies führt durch einen stärkeren Energieeintrag zu einem Temperatursprung im zeitlichen Verlauf der Temperatur (» Abbildung 5). Nach etwa einer Minute erhöhten Leistungseintrag ist die vorgegebene Temperatur wieder erreicht und der Anstieg wird kontinuierlich fortgesetzt. Der zeitliche Temperaturverlauf für das Probeninnere gemessen mit faseroptischen Sensoren in ­» Abbildung 5, rechts zeigt deutlich höhere Temperaturen als die an der Oberfläche der Zylinderproben gemessen.

Beim Temperaturverlauf in der Probenmitte aus den faseroptischen Messungen wird nach 29 min ein steiler Temperaturanstieg mit 200 K/min festgestellt. Die Temperatur steigt im Probeninneren weiter auf 1146 °C. Der unkontrollierte Temperaturanstieg ab 800 °C ist ein „thermal runaway“.

Die während des Versuchs mit der IR-Kamera aufgenommenen Bilder sind in » Abbildung 6 dargestellt. Die an der oberen Seite gemessenen Oberflächentemperaturen (Phoenix-Sensor und faseroptische Sensor) stimmen gut mit der Oberflächentemperatur der IR-Kamera überein. Die Oberfläche hat erwartungsgemäß eine heterogene Temperaturverteilung. Nach 17 min ist auf der rechten Probenseite mittig ein „hot spot“ zu erkennen. Im Prozessfortschritt entsteht ein weiterer „hot spot“ auf der gegenüberliegenden Seite. Dabei wird die Temperaturverteilung an der Oberfläche zunehmend homogener. Die gemessene Temperaturverteilung an der Oberfläche ist allerdings nur bedingt aussagekräftig. Für die Prozessteuerung des ­mikrowellengestützten Brandes bzw. der Analyse der Verteilung des elektrischen Feldes ist die Oberflächentemperatur ­ungeeignet. Hier müssen Temperaturen aus dem Innerern herangezogen werden.

Werden die mittels faseroptischen Sensor gemessenen Temperaturprofile in der z-Richtung (=Probenhöhe) verglichen, so sind deutlich höhere Temperaturen im Innern der Probe im Vergleich zu den Oberflächentemperaturen festzustellen. In der » Abbildung 7 sind die Temperaturprofile zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb der Probe (grau schraffiert) im Detail dargestellt. Der faseroptische Sensor misst auch Temperaturen außerhalb der Probe, so dass die Oberflächentemperaturen und der Wärmeübergang ermittelt werden können. Zu Beginn des Versuches bestand eine homogene Temperaturverteilung. Die Erwärmung findet, wie zu erwarten, im Inneren der Probe statt. Nach 15 min ist der Temperaturverlauf noch relativ ausgeglichen, jedoch beträgt der Temperaturunterschied zwischen der Oberkante der Probe und dem Kern schon etwa 120 K. Nach 29,85 min, also kurz vor dem Abbruch des Versuches wurde mit 488 K eine deutliche Temperaturdifferenz gemessen. Die maximale Kerntemperatur beträgt zu diesem Zeitpunkt etwa 975 °C. Der mittlere Temperaturgradient von innen nach außen beträgt 38 K/mm.

Die faseroptischen Temperaturmessungen zeigen, dass Temperaturen bis ca. 1100 °C des Tonmaterials erfasst werden ­können. Somit kann die faseroptische Messtechnik zur Bewertung von Temperaturen bzw. Temperaturverteilungen im mikrowellengestützten Brand herangezogen werden. Die hohen Temperaturen resultierten in einer lokalen Verglasung des Materials (siehe » Abbildung 1, rechts), welches abhängig von Material zwischen 1000 °C und 1200 °C auftritt. In weiteren Arbeiten sollen die Möglichkeiten (Genauigkeit, Wiederholbarkeit) und Grenzen der faseroptischen Temperaturmessungen weiter erforscht sowie Lösungen für robustere Sensoren entwickelt werden.

3.2 Temperaturabhängige dielektrische Eigenschaften

In den Untersuchungen konnten dielektrischen Messungen bis zu Temperaturen von ca. 900 °C realisiert werden. Der temperaturabhängige Verlauf des Real- und Imaginärteils der Permittivität ist in der » Abbildung 8 bei 2450 MHz dargestellt. Durch die Trocknung der Proben fällt die Permittivität deutlich. Dieser Prozess ist bei 110 °C abgeschlossen. Bei 500 °C ist ein Einbruch der Permittivität festzustellen. Oberhalb von 750 °C steigen sowohl der Realteil als auch der Imaginärteil der Permittivität steil an.

Während der Erwärmung durchläuft das Material verschiedene chemische Prozesse. Die einzelnen Effekte lassen sich aus der DTG-Kurve des Materials ableiten. Die DTG-Kurve (» Abbildung 8) zeigt drei Peaks i.e. (I) Dehydratation - physikalisch gebundenes Wasser) bei 90 - 130 °C; (II) Dehydratation – ­Zwischenschichtwasser zwischen 210 – 310 °C und (III) Dehydroxylation der Tonminerale zwischen 450 - 750 °C. Dabei findet keine Strukturänderung statt. Die Schichtstruktur bleibt bei der untersuchten Probe erhalten. Ab ca. 800 °C findet eine Amorphisierung des Materials statt. Da sich verschiedene Prozesse überlagern, ist keine deutliche Masseveränderung festzustellen (Schwarz-Tatarin2009).

Mit dem funktionalen Zusammenhang zwischen der Temperaturverteilung aus den faseroptischen Messungen und der Permittivität des Probenmaterials kann der Imaginärteil der Permittivität (Verlustfaktor) berechnet werden. In » Abbildung 9 ist die örtliche Verteilung des Imaginärteil ε‘‘ in der z-Richtung (­Probenhöhe) dargestellt. Die Zeitpunkte sind mit denen der Temperaturprofile identisch. Bis zum Zeitpunkt t=15,1 min ­variiert der Verlustfaktor ε‘‘ nur geringfügig über das Profil. Damit wird die räumliche Verteilung des Energieeintrages im Wesentlichen durch das elektrische Feld bestimmt. Mit zunehmender Versuchsdauer bildet sich ein inhomogenes Profil des Verlustfaktors ε‘‘ mit höheren Werten in der Mitte aus. Nach einer Prozesszeit t=29,85 min ist der Verlustfaktor ε‘‘ in der Probenmitte

(h = 20 m ± 8 mm) deutlich größer als 1. Somit konzentriert sich der Energieeintrag, der direkt proportional zum Imaginärteil ist, immer stärker in der Probenmitte.

Die vorgestellte Methodik zur temperaturabhängigen Permittivitätsbestimmung, mit einer Kalibration über die Simulation, ist prinzipiell für jedes Tonmaterial geeignet. Die temperaturabhängigen Permittivitäten sind materialspezifisch. Chemische Reaktionen sind im Real- und Imaginärteil der Permittivität zu erkennen. Die Kombination aus ortsaufgelösten Temperaturen mit temperaturabhängigen Permittivitäten ermöglicht eine detaillierte Auswertung des Energieeintrages durch Mikrowellen und die Detektion von „thermal runaways“ beim mikrowellengestützten Brand.

4. Schlussfolgerung

Mit der faseroptischen Messmethodik ist es möglich während des Leistungseintrages mit Mikrowellen ortsaufgelöst Temperaturprofile im Innern einer Probe zu erfassen. Die Messungen zeigten eindrucksvoll, dass die Energie im Inneren der Probe eingetragen wird und dort wesentlich höhere Temperaturen auftreten als an der Oberfläche. In den Versuchen mit einer kontinuierlichen Einstrahlung steigt der Temperaturgradient zwischen dem Probeninneren und der Oberflächen stetig an. Während eine Oberflächentemperatur von 400 °C gemessen wird, liegt die Temperatur im Probeninneren bereits über 900 °C und steigt rasant an. Dieser plötzliche und unkontrollierte Temperaturanstieg (thermal runaway) findet beim dem untersuchten Material ab ca. 800 °C statt. Die Permittivitätsmessungen zeigen, dass in diesem Temperaturbereich der Imaginärteil deutlich ansteigt, wodurch wiederum mehr Energie in diesen Probenbereich dissipiert wird. Der Prozess verstärkt sich mit steigenden, hohen Temperaturen selbst und ist unter weiterer Einstrahlung von Mikrowellenenergie schwierig kontrollierbar. In diesen Bereichen treten Verfärbungen bzw. Verglasung durch den starken Temperaturanstieg auf. Die Untersuchungen zeigen zudem, dass für die Regelung von Hochtemperaturprozessen mit Mikrowellen eine punktuelle Oberflächentemperaturerfassung nicht ausreicht. Aus den Oberflächentemperaturen, welche selbst inhomogen verteilt sind, kann nicht auf die Kerntemperaturen geschlossen werden. Der innere dynamische Prozess des „thermal runaway“ bleibt unentdeckt.

5. Ausblick

Auf Basis der hier vorgestellten sensorgestützten Untersuchungen zum Brand von Rohlingen mit Mikrowellen ist davon auszugehen, dass ein rein mikrowellengestützter Brand mit einem kontinuierlichen Energieeintrag nicht funktionieren wird. Vielmehr sollten sich Phasen des Energieeintrages mit Ausgleichsphasen und /oder äußeren Wärmeeintrag zum ­Temperaturausgleich abwechseln. Die Umsetzung eines intermittierenden Prozesses und deren Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften steht im Fokus weiterer Forschungsarbeiten.

Literatur/References
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