Das Staatliche Bauhaus in Weimar und das Haus am Horn (Teil 2)
2019 wurde in Deutschland das 100-jährige Bauhaus-Jubiläum groß gefeiert. Dieses Ereignis mit internationaler Strahlkraft war Anlass, sich das 1923 gebaute Musterhaus des Bauhauses, das Haus „Am Horn“ in Weimar, aus Sicht der Ziegelindustrie zu betrachten. Lesen Sie hier Teil 2.
Aktuelle Versuche mit organischer Dämmung als Füllmaterial für Hochlochziegel
Die Mehrheit der Ziegelindustrie in Europa hat sich bei der Produktion von Hochlochziegeln mit integrierter Wärmedämmung für mineralische Dämmstoffe (gebundene Perlite bzw. Mineralwolle) entschieden.
Es gab aber immer wieder Versuche, Hochlochziegel mit organischer Dämmung zu füllen. Im Wienerberger-Zentrallabor in Hennersdorf wurden in den Jahren 2014 bis 2018 Untersuchungen zur Dauerhaftigkeit von organischen Dämmstoffen in Großkammer-Hochlochziegel durchgeführt, die aber in der Regel ungünstig verliefen (»Tabelle 1). Vor allem gab es Probleme mit der Dauerhaftigkeit bei Feuchtebelastung. Die Untersuchungen mit Schafwolle-Dämmung verliefen positiv. Hier gab es aber Probleme, sowohl mit dem Schneiden in der Mineralwolle-Verfüllanlage als auch beim Schneiden von gefüllten Steinen auf der Baustelle.
Aus diesen Gründen vertreibt Wienerberger Österreich heute nur Großkammer-Hochlochziegel mit mineralischer Füllung.
Außen- und Innenputz
Als Fassadenputz und innerer Wandputz des Eingangsvestibüls wurde Terranovaputz Silbergrau von der Terranova-Industrie, Freihung (Oberpfalz) verwendet. Der Schabeputz mit einer Körnung von nur 1 mm hat eine sehr feine Struktur und die weiße Putzoberfläche betont die kubische Grundform des Gebäudes. Bei der Sanierung des Gebäudes 1999 wurde festgestellt, dass die Fassade in einem bemerkenswert guten Zustand war, lediglich im Spritzwasserbereich gab es kleine Putzschäden. Der Grund dafür war, dass die Planer aus gestalterischen Gründen auf die Ausbildung eines Sockels verzichtet hatten. Aus Denkmalschutz-Gründen blieb man dabei, so dass 2013 erneut kleinere Sanierungen anstanden. Die Terranova-Nachfolgerin Saint-Gobain Weber GmbH, die diesen Putz heute noch anbietet, stellte ihn zur authentischen Sanierung zur Verfügung.
Wärmeschutz
Entwicklung der Anforderungen des Wärmeschutzes an die Außenbauteile: Im Landesgesetzblatt für Wien vom 25. November 1929, womit eine Bauordnung von Wien erlassen wurde, steht: „Die Außenmauern der Gebäude müssen standfest und tragfähig sein und dem Einfluss der Witterung genügend widerstehen. Bei Aufenthaltsräumen soll ihr Widerstand gegen Witterungseinflüsse mindestens gleich dem einer 38 cm starken gemauerten Ziegelwand sein.“
Auch die Bauordnung des preußischen Staates schrieb zur selben Zeit einen Wärmeschutz einer 38 cm dicken, normalfeuchten, Ziegelwand als Maß für die Wände und auch alle anderen Außenbauteile vor, außer den Fenstern.
Nach dem Gesetz vom 30. April 1976 wurde die Bauordnung für Wien abgeändert (Bauordnungsnovelle 1976): „Die Außenwände von Wohnungen, … müssen einen Wärmeschutz haben, der dem einer mindestens 51 cm dicken, beiderseits verputzten Vollziegelmauer (Wärmedurchlaßwiderstand D = 0,83 m²h°C/kcal) entspricht (»Tabelle 2)
Verputzt wurde mit einem wetterbeständigen silbergrauen Edelputz der Firma Terranova. Das Unternehmen hat das bewährte Produkt als mineralischen Edelkratzputz „weber.top 200“ mit 1 mm Körnung und Glimmerzuschlägen auch nach über 100 Jahren in kaum veränderter Rezeptur noch im Programm.
Der U-Wert des gesamten Wandaufbaues beträgt 0,53 W/m²K (»Tabelle 3). Dieser Wert ist heute bereits mit einem herkömmlichen Hochlochziegel mit der Wandstärke von 25 cm erreichbar. »Tabelle 4 zeigt eine Berechnung mit einem Porotherm 25-38 M.i Plan (M.i steht für „Massiv.innovativ“), der von Wienerberger Österreich 2006 bis 2018 produziert wurde.
Weit übertroffen wird er aber von einem modernen Hochlochziegel mit integrierter Wärmedämmung. Der Porotherm 26 W.i Objekt („W.i steht für Wärmedämmung inklusive“) wird von Wienerberger Österreich seit 2019 produziert. Bei gleicher Wanddicke erreicht man hier einen U-Wert von 0,28 W/m²K (»Tabelle 5).
Decke über dem Erdgeschoss
Die sogenannte Berra Hohlsteindecke aus Keramikhohlsteinen mit Stahleinlagen fand beim Versuchshaus als Decke über sämtlichen Räumen des Erdgeschosses Verwendung. Besonders beachtenswert ist die freie Überspannung des 6 m x 6 m großen Mittelraumes.
Die Herstellung der Berra-Decke erfolgte auf einer aus Latten und Brettern hergestellten Schalung. Darauf wurde die untere Lage der Ziegel trocken und ohne Verband zueinander verlegt. Danach wurden die Bewehrungseisen in Zementmörtel verlegt und die einander zugewandten Seitenflächen zweier unterer Ziegelreihen mit Zementmörtel versehen werden. Die Maurer hatten besonders darauf zu achten, den Mörtel gleichmäßig auf die schrägen Ziegelflächen zu verteilen und darauf, dass der Mörtel die Bewehrung gut umhüllt. In den frischen Mörtel wurden dann die oberen Ziegel mit der Spitze nach unten eingedrückt. Darauf wurde ein Aufbeton mit Gefälle und eine Dämmschicht aus Torfoleum aufgebracht. Die Dacheindeckung erfolgte als mehrlagige Bitumenbahneindeckung auf einer Feinbetonschichte.
Die Berrasteine wurden durch die Berra-Vertriebs-Ges.m.b.H., Naumburg an der Saale, geliefert. Die Herstellung der Decke erfolgte durch die A.&K. Heuring A.G., Mellrichstadt (Unterfranken).
Moderne Ziegel-Einhängedecken bestehen aus Deckenträgern, Einhängeziegeln und Verguß- bzw. Aufbeton, die erst auf der Baustelle zu einem Deckensystem verschmelzen. Die werkseitig vorgefertigten Deckenträger – mit Beton ausgefüllte Ziegelschalen, schlaff bewehrt oder vorgespannt – werden auf Wände und dazwischen aufgestellte Montagestützen aufgelegt. Anschließend werden die Deckenziegel zwischen die Träger eingehängt. Die ergänzende Bewehrung wird gemäß den Verarbeitungsrichtlinien angebracht und die Decke mit Beton vergossen.
Im Vergleich zur Berra-Hohlsteindecke haben moderne Ziegeleinhängedecken mehrere gravierende Vorteile:
rasche Verlegung und Herstellung des Deckensystems
geringes Gewicht
bei Verwendung von vorgespannten Deckenträgern ist der Stahlanteil sehr gering
Resumee und Ausblick
Walter Gropius und das Staatliche Bauhaus hätten wahrscheinlich ihre Freude mit den heutigen Produkten und Bausystemen der Ziegelindustrie gehabt. „Architektur beginnt dort, wo zwei Steine sorgfältig übereinandergelegt werden“ schrieb Ludwig Mies van der Rohe, der letzte Direktor des Bauhauses. Um dieses sorgfältige übereinanderlegen zu vereinfachen und zu beschleunigen hat man in der Folge intensiv an den Ziegelprodukten (großformatige, plangeschliffene Hochlochziegel) und ihrer Verarbeitung (kein Mörtel in den Stoßfugen, Dünnbettmörtel in der Lagerfuge) gearbeitet. Parallel dazu wurde in den letzten Jahrzehnten die bauphysikalische und statisch-mechanische Leistungsfähigkeit von Mauerwerk optimiert. Aber die Entwicklung geht natürlich, wie nachfolgend kurz dargestellt, weiter.
Ab 1926 beschäftigte sich Gropius mit dem Massenwohnbau (Reihenhaussiedlung in Dessau-Törten, Großsiedlung Berlin-Siemensstadt) als Lösung der städtebaulichen und sozialen Probleme und trat für die Rationalisierung des Baugewerbes ein. Auch heute, 100 Jahre später, beschäftigen uns wieder ein stetig steigender Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und die Erhöhung des Standardisierungsgrades im Baugewerbe. Dazu kommt dann noch der immer stärker spürbar werdende Facharbeitermangel.
Die Ziegelindustrie widmet sich heute intensiv dem Thema Vorfertigung und dem Einsatz von Mauerwerks-Robotern auf der Baustelle. Beide Ansätze sollen die Effizienz und Ausführungsqualität von Mauerwerksbauten erhöhen. Dazu soll 2021 eine softwaretechnische Lösung für die Bemessung von Mauerwerksbauten zur Verfügung stehen, die die FEM-Methode zur Berechnung von 3D-Gebäudemodellen nutzt. Die Dimensionierung von Mauerwerksbauten soll in Zukunft ähnlich realistisch, wirtschaftlich und benutzerfreundlich erfolgen, wie dies in Softwarelösungen für den Stahlbeton- oder Holzbau bereits üblich ist.